Immerhin Thomas Müller hat SpaßWie konnte dem FC Bayern das nur passieren?

Der FC Bayern wendet mit großer Mühe die erste Saisonniederlage in der Fußball-Bundesliga gegen den FSV Mainz 05 noch. Verdient ist der Punkt alle Mal, aber es braucht die Eiseskälte von Harry Kane kurz vor Schluss.
Der FSV Mainz 05 war lange auf historischen Pfaden unterwegs. Erst zweimal in der Geschichte der Fußball-Bundesliga hatte ein Tabellenletzter auswärts beim Spitzenreiter gewinnen können. In der Saison 1963/64 gelang das dem 1. FC Saarbrücken beim 1. FC Köln (16. Spieltag, 3:1) und über 30 Jahre später war es Fortuna Düsseldorf, das Bayer Leverkusen überraschte (3. Spieltag, 1:0). Die Geschichte wurde an diesem Sonntag nicht fortgeschrieben. Denn der FC Bayern rettete sich spät das Remis gegen die Mainzer (2:2). Weil deren großes Talent Kacper Potulski so lange Trikot von Harry Kane zog, bis der Stürmer im Strafraum umfiel, gab es Elfmeter (87.). Eine sichere Nummer. Denn mit Kane haben die Bayern den wohl besten Elfmeterschützen des Planeten bei sich.
Der Rekordmeister hatte gleich mehrere Dinge abgewendet: Einen Eintrag ins Geschichtsbuch, die erste Niederlage der Saison und eine Blamage, denn die wäre es gewesen. Und so wurde die Weihnachtsfeier mit den eigenen Fans ein wenig getrübt. Unter ihren roten Zipfelmützen sahen die Bayern-Stars beim Gang durchs Stadion bisweilen etwas bedröppelt aus. "Es bleibt natürlich eine Enttäuschung", sagte Trainer Vincent Kompany: "Zu Hause wollen wir immer gewinnen, das ist uns nicht gelungen." Am Ende sei die Mannschaft "froh, dass wir noch einen Punkt mitnehmen", bilanzierte Joshua Kimmich bei DAZN vielsagend.
Auch bei Kane saß der Frust einigermaßen tief. Was viel über den gigantischen Titelhunger der Mannschaft aussagt, die nicht nur in der Liga triumphieren, sondern vor allem in Europa das ganz dicke Statement gegen die Superreichen-Klubs setzen will. "Wir waren in dieser Saison sehr effizient, wir haben viele Tore erzielt, wir haben auch heute wieder zwei Tore gemacht", sagte der Starstürmer. "Aber insgesamt haben wir heute das entscheidende Tor verpasst." Und dennoch: Die Hinrunden-Meisterschaft ist praktisch fix. Und so bemühte sich Sportvorstand Max Eberl um die richtige Einordnung des kleinen Rückschlags. "Wenn mir einer gesagt hätte, dass wir nach dem 14. Spieltag 9 Punkte vor dem ersten Konkurrenten sind, hätten wir alle gesagt: fantastisch."
"Thomas ist einer, der redet viel"
Es war ein wirklich seltsames Spiel in der Münchner Arena. Die Bayern hatten alles im Griff. Sie schossen 24 Mal aufs Tor, Mainz nur fünf Mal. Sie spielten fast 1000 Pässe, die Gäste kamen auf gerade mal etwas mehr als 170, wovon sie die Hälfte allerdings nicht zum Mitspieler brachten. Die Münchner hatten einen xG-Wert von 4,50, der FSV stand bei 0,60. In der Theorie hätte das Spiel mit einem haushohen Sieg für die Gastgeber enden müssen, denen Klubikone Thomas Müller äußerst vergnügt auf der Tribüne zuschaute. Er saß neben Sportvorstand Max Eberl und überforderte den Bayern-Boss bisweilen. "Thomas ist einer, der redet viel. Ich bin im Spiel einer, der eher etwas ruhiger ist. Deswegen musste ich mich ein bisschen adaptieren an die Situation. Aber es war sehr lustig und sehr angenehm." Anders als auf dem Rasen: In der Praxis endete das Duell, dessen Gegensätzlichkeit mit David gegen Goliath noch untertrieben ist, nämlich eben Remis.
Man kann es sich leicht machen und Torwart Daniel Batz vorschieben. Der Mainzer Ersatzkeeper machte mit seinen 34 Jahren ein gigantisches Spiel. Er schaffte, was nur ganz wenigen Torhütern gelingt. Er ließ Kane lange Zeit verzweifeln. Nur im entscheidenden Moment war der Engländer dann der Sieger. Aber dieses Spiel war noch mehr als Batz. Der neue Mainzer Trainer Urs Fischer hatte seine Mannschaft so richtig scharf gemacht. Die 05er waren in fast allen Szenen hellwach, grätschten und rannten um ihr Leben. Es war richtig unangehmen das zu bespielen. In dieser Saison hatte noch kein Team mehr Kilometer abgerissen, als Mainz nun.
FC Bayern "körperlich und mental stabil",
"In den paar Momenten, die Mainz hatte, haben sie es überragend gemacht", lobte Kompany den Gegner, der die Partie nach dem Münchner Führungstreffer von Lennart Karl (29.) durch Treffer von Kacper Potulski (45.+2) und Jae-Sung Lee (67.) zwischenzeitlich gedreht hatte. In den vergangenen Wochen hatte der FC Bayern reichlich Stress gehabt, dabei phasenweise die bemerkenswerte Leichtigkeit der Saison verloren. Und trotzdem liefen die Dinge immer in die richtige Richtung, mit Ausnahme der Champions-League-Pleite beim FC Arsenal (1:3). Die Münchner hatten eine erstaunliche Resilienz an den Tag gelegt. Das Team brachte alles zusammen, was es braucht, um Großes zu erreichen. Aber sie hatte sich dabei auch mächtig verausgabt.
Kompany nutzte das Spiel gegen Mainz nun, um einigen Stars eine Pause zu gönnen. Unter anderem seinen Abwehr-Hünen Dayot Upamecano und Jonathan Tah. Dafür feierte Hiroki Ito nach einer Ewigkeit sein Startelf-Comeback. Neben ihm spielte Minjae Kim, der beim Ausgleich erst das Abseits aufhob und dann auch noch ein schlechtes Kopfball-Timing bewies. Es war wieder ein Tor nach seinem Standard. Wenn das Team eine Schwäche hat, dann diese. Hatte sich Kompany mit der Aufstellung verzockt? Eher nicht, zu überlegen war sein Team gewesen. Aber eben auch nicht so scharf, wie man es so oft in dieser Saison schon gesehen hatte. Die hohe Belastung in den vergangenen Wochen dürfe aber nicht als Ausrede gelten, betonten die Münchner. Die Mannschaft sei "körperlich und mental stabil", betonte Kompany.
Das müssen sie noch einmal beweisen, bevor es in die Pause geht. Am kommenden Sonntag (17.30 Uhr/DAZN und im Liveticker bei ntv.de) sind die Bayern im letzten Spiel des Jahres noch beim 1. FC Heidenheim zu Gast und können dort die Herbstmeisterschaft auch offiziell klarmachen. Dank der Patzer von RB Leipzig (1:3 bei Union Berlin) und Borussia Dortmund (1:1 beim SC Freiburg) wuchs der Vorsprung an der Tabellenspitze am Sonntag sogar auf neun Punkte an.