Fußball

Bundesliga-Check: 1. FC Köln "Wow"-Trainer kontert mit "Maschinen"-Sturm

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Was kann der Meister der 2. Bundesliga im Oberhaus reißen? Der 1. FC Köln geht selbstbewusst in die Saison 2019/20.

Was kann der Meister der 2. Bundesliga im Oberhaus reißen? Der 1. FC Köln geht selbstbewusst in die Saison 2019/20.

(Foto: imago images / Sven Simon)

Nach einem Jahr im Unterhaus ist der 1. FC Köln "Widder do": In der ersten Fußball-Bundesliga muss sich nicht nur Neu-Trainer Beierlorzer beweisen. Probleme könnte es mit der unerfahrenen Innenverteidigung und der naturgemäßen Unruhe in der Karnevalsstadt geben.

Der Effzeh ist "Widder do". Mit dem 1. FC Köln kickt in der kommenden Bundesliga-Saison ein weiterer Traditionsverein wieder im Oberhaus mit. Wieder einmal: Es ist der sechste Bundesliga-Aufstieg nach 2000, 2003, 2005, 2008 und 2014. Zwar sind die Stadt und der Verein in den vergangenen Jahren realistischer geworden und sprechen nach zwei Siegen nicht gleich von der Champions League - aber schafft es der Traditionsklub aus dem Rheinland, ein gesundes Mittelmaß an Ambitionen und einen wirklichkeitsgetreuen Weg zu finden? Der Aufstieg wurde als selbstverständlich aufgefasst, dominant traten die Geißböcke in der Zweitligasaison aber bei Weitem nicht auf. Vielmehr profitierten sie davon, dass die Verfolger in Liga zwei die Punkte im Saisonfinale reihenweise herschenkten.

Ein Jahr nach dem Abstieg kehren mit den Kölnern sicherlich auch ein wenig Unruhe und viele Emotionen ins Oberhaus zurück. Dabei hoffen viele beim Effzeh auf Stille nach der durchaus turbulenten Aufstiegssaison. Kurzer Blick zurück: Anfang März trat Präsident Werner Spinner nach einem Machtkampf mit Sportchef Armin Veh zurück, Ende April wurde Coach Markus Anfang trotz der Tabellenführung nach vier Spielen ohne Sieg entlassen. Drama gab es erneut, als Vehs Zukunft und eine mögliche Rückkehr zum VfB Stuttgart öffentlich diskutiert wurden und der Sportchef sich nicht dazu äußerte.

Was gibt's Neues?

Neu ist vor allem der Trainer, sowohl bei den Geißböcken als auch in der 1. Bundesliga. Achim Beierlorzer wurde für die stattliche Summe von 700.000 Euro vom SSV Jahn Regensburg abgeworben, wo er 2017 den zu Bayer Leverkusen abgewanderten Heiko Herrlich ersetzte. Er habe "keine Sekunde gezögert, als das Angebot aus Köln kam". Mit viel Geschwindigkeit und schnellem Umschaltspiel will der frühere Sportlehrer, der 2014 den Fußballtrainer-Lehrgang als Jahrgangsbester abschloss, auch in der Bundesliga bestehen. Das Selbstbewusstsein dafür hat Beierlorzer: "Ich weiß, dass ich gut bin. Ich weiß, dass ich Qualitäten habe", sagte er im Interview mit der "Sportschau" nach seiner offiziellen Vorstellung in Köln.

Thomas Reinscheid, Redakteur des Online-Fanzines Effzeh.com, sagt gegenüber n-tv.de: "Er macht einen Rieseneindruck, ist sehr positiv und kommt auch bei den Leuten sehr gut an, was in Köln nicht selbstverständlich ist. Markus Anfang ist hier nie richtig warm geworden, das ist bei Beierlorzer komplett anders. Nach der ersten Pressekonferenz haben viele gesagt: 'Wow, wenn der nur zehn Prozent von dem umsetzt, was der hier vorhat, dann kann das eine gute Saison werden.'"

In Kingsley Ehizibue wechselte ein in der Torvorbereitung starker rechter Abwehrspieler für zwei Millionen Euro in die Domstadt und mit Birger Verstraete für 3,5 Millionen Euro ein defensiver Mittelfeldstratege. Ein weiterer Kingsley, diesmal Schindler, kam ablösefrei von Holstein Kiel (23 Zweitligapartien, sechs Tore und sieben Vorlagen) und soll für Wirbel im rechten Mittelfeld sorgen. Vom französischen Erstligisten HSC Montpellier wechselte schließlich der tunesische Nationalspieler Ellyes Skhiri als Königstransfer ins Rheinland. Der schlaksige Rechtsfuß, der beim Afrika-Cup alle sieben Spiele des Viertplatzieren absolvierte, soll in Köln das defensive Mittelfeld ordnen, kostete fünf Millionen Euro und unterschrieb für vier Jahre ohne Ausstiegsklausel. Beierlorzer legt viel Wert auf Kompaktheit, Marco Höger, eine defensive Stütze im vergangenen Jahr, könnte Leidtragender werden und seinen Platz in der ersten Elf verlieren.

Auf wen kommt es an?

Treffsicher in Liga 2 und 1: Anthony Modeste nach dem Aufstieg ins Oberhaus.

Treffsicher in Liga 2 und 1: Anthony Modeste nach dem Aufstieg ins Oberhaus.

(Foto: imago images / Sven Simon)

Modeste, Modeste, Anthony Modeste. Wer die Klasse halten will, muss Tore schießen. Immer wieder tun sich Aufsteiger damit schwer, Köln hat aber gleich drei Stürmer, die in Liga zwei für Furore sorgten. Können Anthony Modeste (sechs Tore in zehn Spielen in der vergangenen Saison), Simon Terodde (29 Tore in 33 Spielen) und Jhon Córdoba (20 Tore in 31 Spielen) im Oberhaus genauso liefern? Das darf zumindest bezweifelt werden. Lediglich der bullige Modeste hat seine Bundesligatauglichkeit mit 59 Toren in 123 Bundesligaspielen und der 25-Tore-Marke aus der Saison 2016/17 schon nachhaltig bewiesen. Terodde (sieben Tore in 35 Spielen) und Córdoba (zehn Tore in 69 Spielen) bekleckerten sich in ihren Saisons in der obersten Spielklasse nicht durchgehend mit Ruhm.

Insider Reinscheid ist da allerdings weniger skeptisch: "Córdoba ist vom Athletischen her eine absolute Maschine, schnell, spritzig und der derzeit beste Kölner Stürmer. Und Terodde hat ein halbes Jahr in Stuttgart und ein halbes Jahr in Köln in absoluten Trümmertruppen gespielt. Seine Stärke ist der Torabschluss, er hat einen absoluten Riecher. Wenn man so spielt, dass er seine Chancen bekommt, wird er auch knipsen."

Der 1. FC Köln wird wohl im 4-4-2-System mit zwei Stürmern spielen. Doch wer auflaufen wird, ist unklar. Beierlorzer könnte auch lediglich einen Stoßstürmer mit einer hängenden Spitze nominieren. Louis Schaub, Schindler oder Dominick Drexler wurden an der Seite des jeweiligen Stoßstürmers in den Vorbereitungsspielen getestet. Klar ist: Das (Umschalt-)Spiel von Beierlorzer benötigt Tempo. Das könnte ein Pluspunkt für Córdoba sein, der bewiesen hat, bei Kontern tief starten und in den Strafraum eindringen zu können, anstatt im Sechszehner auf Zuspiele zu warten. "Im Vergleich zu anderen Saisons hat man jetzt viele Optionen und Varianten, die man spielen kann", sagt Reinscheid. "Die Breite des Kaders ist deutlich gestiegen." In der Abwehr muss Kapitän Jonas Hector die junge und bundesligaunerfahrene Viererkette anleiten - aber mehr zur Abwehr im nächsten Punkt.

Was fehlt?

Ein Innenverteidiger mit Bundesligaformat. Die Defensive (47 Gegentore - der Tabellenvierzehnte Erzgebirge Aue) wackelte schon in Liga zwei bedenklich oft. Veh und Kaderplaner Aehlig sind deshalb noch nicht fertig mit Neuzugängen. Gerne möchten sie einen neuen linken Innenverteidiger verpflichten - auf Leihbasis, möglichst mit Kaufoption. U21-Europameister Jorge Meré gilt als gesetzt, aber seinen Partner sucht man noch. Rafael Czichos, Stammspieler in der zweiten Liga, wird das zwar generell auch zugetraut, aber der Konkurrenzkampf soll belebt werden. "Wenn man die letzten Tests gesehen hat, hapert es am meisten noch in der Innenverteidigung", bestätigt Insider Reinscheid: "Beierlorzers Spielidee mit aktivem Gegenpressen ist auch sehr risikobehaftet und das kann nach hinten hin schwierig werden, wenn man sie nicht mit hoher Intensität und inkonsequent verfolgt."

Die Geißböcke interessierten sich über einen längeren Zeitraum für Jesús Vallejo von Real Madrid, der 2016/17 auf Leihbasis für Eintracht Frankfurt spielte und FC-Innenverteidiger Meré aus der spanischen U21 kennt. Jüngst wurden sie Seite an Seite Europameister im Finale gegen Deutschland. Letztendlich erhielten aber die Wolverhampton Wanderers den Zuschlag. Eine Junior-Abwehr mit Meré und Vallejo hätte aber auch Gefahren bergen können, Bundesligaerfahrung in der Innenverteidigung sucht der Effzeh also weiterhin. Auch Ex-Bundesliga-Profi Carlos Zambrano, vor ein paar Wochen noch im Copa-America-Finale mit Peru gegen Brasilien aktiv, wurde gehandelt. Veh kennt Zambrano aus der gemeinsamen Zeit bei Eintracht Frankfurt, aber mittlerweile ist das FC-Interesse abgekühlt.

Wie lautet das Saisonziel?

Zwar hat der Verein bisher kein offizielles Saisonziel verkündet, aber: "Wir wollen so gut wie möglich abschneiden", erklärte Beierlorzer im Trainingslager. "Dafür ist es wichtig, von Anfang an zu punkten und jedes Spiel mit hundert Prozent anzugehen. Wir wollen so schnell es geht die Punkte haben, um uns in Gefilden zu bewegen, in denen wir die Mannschaft gut entwickeln können, in denen kein Existenzdruck entsteht." Das klingt eher nach gesichertem Mittelfeld als nach Klassenerhalt. "Der Trainer denkt nicht in Kategorien à la 'irgendwas verhindern', sondern versucht alles positiv zu besetzen", sagt Reinscheid. "Das spiegelt auch die Einstellung vieler im Verein wider, wo man eher Richtung Platz zehn bis 14 als 14 bis 18 denkt."

Besonders Siege gegen die Lokalrivalen Mönchengladbach und Düsseldorf wird man für die Fans einfahren wollen, die nun ein Jahr auf die Derbys verzichten mussten. Auch mit Leverkusen versteht sich Köln nicht unbedingt gut. Reinscheid dazu: "Aber der Effzeh war nie eine Derby-Mannschaft. Trotzdem freuen wir uns auf die Duelle, nachdem wir letztes Jahr kein Derby hatten und die Saison wirklich zäh verlief." In den Spielen gegen die Konkurrenz aus Paderborn, Berlin (Union), Freiburg, Mainz und Augsburg müssen die Geißböcke ihre Punkte holen.

Das sagt der Insider

"Bis jetzt sieht das alles sehr positiv aus, aber es bleibt abzuwarten, wie sich die Neuzugänge in der Bundesliga schlagen. Ich halte Platz zehn bis 12 für ein Ziel, das man sich stecken kann - wenn es sehr gut läuft. Das Problem ist, dass es in Köln auch ganz schnell in die andere Richtung laufen kann. Es ist entscheidend für die Saison, auch für die Emotionen, die in Köln ja oft einen größeren Ausschlag als in anderen Städten haben, wie der Effzeh in die Saison kommt. Aber bei dem harten Auftaktprogramm - Wolfsburg, Dortmund, Freiburg auswärts, Mönchengladbach, Bayern - kann es gut sein, dass wir nach fünf Spieltagen mit null Punkten dastehen. Das wäre natürlich für den neuen Trainer und für das Vertrauen in alle im Verein furchtbar und da kann sich schnell eine Negativspirale in Gang setzen. Ich glaube, der Verein bleibt dann aber trotzdem ruhig. Das hat man auch in der letzten Abstiegssaison gesehen."

Und der Super-Gau? "Wenn man wieder so eine Hinrunde wie in der letzten Bundesligasaison spielt, dann ist die Enttäuschung schon sehr groß. Noch ein Abstieg würde sowohl die Mannschaft als auch den Klub extrem hart treffen. Spieler wie Jonas Hector oder Timo Horn, die mit in die zweite Liga gegangen sind, würden das wahrscheinlich nicht noch mal tun. Das Vertrauen der Fans wäre dann vollständig weg und es könnte komplett bergab gehen."

Die Prognose von n-tv.de

Das Auftaktprogramm hat es tatsächlich in sich. Nach fünf Spieltagen könnte der Druck auf den FC Köln und Beierlorzer schon stark zugenommen haben. Mal schauen, wie die rheinische Regenbogenpresse dann reagiert. Aber die Geißböcke bleiben optimistisch. "Das ist eine tolle Herausforderung - die nehmen wir an", sagte der Cheftrainer zum Startprogramm. Und Fan-Liebling Höger fügte hinzu: "Wir haben ein Jahr darauf hingearbeitet, wieder gegen diese Teams spielen zu dürfen. Da können wir uns jetzt doch nicht beschweren, wenn es gegen sie geht."

Zwischen Platz 17 und zwölf ist alles möglich. Sollten Modeste und seine Sturmkollegen wieder zu Hochtouren auflaufen, noch ein starker Innenverteidiger verpflichtet werden und jeder Spieler Beierlorzers Vorgaben für defensive Kompaktheit und gefährliches Umschaltspiel schnell verinnerlichen, vielleicht sogar ein oder zwei Plätze mehr. Aber kann Köln ohne Karneval-Zirkus? Wichtig wird sein, dass Verein und Umfeld die Situation realistisch einschätzen und sich nicht als selbstverständlichen Teil der Bundesliga betrachten. Theater und Drama seitens Vehs und des Vereins müssen auf einem Minimum bleiben.

Es geht für den Aufsteiger ganz klar um den Klassenerhalt - und nicht etwa um den Kampf um die europäischen Plätze. Kann der Abstieg verhindert werden, darf ruhig gefeiert werden. Vielleicht so, wie es die DFB-Frauen bei der WM in Frankreich nach dem Viertelfinaleinzug vorgemacht haben: Modeste, Modeste, Anthony Modeste.

Quelle: ntv.de

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