Fußball

67,3 Millionen Euro fürs Stadion Traditionsklub bejubelt Geldregen aus leerer Stadtkasse

Die Forderung der Fans, den "Mythos Bremer Brücke" zu erhalten, hat sich durchgesetzt.

Die Forderung der Fans, den "Mythos Bremer Brücke" zu erhalten, hat sich durchgesetzt.

(Foto: IMAGO/osnapix)

Vor knapp anderthalb Jahren wird das Stadion des VfL Osnabrück vorübergehend gesperrt, weil ein Teil davon einsturzgefährdet ist. Damit beginnt ein Prozess, an dem die Zukunft des Drittligisten im Profifußball hängt. Doch erst ein millionenschweres Votum des Stadtrats macht den Weg wirklich frei.

Das Stadion an der Bremer Brücke ist einer der Sehnsuchtsorte des deutschen Profifußballs. Es ist eines der wenigen Stadien, die noch mitten in der Stadt liegen und auch dann in den Alltag der Menschen wirken, wenn gerade kein Spieltag ansteht. Weil ihr Arbeitsweg sie daran vorbeiführt, weil sie aus ihrem Fenster die Flutlichtmasten in den Himmel ragen sehen, weil die Farben des Klubs allgegenwärtig sind. An der Bremer Brücke, benannt nach der benachbarten Eisenbahnbrücke, drohte diese Idylle zu zerbrechen. Und das sogar wortwörtlich. Denn die Heimat des VfL Osnabrück war und ist dringend sanierungsbedürftig.

All die Not- und Übergangslösungen, mit denen der Traditionsklub die in die Jahre gekommene Ost- und Westkurve sowie die Südtribüne in den vergangenen Jahren bedacht hatte, sind ausgeschöpft. Um drei von vier Tribünen neu zu bauen und auch den Rest der Stadion-Infrastruktur fit für Gegenwart und Zukunft zu machen, muss die große Lösung her. 67,3 Millionen Euro soll sie kosten, so der Masterplan. Doch weil dem VfL das Geld dafür fehlt, muss die Stadt Osnabrück einspringen.

Mit Geld, das sie eigentlich gar nicht hat: Wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ) berichtet, rechnet die Verwaltung ab 2025 mit einem jährlichen Haushaltsminus von mehr als 100 Millionen Euro. Tendenz steigend. Umso bemerkenswerter ist die große Einigkeit in der Ratssitzung und in der entscheidenden Abstimmung, die mit großer Mehrheit ein "Ja" für die Sanierung der Bremer Brücke hervorbringt. Für voraussichtlich etwa 68 Millionen Euro, die die Stadt auf zwei Wegen bereitstellt: die eine Hälfte direkt aus dem Haushalt, die andere kreditfinanziert. Der Kredit soll über eine erfolgsabhängige Pacht getilgt werden, die der VfL an die Stadt entrichtet.

Im Mai 2024 musste kurzfristig das Dach der Ostkurve wegen Einsturzgefahr abgerissen werden.

Im Mai 2024 musste kurzfristig das Dach der Ostkurve wegen Einsturzgefahr abgerissen werden.

(Foto: IMAGO/osnapix)

Bleibt es wirklich bei 67,3 Millionen Euro?

Ein durchaus mutiger Plan angesichts der Tatsache, dass aus Verpächter-Sicht eigentlich nur Zweitliga-Saisons lukrativ sein dürften; dort sind die TV-Einnahmen deutlich höher. Allerdings spielte der VfL in den vergangenen 15 Jahren nur drei Saisons in der 2. Bundesliga und schaffte es dabei nur einmal, die Klasse auch zu halten. Die 3. Liga dagegen ist oft ein Verlustgeschäft für die Klubs - in 13 von 16 Saisons meldete die Mehrheit der Drittligisten ein Minus in der Jahresbilanz. Auch der VfL bewegte sich in den vergangenen Jahren mehr als einmal in Richtung Insolvenz. Stadt und Sparkasse Osnabrück sprangen ein, verzichteten unter anderem auf die eigentlich fällige Rückzahlung von Millionenbeträgen.

Schon deshalb muss dem Stadtrat bei seiner Entscheidung bewusst gewesen sein, dass eine komplette Rückzahlung der Kreditsumme durch den Fußballklub einem kleinen Wunder gleichkäme. Zumal die veranschlagten Kosten von 67,3 Millionen Euro sich erst noch in der Ausschreibung bestätigen müssen - ein Generalunternehmer soll die komplette Sanierung aus einer Hand stemmen. Erst die Angebote werden zeigen, ob die Summe realistisch ist und wie hoch die bei derartigen Projekten übliche Kostensteigerung während der Bauzeit ausfällt.

Das jedoch sind Fragen, mit denen sich die Verantwortlichen unmittelbar nach der Entscheidung noch nicht befassen wollten. VfL-Geschäftsführer Michael Welling hebt stattdessen den Weg hervor, der zu diesem wegweisenden Votum geführt hat. "Man muss sich immer vergegenwärtigen, wo wir vor anderthalb Jahren standen", zitiert ihn die NOZ. Im April 2024 musste die Bremer Brücke wegen Einsturzgefahr sogar vorübergehend gesperrt werden, der VfL wich für ein Spiel nach Hamburg aus und besiegelte mit einer desaströsen Leistung vor leeren Rängen im Millerntorstadion den Abstieg aus der 2. Bundesliga.

So soll die Bremer Brücke nach der Sanierung aussehen.

So soll die Bremer Brücke nach der Sanierung aussehen.

(Foto: Screenshot: vfl.de)

"Was uns in einer Rekordzeit gelungen ist ..."

Mit dem Abriss des maroden Dachs über der Ostkurve war das Stadion zwar wieder nutzbar, der Tristesse aber setzte das kein Ende: Auch in der 3. Liga waren die Osnabrücker in der abgelaufenen Saison monatelang Tabellenletzter und wendeten den Totalabsturz aus dem Profifußball heraus und hinein in die Regionalliga nur knapp ab.

Wäre dieser Fall eingetreten, hätte sich der Osnabrücker Stadtrat am Dienstagabend womöglich gar nicht mehr mit der vielleicht wichtigsten Frage in der 126-jährigen Geschichte des Traditionsklubs beschäftigen müssen. Der VfL hätte in der fußballerischen Bedeutungslosigkeit versinken, die Ostkurve zum Symbol des Niedergangs werden können. Perspektivisch auch gemeinsam mit Westkurve und Südtribüne, deren Dächer vom selben Problem betroffen sind.

"Das wird man erst mit Abstand richtig würdigen können, in welcher Rekordzeit uns das gelungen ist, heute eine solche Grundlage präsentieren zu können", so Welling weiter, die dem Rat ein positives Votum ermöglicht habe. Auch Jan Jansen, bei der Stadt für das Projekt verantwortlich, zeigte sich der NOZ gegenüber stolz: "Wir freuen uns natürlich, dass wir die Planung, die wir seit einem Jahr erarbeitet haben, jetzt auch umsetzen dürfen."

Die Ausschreibung der Vorvergabe für den Generalunternehmer, also die Baufirma, die letztlich die Sanierung umsetzt, soll in den nächsten Wochen starten. Auch der Bauantrag muss spätestens bis zum Frühjahr ausgearbeitet werden, damit ab der Sommerpause 2026 die Bagger rollen können. Viel Zeit für eine lange Pause bleibt also nicht. Für Jansen und alle Beteiligten also: "Wir freuen uns natürlich, dass wir die Planung, die wir seit einem Jahr erarbeitet haben, jetzt auch umsetzen dürfen." Mit dem klaren Auftrag auch von den Fans des VfL, den Sehnsuchtsort Bremer Brücke zu erhalten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen