Babbels Blamage, Werders Willensschwäche Wenn der Außenseiter triumphiert
20.08.2012, 12:53 Uhr
Und tschüss: Sebastian Proedl und der SV Werder Bemen dürfen erst in der kommenden Saison wieder im DFB-Pokal mitspielen.
(Foto: dapd)
Sensationen kommen vor im DFB-Pokal, gewiss. Aber dass gleich sechs Erstligisten in der ersten Runde die Segel streichen müssen, ist schon ungewöhnlich. Bleibt die Frage: Woran liegt's? Daran wird Hoffenheims Trainer Markus Babbel zu knacken haben. Werders Manager Klaus Allofs hat hingegen schon eine Idee.
Niemand kann behaupten, dass es dem Fußballtrainer Markus Babbel an Scharfsinn mangelt. "Mit der Häme müssen wir leben. Das werden wir um die Ohren bekommen." Dabei ist eigentlich gar nichts Besonderes passiert. Die TSG Hoffenheim verliert in der ersten mit 0:4 beim Berliner Athletik-Klub 07. Wie das halt so ist im DFB-Pokal: Der Dorfklub fliegt dann doch meist raus. Das Problem ist nur, dass die Hoffenheimer bekanntermaßen in der Bundesliga spielen und angekündigt hatten, sich in der kommenden Saison für den Europapokal qualifizieren zu wollen. Die Berliner hingegen sind in der Regionalliga Nordost zu Hause, das ist die vierthöchste Spielklasse. Dass sie den Erstligisten so demontiert haben, darf getrost als Sensation bezeichnet werden. Und dass nur 1468 Zuschauer sich das im Moabiter Poststadion angesehen haben, zeigt, wie klein die Welt dieses Amateursportvereins ist.
Das weiß auch Markus Babbel: "Ich muss mir Gedanken machen, wie so was passieren kann - vor allen Dingen, weil Berlin nicht einmal über sich hinausgewachsen ist." Während der Athletik-Klub weiter träumt - "Das Beste soll jetzt kommen, Dortmund oder Bayern", sagte der zweifache Torschütze Metin Cakmak -, dürfte es für den Trainer der Hoffenheimer ein schwacher Trost sein, das sich seine Mannschaft in guter Gesellschaft befindet. Insgesamt haben nämlich sechs Bundesligisten den Pokalauftakt nicht überstanden. Neben der TSG sind das der Hamburger SV, Werder Bremen, der 1. FC Nürnberg sowie die Aufsteiger SpVgg Greuther Fürth und Eintracht Frankfurt. Dass gleich ein Drittel der Liga in der ersten Runde ausscheidet, kommt nicht allzu oft vor, zuletzt war das in der Saison 1987/1988 der Fall. Damals konnten, anders als heute, allerdings zwei Erstligisten auch schon in der ersten Runde aufeinandertreffen. Seit der Spielzeit 1998/1999 wird so gelost, dass das nicht passiert.
Und auch der FC Bayern ist noch nicht durch, die Münchner treten heute ab 20.30 Uhr beim SSV Jahn Regensburg an, der jüngst in die Zweite Liga aufgestiegen ist. Metin Cakmak muss also noch bangen, ob die Bayern am kommenden Samstag überhaupt dabei sind, wenn am späten Abend im Bezahlfernsehen die Partien der zweiten Runde ausgelost werden, die dann am 30. und 31. Oktober stattfinden. Die Bilanz dieser Auftaktrunde spricht allerdings für die Münchner. Bisher nämlich haben sich mit Borussia Dortmund, dem FC Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, dem VfB Stuttgart und Hannover 96 alle Europapokalteilnehmer schadlos gehalten. Nur: Warum hat ein Drittel der Liga das nicht geschafft?
Die Antwort darauf fällt nicht eindeutig aus. Die Spieler aus Hoffenheim haben schlichtweg die Arbeit verweigert, warum, das bleibt ihr Geheimnis. Ob Markus Babel ihm auf die Spur kommt? Es bleibt ihm zu wünschen. Aber er hat es ja selbst gesagt: "Ich war wie erstarrt und konnte nicht reagieren." Das klingt jetzt nicht so zielführend, mag aber dem Schock unmittelbar nach Spielschluss geschuldet sein. Eine Blamage war das, ein großes und in der Sportberichterstattung beliebtes Wort. Aber in diesem speziellen Fall passt es. Allerdings trifft es nicht immer den Kern, wenn ein Erstligist gegen eine unterklassige Mannschaft ausscheidet.
"Wir wollten gewinnen, das war der Unterschied"
Den Spielern des SV Werder Bremen zum Beispiel ist schwer nachzuweisen, dass sie bei der Niederlage beim SC Preußen Münster nicht alles gegeben hätten, einem Verein, der in der dritten Liga spielt und in dessen Reihen ebenfalls Spieler stehen, die das Fußballspielen als Beruf ausüben, also täglich trainieren. Die Niederlage der Bremer ist aus ihrer Sicht ärgerlich, sie ist überraschend, wirklich peinlich ist sie nicht. Münsters Trainer Pavel Dotschev sagte hinterher: "Unser Wille war bei jedem Spieler bei 100 Prozent, wir wollten gewinnen, das war der Unterschied." Da schwang sicherlich ein wenig die Euphorie des Siegers mit, im Grunde hat er aber Recht. Auch Drittligaspieler sind Profis, das heißt, sie können konditionell mit den Kollegen aus dem Oberhaus mithalten. Und eben fehlende spielerische und individuelle Klasse mit der richtigen Einstellung ausgleichen. Mit der Bereitschaft, sich zu quälen.
Zumindest an so einem Tag, an dem 18.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion an der Hammer Straße ihre Mannschaft bei der Partie des Jahres nach vorne treiben, während so mancher Bremer gedacht haben mag: Oh Mist, wir müssen nach Münster. Wenn es dann, bei 37 Grad im Schatten, hart auf hart kommt, laufen die Außenseiter im Zweifelsfall einen Schritt mehr als die Favoriten aus Liga eins.
Und wenn dann auch ein Stürmer wie Matthew Taylor das Spiel seines Lebens macht und mit der Abgezocktheit eines Gerd Müller die Bremer Abwehr, insbesondere den Griechen Sokratis düpiert, drei Tore erzielt und einen Treffer vorbereitet - dann gewinnt der SC Preußen Münster mit 4:2 nach Verlängerung. Und erreicht erstmals seit 1990 die zweite Runde. Bremens Trainer Thomas Schaaf blieb die Erkenntnis: "Wir haben verloren, weil wir es nicht geschafft haben, unsere klaren Chancen zu nutzen. In der Defensive haben wir zu sorglos agiert." Manager Klaus Allofs zeigte sich da weniger nachsichtig: "Ich bin Profi. Da will ich doch nicht hier ausscheiden. Da muss ich die Führung verteidigen und mich mehr wehren." An später Einsicht mangelt es ihm also nicht: Alles eine Frage des Willens.
Quelle: ntv.de