Fußball

Edel-Pass, Urschrei, Dominanz Wenn Thomas Müller sogar Messi-Dinge macht

Thomas Müller war mal wieder einer der besten Akteure auf dem Platz.

Thomas Müller war mal wieder einer der besten Akteure auf dem Platz.

(Foto: IMAGO/Ulrich Hufnagel)

Gute Nachrichten für die Nationalmannschaft hinsichtlich der Katar-WM: Thomas Müller trifft gegen die Niederlande in bewährter Manier und blüht unter Hansi Flick weiter auf. Der Bayern-Profi holt nicht nur Legende Uwe Seeler ein, sondern feilt auch an seiner eigenen Zukunft.

Reingemüllert. So muss man dieses Tor wohl nennen. Diesmal ist es nicht ein obskurer "Reinlöfler" oder "Reinstocherer" (gerne auch mal mit dem Knie oder einem anderen Körperteil, bloß nicht mit dem Fuß), diesmal ist es ein Gewaltschuss. Mit links. Und wie bei den meisten seiner Treffer ist es Thomas Müllers Instinkt, der ihn wieder besser postiert als alle anderen stehen lässt, als er in der Nähe des Elfmeterpunkts auf einen Abpraller lauert. Raumdeuter wurde er dafür mal getauft.

Nach dem Zusammenspiel von Timo Werner und Jamal Musiala kommt eben genau dieser Abpraller, weil Kai Havertz im Fünfmeterraum von den Holländern geblockt wird. Bei den Niederländern scheint dieses spezielle Müller-Talent niemand auf dem Zettel zu haben, so sträflich frei steht er. Bis auf den Oranje-Trainer. Louis van Gaal, ehemals Erfolgscoach beim FC Bayern, lobte seinen Ex-Schützling noch vor der Partie als "perfekten Spieler". Und der Trainer wusste natürlich auch um dessen besondere Raumdeuter-Fähigkeiten, so warnte er: "Thomas Müller ist ein Spieler, der immer eine gute Orientierung in der Offensive hat."

In der 45. Minute nützt dieses Wissen van Gaals Holländern jedoch wenig. Müller fackelt nicht lang, nimmt ein paar Schritte Anlauf aus dem Rückraum und zimmert den Ball ins linke Eck. Es folgt der obligatorische Müller'sche Urschrei. Erst mit einer geballten Faust, dann mit beiden im Wechsel. Der 32-Jährige zieht mit seinem 43. Tor im 112. Länderspiel ganz nebenbei in der ewigen DFB-Torschützenliste mit Ehrenspielführer Uwe Seeler gleich, was Platz acht bedeutet.

"Die Richtung stimmt"

Bundestrainer Hansi Flick stellte Müller zusammen mit Werner, Leroy Sané und Kai Havertz in einer Art offensiver Viererreihe auf, der Torschütze agiert allerdings meist etwas hinter den Angreifern. So auch bei der ersten Chance des deutschen Teams in der zwölften Minute. Denn Müller ist für die DFB-Elf so wichtig, weil er natürlich neben Torschütze auch immer noch Spielmacher kann.

Aus dem Stand spielt der in der Schaltzentrale lauernde Münchner einen Mega-Chipball über die gesamte Oranje-Defensive punktgenau auf den zwischen zwei Verteidigern sprintenden Sané. Sein Bayern-Kollege vergibt nur knapp. Schwierigkeitsgrad des Passes: Messi hätte ihn wahrscheinlich auch so gespielt, aber wer sonst noch?

"Die Richtung stimmt. Man hat gemerkt, dass wir nicht nur mithalten, sondern auch dominieren können. Das Gefühl an sich ist gut", sagt Torschütze Müller nach der Partie und ergänzt: "Wir wollten natürlich gewinnen." Der ewig ehrgeizige Ur-Bayer wird nach der verpatzten WM 2018 in Russland in Katar alles daran legen, um auch bei dem Interkontinentalturnier noch einmal zu triumphieren. Die Nationalmannschaft hat zwar noch einige Arbeit vor sich, wie die wackelige zweite Halbzeit gegen Oranje zeigt, aber Müllers gutes Gefühl täuscht nicht: Die Richtung im DFB-Team stimmt tatsächlich wieder.

Vor allem dank der Spielidee Hansi Flicks - aber auch wegen Erfolgsgarant Müller - tritt die Nationalmannschaft endlich wieder dominant auf. Holland war der erste wirklich schwere Brocken des neu formierten Teams, dazu fehlten einige etablierte Kräfte, wie Joshua Kimmich oder Serge Gnabry. Dennoch zeigte die DFB-Elf, was in ihr steckt, dass sie ähnlich erfolgreich spielen kann wie der FC Bayern unter Flick. Der kühn und entschlossen agierende Müller ist der Prototyp dieser selbstbewussten Spieldominanz. Als Nächstes warten Italien und England im Juni.

Wie lange noch spielt Müller "immer"?

Die Entscheidung, als der ehemalige Bundestrainer Joachim Löw den Münchner nach der WM 2018 und der verkorksten Nations League aussortierte, fühlt sich wie einem ganz anderen Zeitalter entrissen an. Damals allerdings gab es gute Gründe für Müllers Verbannung. Weder im Nationaldress noch bei den Bayern performte der Offensivmann. Bis Flick die Bayern übernahm und Müller zurück zu alter Form verhalf. Der Bundestrainer baut nun auch in der DFB-Elf auf seinen ehemaligen Bayern-Schützling wie auf kaum einen anderen. Müller sei sein "verlängerter Arm" auf dem Platz, sagte Flick vor der Partie gegen Holland. "Thomas ist auf dem Platz einer, der eine Mannschaft beleben kann."

Müller weist an, lamentiert, lobt, kritisiert, wühlt auf, feuert an. Müller redet. Auf wie neben dem Platz. Diese Kommunikation, diese Art der Führung, hat der Nationalmannschaft lange gefehlt. Aber Müller besticht auch durch starke Auftritte seit seiner Rückkehr ins DFB-Team. Die ersten drei Partien unter Neu-Bundestrainer Flick verpasst er noch aufgrund von Adduktorenbeschwerden, dann sammelt er in vier WM-Qualifikationsspielen sechs Scorerpunkte (drei Tore und drei Vorlagen).

Bondscoach van Gaal, der den Offensivmann zum Stammspieler formte, prägte in seiner Zeit in München von 2009 bis 2011 den Satz: "Müller spielt immer." Dieser Tage tauchte allerdings (mal wieder) die Frage auf: Wie lange noch? Der Bayern-Profi gab im Nationalmannschaftsquartier Einblicke in seine Zukunftsplanung und erklärte, es gäbe noch keine Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung.

Thomas Müller, der auch in München dieses Jahr wieder Müller-Moment nach Müller-Moment veranstaltet und in 26 Bundesligaspielen sieben Treffer selbst erzielte und sagenhafte 19 auflegte, ist nur noch bis 2023 an den Rekordmeister gebunden. Ein starkes Länderspieljahr und eine erfolgreiche WM würden seiner Verhandlungsposition natürlich nicht schaden. Das weiß der ewig Ehrgeizige. Und deshalb darf sich die Nationalmannschaft wohl auch 2022 auf einige reingemüllerte Müller-Dinger freuen.

Quelle: ntv.de

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