Fußball

Zweite Liga: Tradition in der Krise Wenn der Abstieg den Kollaps bedeutet

Liebe schützt vor Abstieg nicht, kennt allerdings auch keine Liga.

Liebe schützt vor Abstieg nicht, kennt allerdings auch keine Liga.

(Foto: imago/Oliver Ruhnke)

Ob nun St. Pauli, der KSC, Kaiserslautern und 1860 - viele Fußball-Zweitligisten mit großem Namen fürchten den Abstieg. Der Absturz in die dritte Liga wäre der finanzielle Super-Gau. Mit diesem Risiko gehen die Vereine ganz unterschiedlich um.

Für den FC St. Pauli geht es um knapp elf Millionen Euro. So viel Geld steht für den Tabellenletzten der zweiten Fußball-Bundesliga auf dem Spiel, wenn er am Sonntag (ab 13.30 Uhr im Liveticker auf n-tv.de) gegen den VfB Stuttgart in die Rückrunde startet. Der Abstieg in die dritte Liga käme für den Traditionsverein einem finanziellen Kollaps gleich. Um den Verlust einmal aufzuschlüsseln: Die Fernseheinnahmen der Hamburger würden von zuletzt 7,6 Millionen wohl auf 800.000 Euro sinken. Die "Bild"-Zeitung hat vorgerechnet, dass zudem etwa 2,5 Millionen Euro bei den Ticketeinnahmen wegfallen dürften und etwa 800.000 Euro bei den Werbeeinnahmen. Das würde ein Minus von 10,9 Millionen Euro ergeben.

Dreimal Zweitligameister: die Bielefelder.

Dreimal Zweitligameister: die Bielefelder.

(Foto: imago/Dünhölter SportPresseFoto)

Mit diesem Risiko steht St. Pauli nicht alleine da. Auch der Karlsruher SC, der DSC Arminia Bielefeld, der TSV 1860 München und der 1. FC Kaiserslautern kämpfen. Diese Klubs haben lange erstklassig gespielt, 1860, Lautern und der KSC gewannen Meisterschaften und Pokale. Das ist lange her. Nun droht der Absturz. Auf den Geschäftsstellen der Traditionsvereine denken sie längst über die Folgen nach. Das Problem ist: Viele Leistungsträger haben nur Verträge für die erste und zweite Liga. Bei einem Abstieg können sie ablösefrei wechseln, Transfereinnahmen fallen weg. Stattdessen leiden die Mitarbeiter. Entlassungen sind oft die einzige Möglichkeit, fehlende Einnahmen zu kompensieren.

Beispiel Arminia: Als der Verein in der Saison 2008/2009 in der Bundesliga spielte, zählte die Geschäftsstelle etwa 60 Mitarbeiter. Als es zwischenzeitlich in die dritte Liga ging, waren es nur noch 20. Das zeigt, warum der Abstiegskampf als Existenzkampf bezeichnet wird - zumindest für die Mitarbeiter geht es beruflich wirklich darum. Viele der Vereine, die nun den Abstieg fürchten, beschäftigten sich kürzlich noch mit dem Fußball-Oberhaus. Der Karlsruher SC wäre im Sommer 2015 aufgestiegen, hätte es in der Nachspielzeit des Relegations-Rückspiels nicht einen zweifelhaften Freistoßpfiff für den HSV gegeben. Kaiserslautern spielte in jener Saison bis zum letzten Spieltag um den Aufstieg mit. Der FC St. Pauli war in der vergangenen Saison noch ein Kandidat für die Bundesliga.

Erst Aufstiegskampf, dann Abstiegskandidat?

St. Pauli Trainer Ewald Lienen überrascht diese Entwicklung nicht. "Jede Mannschaft, die in der zweiten Bundesliga eine tolle Saison spielt, aber nicht aufsteigt, verliert in der Saison darauf einige der besten Spieler an Vereine mit mehr Perspektive oder mehr Geld. Das muss man erst einmal kompensieren." Ist eine Mannschaft, die den Aufstieg knapp verpasst, in der Saison darauf etwa automatisch ein Abstiegskandidat? Die jüngere Bilanz der Hamburger lässt das tatsächlich vermuten. In der Saison 2011/2012 spielte der Verein um den Aufstieg mit, 2012/2013 bis zum vorletzten Spieltag gegen den Abstieg. Im Jahr darauf war St. Pauli lange Aufstiegskandidat, in der Saison 2014/2015 ging es wieder bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg.

Trainerentlassungen sind im Fußball die scheinbar logische Konsequenz, wenn der Erfolg ausbleibt. Kurios ist allerdings, dass von den letzten sieben Mannschaften der zweiten Liga die beiden schlechtesten an ihrem Trainer festhielten. Pavel Dotchev sitzt noch immer auf der Bank vom FC Erzgebirge Aue, Lienen beim FC St. Pauli. Er weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist: "Leider wissen viele Sportdirektoren oder Vorstandsvorsitzende nicht, wie sie gemeinsam mit einem Trainer eine Krise bewältigen können. Ich finde, wenn man mit der Philosophie eines Trainers einverstanden ist, sollte man zu ihm halten." Statt des Trainers wurde in Hamburg Sportdirektor Thomas Meggle entlassen. Die misslungene Kaderplanung kostete ihm den Job.

Die übrigen kriselnden Traditionsvereine setzen auf neue Trainer. Jürgen Kramny sitzt seit November bei der Arminia auf der Bank. Kaiserslautern verpflichtete nach dem Rücktritt von Tayfun Korkut den erfahrenen Norbert Meier. Der war erst 29 Tage zuvor beim Bundesligisten SV Darmstadt 98 entlassen worden. "Ich habe bislang nur bei Traditionsvereinen gearbeitet, wobei der 1. FCK ein besonderer Traditionsverein ist", sagte er. "Bei Traditionsvereinen gab es immer einschneidende Erlebnisse, ob nun Europapokal oder die Meisterschaft als Aufsteiger. Das haben die Menschen hier im Kopf, danach sehnen sie sich." Das erklärt, warum es nicht nur in Kaiserslautern schnell unruhig wird, wenn der Erfolg ausbleibt. Beim TSV 1860 sitzt nun Vitor Pereira auf der Bank. "In diesem Jahr wollen wir die Grundlagen schaffen, um im nächsten Jahr oben anzugreifen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Zitate dieser Art hört man in München seit Jahren, ohne dass Taten folgten. In Karlsruhe verpflichtete Sportdirektor Oliver Kreuzer als Trainer Mirko Slomka. Die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit: In der Saison 2013/2014 retteten sie den Hamburger SV vor dem Abstieg. Kurze Zeit später waren beide ihren Job los - typisch Traditionsverein eben.

Quelle: ntv.de

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