Redelings Nachspielzeit

"Vereinsschädigendes Verhalten" Als Neururers kuriose Trainerkarriere abrupt endete

Voller Einsatz für Bochum - trotzdem musste Peter Neururer gehen.

Voller Einsatz für Bochum - trotzdem musste Peter Neururer gehen.

(Foto: IMAGO/Funke Foto Services)

Heute vor zehn Jahren sitzt Peter Neururer zum letzten Mal auf der Bank eines Profiklubs. Damals spielt sein VfL Bochum gegen den FC St. Pauli nur 3:3. Doch der Rauswurf beim VfL hat keine sportlichen Gründe. Die überaus abwechslungsreiche Trainerkarriere des Peter Neururer endet äußerst unglücklich.

"Wenn ich in der Saison 2012/13 keinen Job als Cheftrainer oder als Sportdirektor bekomme, dann ist Schluss. Dann höre ich auf und mache nur noch als Experte oder wie auch immer im Fernsehen weiter", hatte Peter Neururer in seiner Biografie im Sommer 2012 gesagt - und selbst wohl nicht mehr ernsthaft damit gerechnet, dass er noch einmal auf die Bundesligabühne zurückkehren würde. Die ganz große Bühne wurde es schließlich auch nicht mehr, aber immerhin konnte er sich nach dem hart umkämpften Klassenerhalt mit dem VfL Bochum am Ende der Spielzeit 2012/13 in der zweiten Liga als "Messias" feiern lassen. Neururer hatte mit dem VfL ein kleines Fußball-Wunder geschafft und sich selbst noch einmal ins Rampenlicht gestellt. Doch nur anderthalb Jahre später war bereits wieder Schluss in Bochum.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas noch durchmachen muss", meinte der Mann aus Marl schließlich einige Tage nach seiner Entlassung am 9. Dezember 2014, nachdem ihm der Vorstand des VfL Bochum eine persönliche Verabschiedung - nur er und die Mannschaft - nicht ermöglicht hatte. Und Peter Neururer hat in seiner wechselvollen und äußerst unterhaltsamen Karriere so manches kuriose Ding durchmachen müssen. Doch vielleicht ahnte der damals 59-Jährige bereits, dass dieser Rauswurf der aller Voraussicht nach letzte in seiner langen Laufbahn sein würde. Denn seit dem Spiel am 05. Dezember 2014, als der VfL Bochum zu Hause an der Castroper Straße gegen den FC St. Pauli 3:3 spielte und anschließend nur auf dem zehnten Tabellenplatz stand, ist Peter Neururer nicht mehr als Trainer in der Bundesliga aktiv gewesen.

Neururer stellt sich hinter Torwart - und gegen Boss

Um seinen Rauswurf in Bochum rankten sich damals lange Zeit viele Gerüchte, obwohl die Pressemitteilung eigentlich schon indirekt einen ersten Hinweis darauf gab, warum Peter Neururer wirklich hatte gehen müssen. VfL-Torwart Andreas Luthe hatte eine Woche vor der Partie gegen den FC St. Pauli nach einer deutlichen Niederlage in Ingolstadt emotional auf eine öffentliche Kritik des damaligen Aufsichtsratschefs Hans-Peter Villis mit den Worten - "Er sollte besser den Mund halten" - reagiert und Trainer Peter Neururer hatte seinen Keeper im Anschluss offensiv und ohne Rücksicht auf Verluste verteidigt. Das kam bei den Vereinsoffiziellen natürlich gar nicht gut an.

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Und deshalb begründete Sportvorstand Christian Hochstätter die Freistellung des Trainers anschließend mit den Worten: "Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, weil das Auftreten und die in den vergangenen Tagen wiederholt getätigten Äußerungen von Peter Neururer aus unserer Sicht vereinsschädigendes Verhalten darstellen. Peter Neururer hat unter anderem Spieler, die sich in unangemessener Form zur Arbeit der Vereinsgremien geäußert haben, in dieser Meinung bestärkt."

Wie sich später herausstellte, war dieser letzte Konfliktpunkt zwischen dem Trainer und den Vereinsoberen nur die Spitze des Eisbergs. Schon länger hatte es "hinter den Kulissen Zoff zwischen dem Coach und den Bossen" gegeben, schrieb die "Sport Bild" im Anschluss an den Rauswurf - auch wenn alle Parteien öffentlich nicht weiter ins Detail gingen bzw. nicht gehen wollten. Dennoch war dies der unrühmliche Schlusspunkt einer ereignisreichen Zeit, die Anfang April 2013 noch so verheißungsvoll begonnen hatte. Denn als Peter Neururer nach seinen ersten Jahren zwischen 2001 und 2005 an der Castroper Straße, die ihn und seinen Verein sogar bis in den UEFA-Pokal führten, zum VfL Bochum zurückkehrte, stand der Klub mit dem Rücken zur Wand - und auf dem Relegationsplatz zur dritten Liga.

"Ich bin total heiß"

Doch seine Ankunft versprühte damals sofort so viel Euphorie im Verein, dass ein Angestellter des Klubs kurz nach der ersten Begegnung mit Neururer auf der Geschäftsstelle und noch vor der ersten Partie des neuen Übungsleiters bei Energie Cottbus eine SMS an seine Freunde schrieb, in der er begeistert mitteilte: "Ich bin total heiß. Wenn es sein muss, fahre ich alleine nach Cottbus und hau die weg!"

Das passte zu den Worten, die einmal ein ehemaliger Spieler des VfL Bochum mit einem Augenzwinkern über das Phänomen Peter Neururer erzählt hat: "Der holt dich zu sich und erzählt dir eine halbe Stunde lang, was für ein überragender Fußballer du bist. Stärken ohne Ende hättest du. Wenn das so weitergeht, und er wüsste bei bestem Willen keinen Grund, warum nicht, sei die Nationalmannschaft nur noch eine Frage von Stunden, maximal Tagen. Du gehst von ihm weg und glaubst tatsächlich, dass du einer der ganz Großen bist - im deutschen Fußball ohnehin und eigentlich auch im Weltfußball." Die Wirkung sei enorm: "In dem Bewusstsein spielst du dann in den kommenden Wochen. Bis zu dem Tag, an dem du dich zu wundern beginnst, warum eigentlich noch nicht Real Madrid oder wenigstens der FC Barcelona bei dir angerufen hat. Ab diesem Moment fängst du an nachzudenken. Stimmt das eigentlich, was der Coach da über dich gesagt hat? Bist du wirklich so ein überragender Fußballer? Und kaum, dass du dich versiehst, zweifelst du unbewusst an den Worten deines Trainers. Und irgendwann ist es dann vorbei!"

Neururer bestreitet Spiele unter ärztlicher Aufsicht

Doch erst einmal war im Frühjahr 2013 ja alles gut gegangen. Der VfL hatte gleich die erste Partie, die Neururer wegen seines nur zehn Monate zurückliegenden Herzinfarkts unter ärztlicher Aufsicht bestritt, bei Energie Cottbus gewonnen. Und nach dem Klassenerhalt lag ganz Fußball-Deutschland Peter Neururer wieder zu Füßen. Es schien für den Mann, der einmal gesagt hat - "Wenn wir ein Quiz machen würden unter den Trainern in Deutschland, wer am meisten Ahnung hat von Trainingslehre, Psychologie, und der Trainer mit den besten Ergebnissen kriegt den besten Klub - dann wäre ich bald bei Real Madrid" - nur noch eine Richtung zu geben. Doch nach einer schwachen Saison 2013/14 sank offensichtlich allmählich das Vertrauen der Vereinsoffiziellen in den Trainer Neururer. Und so kam Anfang Dezember 2014 die Freistellung auch nicht mehr allzu überraschend.

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Seitdem fuhr in den sozialen Netzwerken der berühmte Porsche mit Peter Neururer am Steuer virtuell bei einigen Klubs vor, doch zu einem neuen Job hat es nicht mehr gereicht. 2004 hat Neururer in einem legendären Interview mit der Überschrift "Zu Höherem berufen" in der Wochenzeitung "Die Zeit" einmal beschrieben, wie es war, als plötzlich niemand mehr bei ihm anrief: "Stille. Das Telefon klingelt nicht mehr. Es klingelt einfach nicht mehr. Ich dachte: 'Was ist hier los? Jetzt muss was passieren!' Wenn es dann doch mal klingelt, hofft man natürlich, dass Berlusconi vom AC Mailand dran ist, aber es ist nur die eigene Mutter."

Mittlerweile wartet Peter Neururer wohl nicht mehr auf einen Anruf eines Vereinsoffiziellen. Er hat stattdessen noch etwas an seinem Plan aus dem Jahr 2012 gefeilt. So ist er seit einiger Zeit nicht mehr nur im Fernsehen zu sehen, sondern steht mit seinem eigenen Solo-Programm - "Schweigen ist feige" - auch auf der Bühne und erzählt aus seinem ereignisreichen und äußerst unterhaltsamen Leben als Profitrainer. Denn "Labern" konnte Peter Neururer schon immer besonders gut - wie damals, als er gefragt wurde, was er denn damals selbst für ein Spielertyp gewesen sei: "Nach den heutigen Regeln hätte ich damals schon beim Aufwärmen eine Gelbe Karte gekriegt." Herrlich!

Quelle: ntv.de

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