Fußball

"Aktivistentypisches Verhalten" Warum DFB und Polizei Banner-Fans ins Visier nahmen

"15.000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen!", war auf dem Banner zu lesen.

"15.000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen!", war auf dem Banner zu lesen.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Beim Klassiker gegen Italien halten Fans ein Katar-kritisches Banner in die TV-Kameras - und werden prompt von der Polizei kontrolliert, weil sie ein besonderes Handeln erkennt. Auch der DFB weist die Polizei an, dabei täte dem Verband mehr Feingefühl im Umgang mit Kritik sehr gut.

Fehlende Menschenrechte, moderne Sklaverei, Tausende tote Arbeiterinnen und Arbeiter: Die WM in Katar (21. November bis 18. Dezember) wird seit der Vergabe 2010 von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Sie betonen immer wieder, dass sich an der Realität trotz neuer Gesetze und Beschwichtigungen Katars nicht viel getan habe. "Ausbeuterische Praktiken" und die "schlimmsten Elemente" des Kafala-Systems bestünden weiterhin, hieß es von Amnesty International jüngst.

Auf diese Missstände machten beim Nations-League-Spiel am Dienstagabend gegen Italien auch Zuschauerinnen und Zuschauer in Mönchengladbach aufmerksam. Kurz nach Anpfiff des Fußball-Klassikers zeigten sie ein Banner mit der Aufschrift "15.000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen!". Zunächst war gemutmaßt worden, dass die Gruppe unrechtmäßig Zugang zum Stadion erlangt hatte. Die 15 Personen stammen laut ntv.de-Informationen aber aus der Gladbacher Fanszene und hatten sich im Vorfeld des Spiels extra die teuren Karten für den entsprechenden Mittelblock organisiert, um mit dem Plakat in den ersten Minuten des Spiels im TV-Bild zu sein.

"Eine deutliche, eine wahre Botschaft. Und es ist gut, dass sie hier ihren Platz hat", sagte ZDF-Kommentator Oliver Schmidt und las die Botschaft gleich noch mal vor. Die positive Erwähnung im TV war für die Gladbacher Fans höchst erfreulich, wie ntv.de mitgeteilt wurde.

Polizei greift wegen "aktivistentypischem Verhalten" ein

Gar nicht erfreut schienen aber der Deutsche Fußball-Bund und die Polizei. Die 15 Personen sollen direkt im Anschluss an ihre Aktion den Block und das Stadion hastig verlassen haben. Die Gruppe "bewegte sich aber weiter im Stadionumfeld", wie der DFB am Mittag in einer Stellungnahme mitteilte. "Auf Grund dieses untypischen Verhaltens und aus Sorge um die Sicherheit der Veranstaltung", habe der DFB die Polizei aktiviert, damit die Fans kontrolliert würden. Der Verband teilt weiterhin mit, dass dann schnell klar gewesen sei, dass von der Aktion "keinerlei Gefahr" ausging.

Auf Nachfrage sagte ein Sprecher der Polizei Mönchengladbach gegenüber ntv.de, dass aber nicht allein der DFB die Kontrollen im Sinn hatte. Der Polizeisprecher erklärte, man habe nicht nur auf Anweisung des DFB kontrolliert, sondern wegen "aktivistentypischem Verhalten" und weil möglicherweise weitere Aktionen der Gruppe geplant gewesen seien. In die Datei Gewalttäter Sport würden die 15 Personen aber nicht eingetragen und auch andere zusätzliche Maßnahmen solle es nicht geben.

Auch der DFB hat nach einer weiteren Rücksprache darauf verzichtet, rechtliche Schritte einzulegen. Im Gegenteil: "Es ist uns ein Anliegen zu betonen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist", teilte der Verband in seiner Stellungnahme mit. "Diese einzuschränken war und ist nicht im Interesse des DFB." Insbesondere die "Frage um die Austragung und Vergabe der FIFA WM 2022 in Katar, die Bedingungen für Arbeiter*innen vor Ort, die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Situation für die LSBTIQ+ Gemeinschaft" bedürften eines kritischen Diskurses.

Dafür haben die Fans in Gladbach mit ihrem Banner gesorgt. Bis zum Start der WM in Katar in fünf Monaten dürften weitere solche Aktionen in den deutschen Stadien zu sehen sein. Der DFB täte gut daran, sie zu begrüßen, nicht zu kriminalisieren und besonnen und nicht direkt mit Polizeikontrollen zu handeln - schließlich haben klare Stellungnahmen seitens des Verbands selbst viel zu lange auf sich warten lassen.

Quelle: ntv.de

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