Fußball

Top ausgebildet, ohne Ablöse weg Wie der FC Schalke 04 seine Talente verliert

Demnächst wohl in München: Alexander Nübel.

Demnächst wohl in München: Alexander Nübel.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Mit Alexander Nübel verlässt mal wieder ein junger Spieler den FC Schalke 04. Das schmerzt sportlich, aber auch finanziell, weil der Fußball-Bundesligist erneut keine Ablöse bekommt. Dem Verein gelingt es nicht, seine Talente an sich zu binden.

Ob die Menschen in Schalke die Entscheidungen auf Schalke verstehen, darf in diesen Tagen rund um den Jahreswechsel bezweifelt werden. Gerade mal drei Kilometer trennen die Hochglanz-Arena auf dem Berger Feld und jenen Stadtteil Gelsenkirchens, in dem die sozialen Probleme der einstigen Bergbau-Metropole wie unter einem Brennglas sichtbar werden. Doch entlang der Kurt-Schumacher-Straße von der alten Glück-Auf-Kampfbahn zum Klubgelände des Fußball-Bundesligisten verändern sich Welt und Weltsicht.

Ebenfalls einst Schalker: Manuel Neuer.

Ebenfalls einst Schalker: Manuel Neuer.

(Foto: imago sportfotodienst)

Gerade wieder schütteln sie den Kopf über einen der ihren, der nicht mehr länger einer der ihren sein möchte. Trotz einer in Aussicht gestellten Vervielfachung seines Gehaltes verkündete Alexander Nübel in der Vorweihnachtszeit, dass er seinen zum Saisonende auslaufenden Kontrakt nicht verlängern wird. Sehr wahrscheinlich hat sich der 23 Jahre alte Torhüter, der erst vor rund einem Jahr Ralf Fährmann als Nummer eins ablöste, dazu entschieden, zum Branchenprimus FC Bayern München zu wechseln und dort voraussichtlich drei Jahre lang in Wartestellung hinter Manuel Neuer die Bank zu drücken. Auch so eine Art Stammplatz, sagen die Schalker Fans. Wie soll das jemand verstehen, der von dem wenigen, was er hat, auch noch Ticket, Bier und Bratwurst bezahlt, wenn Spieltag ist.

Den Bayern nimmt das hier in Schalke niemand wirklich übel, dass sie sich um ihren Spieler bemühen. Das haben sie auch nicht getan, als Leon Goretzka vor eineinhalb Jahren und Manuel Neuer im Jahr 2011 nach München wechselten. Die Spieler selbst aber müssen mit den Konsequenzen leben. Neuer ist seitdem in Gelsenkirchen so etwas wie eine Persona non grata. Der Junge, der einst selbst als Fan in der Nordkurve stand, wird bei jedem seiner Gastspiele in der Arena vom Schalker Anhang gnadenlos niedergepfiffen. Und auch Goretzka ergeht es nicht viel besser.

"Verstehen müssen wir seine Entscheidung nicht"

Immerhin spülte Neuer dem damals wirtschaftlich angeschlagenen Klub viele Millionen Euro auf das ausgedünnte Konto. Das ist im Falle Nübel nicht so. Für den Traditionsklub aus dem Revier ist der Abschied des Torhütertalents ein Schlag ins Kontor - sowohl sportlich als auch wirtschaftlich, weil dem Verein neben der hohen Qualität auch viel Geld verloren geht. Zwar ist Nübel, anders als Neuer, gerade mal ein gutes Jahr Stammtorhüter und steht noch am Beginn seiner Laufbahn. Doch dürfte aufgrund seines Talentes sein Marktwert irgendwo zwischen 20 und 25 Millionen Euro liegen. Statt eines stattlichen Transfererlöses für die Fußballabteilung fließt nun sicherlich ein sattes Handgeld auf das Konto des Spielers. Die Gelsenkirchener hätten es sicherlich gern anders gehabt, doch Trainer David Wagner hatte schon vor der Bekanntgabe von Nübels Entscheidung gesagt: "Es ist nicht immer Walt Disney, sodass du immer kriegst, was du verdienst."

Auf und davon: Leroy Sané und Max Meyer. Nur Maskottchen Erwin ist noch da.

Auf und davon: Leroy Sané und Max Meyer. Nur Maskottchen Erwin ist noch da.

(Foto: imago/Sven Simon)

Dem Schalker Führungspersonal ist in dieser Causa indes nur wenig vorzuwerfen, schließlich war es Ex-Manager Christian Heidel, der es offensichtlich nicht für nötig hielt, Nübels Vertrag zu verlängern, als der Verein noch die Konditionen diktieren hätte können. Heidels Nachfolger, Sportvorstand Jochen Schneider, hingegen reagierte deutlich.

Man respektiere den Willen des Spielers, "verstehen müssen wir seine Entscheidung indes nicht". Das war für eine offizielle Vereinsverlautbarung ungewöhnlich deutlich, drückt aber auch Frust und Unverständnis aus. Frust, weil Nübel ein für ihn maßgeschneidertes Vertragswerk nicht akzeptierte, Unverständnis, weil er einen Stammplatz mit Perspektive Europacup und entsprechender Spielpraxis nun vermutlich gegen ein Dasein als Edelreservist eintauscht. Und natürlich ärgern sie sich auf Schalke mal wieder, dass sie für einen von ihnen ausgebildeten Spieler erneut keinen Cent sehen.

Das hat ja nun schon unschöne Tradition und war bereits so im Falle Joel Matips, der in Liverpool sein Glück gefunden hat und unter Jürgen Klopp zum Champions-League-Sieger wurde, das war auch so bei Sead Kolasinac (FC Arsenal), Max Meyer (Crystal Palace) und dem erwähnten Goretzka. Hochgerechnet entgingen den Gelsenkirchenern Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe, wenn man bedenkt, wie hoch die Erlöse für Leroy Sané (für 50 Millionen zu Manchester City), Thilo Kehrer (für 37 Millionen zu Paris SG) und Julian Draxler (für 36 Millionen zum VfL Wolfsburg) waren, die aus der vereinseigenen Nachwuchsschule, der Knappenschmiede, stammen.

Max Meyer als alarmierendes Beispiel

Jetzt geht also wieder einer auf der Suche nach dem ganz großen sportlichen Glück. Doch sollte Nübel gewarnt sein, denn während Matip, Kolasinac und Goretzka sportlich weiterkamen, sollte der Fall Meyer ein alarmierendes Beispiel sein. Meyer hatte im Frühjahr 2018 ein Angebot der Schalker über kolportierte 5,5 Millionen Euro pro Jahr ausgeschlagen, um in der Premier League noch einmal deutlich mehr zu verdienen, sportlich allerdings hat ihm der Wechsel dramatisch geschadet. Der spielintelligente und ballsichere Mittelfeldspieler, der zu Schalker Zeiten auf dem Sprung in die Nationalelf war, sitzt derzeit nicht einmal auf der Bank und muss seinen Kollegen von der Tribüne aus zusehen.

Kung-Fu-Nübel.

Kung-Fu-Nübel.

(Foto: imago images/Mika Volkmann)

Das Schicksal könnte Nübel nun in der Rückrunde drohen. Zu Beginn der Spielzeit hatte Trainer Wagner ihn zum Kapitän ernannt, um den Ostwestfalen auf diese Weise mit sanftem Druck zur Unterschrift zu bewegen. Sicher scheint, dass er nicht mehr die Spielführerbinde tragen wird. Nicht wenige fordern sogar, ihn aus dem Kader zu streichen. Ganz sicher wird auch Wagner darüber nachdenken müssen, wie groß das Risiko ist, mit einem Torhüter zu spielen, der jegliche Akzeptanz bei den Fans verspielt hat.

Nicht auszuschließen also, dass Nübels allerletzte Aktion im Schalker Dress jenes Brutalo-Foul gegen seinen Frankfurter Gegenspieler Mijat Gacinovic Mitte Dezember war, das ihm erst die Rote Karte, später dann den wenig schmeichelhaften Beinamen Kung-Fu-Nübel einbrachte. Ein vorzeitiger Wechsel wäre möglicherweise die beste Option, allerdings ist kaum anzunehmen, dass sein neuer Arbeitgeber ihn ohne Not bereits in der Winterpause aus seinem Vertrag herauskaufen wird. Wie sagte Wagner doch richtig: "Es ist eben nicht immer Walt Disney."

Mit der Partie gegen Borussia Mönchengladbach eröffnet der FC Schalke 04 am 17. Januar (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei ntv.de) die Rückrunde in der Fußball-Bundesliga. Und ein wenig überraschend geht das als Spitzenspiel durch, schließlich trifft der Tabellenfünfte auf den Tabellenzweiten. Alexander Nübel steht dann - Bayern hin, Bayern her - ganz sicher nicht im Tor: Der Kapitän verbüßt weiterhin seine Sperre und wird auf der Tribüne sitzen.

Quelle: ntv.de

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