Fußball

Bochum rast in den Horror-Herbst Wie ein Tropfen Magenbitter auf der Stadionwurst

Peter Zeidler wartet mit dem VfL Bochum weiter auf den ersten Saisonsieg.

Peter Zeidler wartet mit dem VfL Bochum weiter auf den ersten Saisonsieg.

(Foto: dpa)

Der VfL Bochum und Holstein Kiel warten in der Fußball-Bundesliga weiter auf den ersten Sieg. Während der Aufsteiger bei Bayer Leverkusen aber für eine dicke Überraschung sorgt, greift im Ruhrgebiet eine alte Weisheit. Eine Diskussion wird direkt abgewürgt.

Frank Goosen ist in Bochum ein geschätzter Mann. Ein "local hero" sozusagen. Dem dortigen VfL sehr zugeneigt und er drückt diese Liebe oft wortreich aus. Zu einem geflügelten Begriff im Stadion ist ein berühmter Satz aus seinem Bochum "Weil Samstag ist" geworden: "Datt iss doch dieselbe Scheiße wie letzte Säsong!". Will meinen: Es läuft nicht so gut beim Verein "vonne Castroper", der das Leiden tief in seine DNA gepflanzt hat. Um sich dann aber auch immer wieder höchst emotional selbst aus dem drohenden Sturz in den Schlund zu reißen.

Im Frühsommer dieses Jahres gelang das auf höchst beeindruckende Weise. Bei Fortuna Düsseldorf wurde in der Relegation ein kleines Fußballwunder zusammengezimmert. Und so langsam können sich Spieler und Trainer in Bochum wieder auf die Suche nach neuem Material machen, um ein neues großes Ding zu bauen. Wie einst die Männer bei Opel, bei Nokia oder in der Stahlindustrie. Alles ist längst vergangen, nur der VfL noch da. Aber nun wieder einmal auf den rasenden Weg in die Tiefe. Nach sechs Spieltagen ist die Mannschaft Letzter, hat lediglich einen Punkt auf dem Konto und nach der 1:3-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg eine Trainerdiskussion?

VfL Bochum - VfL Wolfsburg 1:3 (0:2)

Tore: 0:1 Tomas (21.), 0:2 Wind (37.), 1:2 Boadu (72.), 1:3 Wind (88.)
Bochum: Drewes - Passlack, Medic, Ordez (88. Balde), Wittek - Losilla (60. Broschinski), Sissoko, Bero, De Wit (60. Daschner) - Boadu (88. Miyoshi), Hofmann. - Trainer: Zeidler
Wolfsburg: Grabara - Vavro, Bornauw, Koulierakis - Baku (73. Fischer), Vranckx (79. Özcan), Arnold, Kaminski (79. Gerhardt) - Wind - Tomas (73. Wimmer), Amoura (90. Maehle). - Trainer: Hasenhüttl
Schiedsrichter: Max Burda (Berlin)
Bes. Vorkommnis: Drewes (Bochum) hält Foulelfmeter von Wind (88.)
Gelbe Karten: Medic - Wind, Amoura (2)
Zuschauer: 24.630

Nun, zumindest nicht offiziell. Peter Zeidler darf bleiben. "Ich werde die Frage genau einmal beantworten: Wir werden heute sicherlich keine Trainerdiskussion führen und auch nicht morgen oder übermorgen", sagte der Bochumer Sportdirektor Marc Lettau. An Selbstironie mangelt es den Fans des Klubs nicht. So fragte dann am Abend noch einer: Dann haben wir also am Dienstag einen neuen Trainer? Beim VfL geht die Sorge um, eine ähnliche (teure) Trainerfressermaschine zu werden, wie der einst so große Nachbar FC Schalke 04. Also erstmal weiter mit Zeidler. Weiter mit Raute, die bei den Fans nicht gut ankommt.

Manchmal zeigt die Mannschaft, dass sie es kann

Aber was ist eigentlich passiert in Bochum? Zum Ende der Vorbereitung hatte der VfL plötzlich die ganz große Euphorie entfacht. Zwei spektakuläre Siege gegen den FC Bologna und Le Havre AC hatten das Umfeld aus der Post-Relegations-Glückseligkeit gerissen. Sollte da tatsächlich mehr gehen als der ewig anstrengende Kampf gegen den Abstieg? Diese Frage aus dem Spätsommer ist zum Herbstanfang beantwortet. Die Antwort lautet: nein! Der Existenzkampf in der 1. Fußball-Bundesliga ist das einzige Ding, um das es gehen wird. Zäh, wie eine Fahrt über die A40 (oder derzeit die Ausweichstrecke A448), gestresst, genervt, aber am Ende doch am Ziel?

Dass die Mannschaft in der Lage ist, den zu gewinnen, deutet sich in manchen Phasen an. Bei RB Leipzig war sie einem überraschenden Punkt nah. Beim BVB war die große Sensation zu greifen, hätte Myron Boadu das 3:0 in der ersten Halbzeit nicht liegengelassen (am Ende stand es 2:4 aus Sicht des VfL). Und auch an diesem Samstag gegen die Wolfsburger waren Momente dabei, die das Potenzial der Mannschaft heben. Aber zu wenige, wieder einmal. Hinzu kommen bittere Wenden. In der 18. Minute freuten sie sich im Ruhrstadion über einen Elfmeter. In der 20. Minute wurde er nach Ansicht der Videobilder zurückgenommen. In der 21. Minute stand es 0:1. Und zur Pause sogar 0:2. Dann kam die stärkste Phase der Bochumer, die drückten, drängten und trafen (72.). Aber sie belohnten sich nicht, verloren am Ende verdient, auch weil Wolfsburg das Aluminium mehrfach strapazierte.

Der ängstliche Blick auf den Spielplan

Nochmal zurück zur Trainerfrage: Ab wann könnte denn ein Umdenken stattfinden? "In dem Moment, wo die Mannschaft sich hängen lässt und nicht mehr im Kollektiv auftritt und wir nicht mehr an einem Strang ziehen. Dann würden wir uns ernsthaft Gedanken machen. Aber das war heute definitiv nicht der Fall", sagte Lettau. Stattdessen betonten Boss und Trainer die doch positiven Entwicklungen, die sie erkannt hatten. "Vom Ergebnis her ist es natürlich kein Fortschritt, aber vom Inhalt habe ich einige Fortschritte gesehen", sagte Zeidler. Viele Fans hatten einen anderen Blick auf die Dinge und suchen wohl auch an diesem Sonntag noch die Fortschritte.

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Gegen den VfL aus dem Norden hielt Zeidler trotz der negativen Erlebnisse der vergangenen Wochen an seiner mutigen Idee fest, angriffslustig zu agieren und den Gegner extrem früh und hoch anzulaufen. Jedoch ergaben sich dadurch auch immer wieder riesige Löcher in der Abwehr. Den Gästen reichte meist ein langer Ball, um vor das Tor der Bochumer zu kommen. Im Mittelfeld fehlte den Sechsern Anthony Losilla und Ibrahima Sissoko auf den Halbpositionen der Zugriff. Ihre Stärken liegen woanders. Die Länderspielpause nun bietet Gelegenheit, die Dinge aufzuarbeiten und zu einem erneuten Spurt aus der Tiefe der Tabelle anzusetzen. "Wir kennen das Gefühl vom letzten Jahr, wir rennen wieder hinterher. Das ist extrem ärgerlich", bekannte Stürmer Philipp Hofmann.

Und einen kleinen Trost für die Bochumer gibt es doch: In der Saison 2022/2023 benötigte der Klub neun Spiele bis zum ersten Sieg, ein Jahr später waren es sogar zehn. Der Klassenerhalt gelang jeweils, in Düsseldorf zuletzt indes mit dem maximal herausgeforderten Glück (und Können natürlich). Allerdings, und das ist jetzt der Tropfen Magenbitter auf der Stadionwurst: Nach dem nächsten Spiel beim Krisen-Konkurrenten TSG Hoffenheim heißen die Gegner Bayern München, Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und VfB Stuttgart. Ein Horrorherbst.

Quelle: ntv.de, tno

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