Fußball

Riesiger CL-Ärger in LeverkusenWoltemade, Flekken und der Schiri rauben Bayer den Verstand

11.12.2025, 06:45 Uhr
imageVon Tobias Nordmann, Leverkusen
Soccer-Football-UEFA-Champions-League-Bayer-Leverkusen-v-Newcastle-United-BayArena-Leverkusen-Germany-December-10-2025-Bayer-Leverkusen-s-Robert-Andrich-celebrates-after-Newcastle-United-s-Bruno-Guimaraes-scores-an-own-goal-and-their-first-goal-REUTERS-Thilo-Schmuelgen
Robert Andrich hätte es gerne gesehen, wenn sein DFB-Kollege Malick Thiaw früh Rot gesehen hätte. (Foto: REUTERS)

Bayer Leverkusen rettet in der Champions League gegen Newcastle United einen Punkt. Die Werkself geht in Führung, liegt hinten, ehe Alejandro Grimaldo trifft. Eine frühe Schiedsrichter-Entscheidung sorgt für Ärger, ein Blackout für Frust.

Ungewollt wirkte es wie eine perfekt abgestimmte Inszenierung. Noch während Bayer Leverkusens Kapitän Robert Andrich sehr verärgert darüber sprach, dass Newcastle Uniteds Malick Thiaw im Champions-League-Gruppenspiel nach 21 Minuten hätte Rot sehen müssen, weil er Patrick Schick hart an der Achillessehne traf, humpelte der angeschlagene Tscheche in den Katakomben der BayArena durch die Szenerie. "Es sieht nicht gut aus", sagte Co-Trainer Rogier Meijer, der zum ersten Mal unfreiwillig in die Rolle des Chefs gerückt war, wenig später. "Er hat eine große Wunde am Knöchel."

Ob der Stürmer am Wochenende im Bundesliga-Derby gegen den 1. FC Köln dabei sein kann, das war in der Nacht zu Donnerstag mehr als fraglich. Gegen die Engländer musste er zur Halbzeit in der Kabine bleiben. Bayer führte da noch 1:0, ehe United das Spiel drehte und sich Leverkusen leidenschaftlich noch einen Punkt rettete (2:2).

Bayer Leverkusen - Newcastle United 2:2 (1:0)

Tore: 1:0 Bruno Guimaraes (13., Eigentor), 1:1 Gordon (51., Foulelfmeter), 1:2 Miley (74.), 2:2 Grimaldo (88.)

Leverkusen: Flekken - Quansah, Andrich, Tapsoba - Maza, Garcia - Arthur (90. Badé), Tillman (85. Echeverri), Grimaldo, Poku (71. Tella) - Schick (46. Kofane). - Trainer: Meijer

Newcastle: Ramsdale - Livramento, Thiaw, Burn, Hall - Tonali, Bruno Guimaraes, Joelinton (60. Miley) - Barnes (78. Murphy), Woltemade (90.+3 Wissa), Gordon (90.+3 Ramsey). - Trainer: Howe

Schiedsrichter: Serdar Gözübüyük (Niederlande)

Gelbe Karten: Poku, Garcia - Thiaw, Ramsdale

Zuschauer: 30.210 (ausverkauft)

Alejandro Grimaldo, der herausragende Spanier, hatte in der 88. Minute getroffen. Er hatte die eine Hälfte des Stadions in Ekstase versetzt und die andere Hälfte schlafen gelegt. Leverkusen feierte den "Big Point" gegen die immer stärker gewordenen Engländer, der United-Anhang unterbrach derweil seine Mega-Party, die über den Vengabus und Sweet Caroline führte, für ein paar Sekunden. Wie hatten sie dieses Spiel genossen, in dem ihnen nun der Sieg aus den Händen gerissen wurde. Grimaldo hatte das Tor selbst vorbereitet, sich Ibrahim Maza als Partner für einen Doppelpass ausgesucht und sehenswert getroffen. Am Wochenende, bei der Bundesliga-Niederlage in Augsburg, war er noch sehr vermisst worden. Nun war er wieder da und gab den Chef.

"Wenn ich Patricks Achillessehne sehe ..."

Der andere war Kapitän Andrich. Und der hatte sehr viel loszuwerden über die Szene, die womöglich spielentscheidend war. In der 21. Minute war Schick nämlich frei durch gewesen, ehe er von Thiaw klar am Strafraumrand gefoult wurde. Der Nationalspieler, der seit Wochen in herausragender Verfassung ist und als einer der besten Verteidiger der Premier League gilt, hatte eine vermutlich klare Torchance vereitelt. Der zunächst angezeigte Elfmeter wurde von Serdar Gözübüyük schnell korrigiert. Er entschied sich nach Kontakt mit dem VAR-Kollegen Rob Dieperink schnell dazu, den Tatort außerhalb zu setzen. Damit ging Andrich noch d'accord, nicht aber mit der Entscheidung, für das Vergehen nur Gelb zu zeigen. "Wenn ich Patricks Achillessehne sehe, allein deswegen ist es für mich schon eine klare Rote Karte." Andrich sprach davon, "selten so eine fatale Fehlentscheidung" gesehen zu haben.

Das war eine Nummer zu hoch gegriffen. Aber dass Thiaw weitermachen durfte, veränderte das Spiel schlagartig. Andrich hatte die mutigen Gastgeber nach gerade mal 13 Minuten in Führung geköpft; weil aber der Ball von Bruno Guimarães' Körper noch so klar und unhaltbar abgefälscht wurde, wurde der Treffer als Eigentor gewertet.

United wuchs danach zum Gegner auf Augenhöhe und dann zu einem Riesen, der Bayer die Grenzen aufzeigte. Vor allem Anthony Gordon wurde zum Faktor. Der Außenstürmer drehte Gegenspieler Arthur mehrfach auf links, zog immer wieder vorbei, flankte sich die Füße wund und hatte lange Zeit Pech, dass kein Mitspieler bereit war, die hohe Zahl an Hereingaben zu verwerten. Vor allem nicht Nick Woltemade. Die deutsche Sturmsensation war im Sommer für eine gigantische Summe vom VfB Stuttgart in den Norden Englands gewechselt. Geld spielt beim Traditionsklub, der an der saudischen Stütze hängt, keine große Rolle mehr. So konnte unter anderem der FC Bayern im Werben um Woltemade ausgestochen werden, in den sich Verein und Fans blitzverliebt haben. Trainer Eddie Howe sang vor dem Spiel eine Hymne auf den Hünen. Bei den Fans ist er schon Kult, sie tragen seine Frisur (als Perücke).

"Klarer Elfmeter, klarer Fehler"

Bis zur Halbzeit blieb Bayer stabil. Aber sie spielten mehrfach mit dem Feuer. Die Mannschaft, die auf Cheftrainer Kasper Hjulmand aus privaten Gründen verzichten musste, ließ sich immer tiefer vor das eigene Tor drücken. Und beim Versuch, den Ball nach vorne zu bringen, ging Bayer voll ins Risiko. Der erste Pass von Torwart Mark Flekken ins eng bewachte Zentrum auf die ballsicheren Maza und Aleix Garcia ließ das Stadion gleich mehrfach vor Anspannung erzittern. United presste gnadenlos, Leverkusen spielte sich per Einkontaktfußball aus der Bedrängnis. Vorerst ging es noch gut. Doch dann kam die 50. Minute, dann übertrieb es Flekken auf der Suche nach einer spielerischen Lösung. Er verpasste den Zeitpunkt des Abspiels, ließ sich vom sonst zwar stets bemühten, aber doch sehr unauffälligen Woltemade bedrängen, verlor Ball und Zweikampf, Elfmeter. Die eine Hälfte des Stadions war geschockt, die andere vor Glück und Bier besoffen. Gordon traf.

Flekken machte sich später schwere Vorwürfe. "Was soll ich noch sagen? Klarer Elfmeter, klarer Fehler, der geht auf meine Kappe", sagte der Torhüter. "Ich habe am Anfang, wo er Druck ausgeübt hat, den Moment verpasst, den Ball lang zu spielen. Es ist eine alte Geschichte: Wenn du als Torwart einen Fehler machst, dann geht es 19 von 20 Mal schlecht aus." Zwei Fehlentscheidungen hatten Bayer aus dem Spiel genommen. Newcastle drückte und drängte nun, aber die Werkself hielt dagegen. Das Spiel wurde hinreißend wild. Wieder zog Gordon an und traf aus der Distanz nur den Innenpfosten. Auf der Tribüne flogen Bierbecher und T-Shirts. Die entkleidete Masse hatte jede Zurückhaltung aufgegeben. Sie besangen den besten Trip aller Zeiten.

Ein tobendes Fußball-Donnerwetter

Als United-Star Sandro Tonali dann nach einer Ecke böse ausgerutscht war, rannte Bayer-Juwel Ernest Poku los. Der 21-Jährige ist so brutal schnell, dass ihm niemand folgen konnte. Ein ganzer Schwarm Elstern flog hinter ihm her, vergeblich. Poku allerdings hat eine große Schwäche: Sein Abschluss kann mit seiner Sprintstärke nicht mithalten. Er pfefferte den Ball ins Nirwana (69.). Längst war klar, 1:1 würde dieses Spiel ausgehen. Wieder brach Gordon los. Er war zur großen Attraktion geworden. Er schlug Haken um Haken und fand plötzlich Joker Lewis Miley (74.), der schraubte sich in gigantische Höhen und erschütterte die Arena. "Dann stand's 2:1. Man hat schon so ab der 65. Minute gemerkt, dass uns die Puste ausgeht. Trotzdem bin ich sehr, sehr froh und es ist schon verdient, dass wir einen Punkt geholt haben", sagte Andrich. Zwei Spieltage vor Abschluss der Gruppenphase hat die Werkself nun neun Punkte auf dem Konto und kann vor den letzten beiden Partien bei Olympiakos Piräus und gegen Villarreal auf die Playoffs hoffen.

Dieser Fußball-Abend gegen Newcastle hatte nach dem Rückstand aber noch einiges vor. Dieser Fußballabend hatte hohes Fieber. Die Partie tobte hin und her. Flekken rettete herausragend gegen Thiaw (81.), Bruno Guimaraes knallte den Ball aus der Distanz wieder an den Innenpfosten (82.). Bayer konterte, United war aufgescheucht, als wäre ein Fuchs im Hühnerstall zu Gast. Nathan Tellas Schuss landete aber in den Armen von Keeper Aaron Ramsdale. Kurze Atempause, dann übernahm Grimaldo, 2:2. Die eine Hälfte der BayArena bebte und Keeper Flekken spürte eine gigantische Erleichterung. "Wenn man Anfang der zweiten Hälfte so ein Geschenk weggibt, dann wäre es falsch, wenn man sich nicht ärgern würde. Ich bin einfach sehr froh, dass die Jungs vor mir so einen Charakter gezeigt haben und noch ein 2:2 rausgeholt haben." Die Magpies-Kurve war aus dem Himmel gerissen, sie schwieg. Kurz nur, dann sangen sie wieder. Vom besten Trip ihres Lebens. Den ließen sie sich auch von der Deutschen Bahn nicht zerstören, die sich lange Zeit am Bahnhof Leverkusen-Mitte nicht sehen ließ.

Quelle: ntv.de

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