Ultimatum für den Kronzeugen Uefa verfällt in Aktionismus
25.10.2010, 20:33 Uhr
Uefa-Präsident Michel Platini
(Foto: REUTERS)
Wenn es stimmt, was Spyros Marangos behauptet, dann wurde die Vergabe der EM 2012 manipuliert. Wenn es stimmt, was die Uefa nach angeblich jahrelanger Untätigkeit nun angekündigt hat, dann wird sie diesen Vorwürfen zumindest nachgehen. Marangos soll bis Mittwoch Beweise vorlegen.
Es ist schon kurios. Da wird der Europäische Fußballverband Uefa öffentlich beschuldigt, dass bei der Vergabe der Europameisterschaft 2012 an Polen und die Ukraine gegen die Zahlung von über elf Millionen Euro manipuliert worden sein könnte. Und was macht der Verband? Erstmal gar nichts - obwohl der vermeintliche Zeuge in der "Süddeutschen Zeitung" behauptet, schon seit über zwei Jahren mit seinem Insiderwissen bei der Uefa auf taube Ohren zu stoßen. Und obwohl nur wenige Tage zuvor auch der Fußball-Weltverband Fifa unter Korruptionsverdacht geraten ist, wieder einmal.
Und dann, nach all dem angeblichen Nichtstun, stellt plötzlich die Uefa dem "Kronzeugen im Wartestand", wie die SZ den Zyprer Spyros Marangos nennt, ein 48-Stunden-Ultimatum. Ganz so, als hätte nicht der Verband die Aufklärung der Vorwürfe verschleppt, sondern Marangos. Sollte der ehemalige Schatzmeister des zyprischen Verbandes seinen massiven Vorwurf der Bestechlichkeit von Uefa-Exekutivmitgliedern bis spätestens Mittwoch nicht mit Fakten belegen, behalte sich der Verband rechtliche Schritte vor. Welche, darüber machte die Uefa keine Angaben. Schließlich gilt im Sport eigentlich noch immer das Prinzip: Man beklagt sich, aber man verklagt sich nicht.
"Dies ist nur Verleumdung"
Marangos liegen nach eigenen Angaben Beweise vor, die einen Verkauf des EM-Turniers 2012 an die Ukraine und Polen durch Vorstandsmitglieder der Uefa belegen. Belege hat er noch nicht präsentiert. Er behauptet aber, mehrere Zeugen dafür zu haben, wie in einer zyprischen Anwaltskanzlei Korruptionsgeschäfte abgewickelt worden seien, die fünf hohe Uefa-Funktionäre betroffen und eine Gesamtsumme von 11,15 Millionen Euro umfasst hätten. Er behauptet auch, bereits im Sommer mit dem damaligen Chef der Uefa-Disziplinarabteilung, Peter Limacher, in Kontakt getreten sein. Limacher, der den deutschen Rekordmeister Bayern München durch falsche Manipulationsanschuldigungen ins Zwielicht gebracht hatte und deshalb derzeit sein Amt ruhen lassen muss, soll mit dem Zyprer bereits ein Treffen in Genf für den 24. August 2010 vereinbart gehabt haben. Dieses wurde von Limacher dann aber am 20. August kurzfristig abgesagt, angeblich auf Druck seiner Vorgesetzten.
Während der Europäische Fußballverband nun in Aktionismus verfällt und Druck macht, weisen die EM-Gastgeber die Korruptionsvorwürfe so energisch zurück wie die von der Fifa suspendierten Funktionäre. "Die Behauptungen sind drei Jahre alt. Wenn sie zumindest teilweise wahr wären, hätten wir keine Meisterschaft mehr", sagte der stellvertretende Ministerpräsident der Ukraine, Boris Kolesnikow, der Nachrichtenagentur Interfax. Ähnlich war die Reaktion in Polen. "Dies ist nur Verleumdung, es ist nicht einmal wert, dass man darüber redet", sagte Jakub Kwiatkowski, der Sprecher des polnischen Sportministeriums. Polen behielt sich ebenfalls rechtliche Schritte vor.
Italien "eindeutig betrogen"
Die Uefa hatte am 18. April 2007 in Cardiff die EM 2012 mit 8:4 Stimmen an die Ukraine und Polen vergeben. Topfavorit Italien unterlag überraschend, Mitbewerber Kroatien/Ungarn ging leer aus. Bei den nun von Marangos Beschuldigten soll es sich um Vorstandsmitglieder der Uefa handeln, die laut "Süddeutscher Zeitung" "teilweise schon mit fragwürdigen Aktivitäten im Ehrenamt auffällig wurden".
Im "Kicker" bekräftigte Marangos seine in der SZ geäußerten Vorwürfe noch einmal. Die Italiener seien "eindeutig betrogen worden", sagte er, und Uefa-Präsident Michel Platini will er schon 2007 über die Bestechungen informiert haben. Erst im Juni 2009 habe er dann erstmals eine Antwort erhalten. Die Uefa-Disziplinarkommission in Person von Limacher wurde aber erst mehrere Wochen später eingeschaltet, doch das vereinbarte Treffen platzte - warum, ist weiter offen. Deshalb, so sagt Marangos, ging er nun an die Öffentlichkeit: "Ich habe keine andere Möglichkeit mehr, weil ich mir sicher bin, dass sie die Geschichte vertuschen wollen."
Eine Geschichte, die Spyros Marangos nach eigenen Angaben mit drei schriftlichen Zeugenaussagen belegen kann und will. Eine Geschichte, die so heikel ist, dass Marangos seine Beweise nur an die Justiz weiterreichen und nicht per Post verschicken möchte. Eine drei Jahre alte Geschichte, die die Uefa nach ihrer ersten öffentlichen Reaktion auf die Vorwürfe nun zumindest prüfen muss. Es ist schon kurios.
Quelle: ntv.de, mit sid/dpa