Redelings Nachspielzeit

"Hoeneß, hör auf zu brüllen!" Als der FC Bayern in eine gefährliche Schieflage geriet

Managr Uli Hoeneß und seine "Geheimwaffe" Franz Beckenbauer.

Managr Uli Hoeneß und seine "Geheimwaffe" Franz Beckenbauer.

Vor dreißig Jahren hat der FC Bayern nicht viel zu lachen. Die Erfolge auf dem Platz bleiben aus, der neue Rivale Borussia Dortmund enteilt und am Spielfeldrand schreit Manager Uli Hoeneß lauthals seinen Frust heraus. Wieder einmal muss der "Kaiser" in der Not aushelfen.

"Wenn ich merken würde, dass ich mich nicht zusammenreißen könnte, dann müsste ich die Konsequenzen ziehen. Dann müsste ich weg von der Bank", meinte Bayern-Manager Uli Hoeneß im Oktober vor dreißig Jahren - und dachte natürlich nicht im Traum daran, ruhiger zu werden. Denn der Start in die Spielzeit 1994/95 war alles andere als gelungen gewesen. Ein fünfter Platz nach dem zehnten Spieltag und - was besonders schwer wog - vier Punkte hinter dem aufstrebenden Tabellenführer aus Dortmund hatten in München zu manch interner Verwerfung geführt. Und so diskutierten nach der 1:0-Niederlage des Rekordmeisters am zehnten Spieltag im Westfalenstadion der Borussia einige Medien schon die Frage: "BVB - die besseren Bayern?"

Damals, im Herbst 1994, stimmte in München eine ganze Menge nicht. Vier Jahre Anlauf hatten sie zuvor bereits bis zum Sommer gebraucht, um endlich einmal wieder Deutscher Meister zu werden. Denn die ersten Jahre der 1990er waren alles andere als ruhig für den FC Bayern verlaufen. Alle Versuche, das Ruder nach so einer langen, titellosen Zeit herumzureißen, waren gescheitert. Erst kurz vor Weihnachten hatte sich der damalige "FC Hollywood" durch eine überraschende Wende selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen.

Harte Worte gegen Ribbeck

Die Bayern-Offiziellen um Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Fritz Scherer hatten in ihrer Not Franz Beckenbauer überredet, die Mannschaft von Coach Erich Ribbeck zu übernehmen. Der hatte es sich zuvor zusehends mit dem Team verscherzt. Bereits in der Vorsaison hatte ihm der Spieler Jan Wouters mitten in der Mannschaftssitzung gesagt: "Trainer, Sie sind der Einzige hier im Verein, der von Fußball nichts versteht." Das hatten im Winter dann auch endlich die Verantwortlichen des FC Bayern eingesehen und Ribbeck entlassen.

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Am Ende der Saison durften sie sich alle für ihre mutige Entscheidung selbst auf die Schulter klopfen. Das Glückskind Beckenbauer gewann die Meisterschaft mit einem Punkt Vorsprung knapp vor dem 1. FC Kaiserslautern. Nun sollte unter dem neuen Trainer, Giovanni Trapattoni, alles besser werden - doch das tat es nicht. Dementsprechend sauer reagierte Uli Hoeneß auf der Bank. Das gefiel wiederum der Mannschaft ganz und gar nicht. Lothar Matthäus hatte stellvertretend für das ganze Team dem Bayern-Manager unmissverständlich klargemacht, dass er seinen Mund zu halten habe und schon während eines Spiels zurückgeschrien ("Hoeneß, hör auf zu brüllen!"). Sogar eine eigene Sitzung hatte man zusammen mit Trainer Giovanni Trapattoni zu dem delikaten Thema abgehalten, doch schließlich eingesehen, dass sich Hoeneß wohl nur schwerlich etwas sagen lassen würde.

Und tatsächlich meinte der Manager zu der ganzen Situation: "In der Rückrunde der vergangenen Saison brauchte ich nichts zu sagen. Da hat Franz Beckenbauer als Trainer und Vizepräsident alles abgedeckt." Nun unter dem neuen Coach sei die Lage allerdings anders. Und so ergänzte Hoeneß: "Wenn man das unbedingte Gefühl hat, dass es jetzt rausmuss, dann muss man es tun." Tatsächlich waren die Auseinandersetzungen während der Spiele jedoch nicht die einzige Baustelle von Uli Hoeneß damals. Zwei Spieler bereiteten dem Manager große Sorgen - und das äußerte Hoeneß auch öffentlich.

Mit dem Schweizer Nationalspieler Alain Sutter entbrannte sogar ein Kampf zwischen Schulmedizin (Uli Hoeneß) und alternativen Heilmethoden (Alain Sutter). Der Schweizer Profi hatte seit der WM 1994 durch einen "verschleppten Salmonellenbefall" (Sutter) neun Kilogramm Gewicht verloren. Er versuchte jedoch, die Krankheit, anders als vom FC Bayern gewünscht, nicht von einem Arzt mit einem Antibiotikum kurieren zu lassen, sondern von einem Homöopathen auf alternative Weise. Hoeneß war darüber sauer, er schimpfte: "Wir haben die Marotten lange genug erduldet!" Er setzte Sutter ein Ultimatum für einen Arztbesuch und riet dem bekennenden Vegetarier zudem: "Der Sutter soll Schweinsbraten mit Knödeln essen und nicht das Körnerfutter." Dass der Schweizer jedoch noch nicht alle seine Kräfte eingebüßt hatte, bewies sein schlagfertiger Konter: "Wie man aussieht, wenn man zu viel Schweinebraten isst, sieht man ja an Herrn Hoeneß."

Hoeneß' "Geheimwaffe" muss es richten

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Anders gelagert war der Fall des französischen Nationalspielers Jean-Pierre Papin. Mit großen Erwartungen war er nach München gekommen, doch schon nach kurzer Zeit war die Enttäuschung umso größer. Das ging wiederum nicht spurlos am damals 30-jährigen Stürmer vorbei: "Ich lasse mich nicht nach wenigen Wochen in den Dreck ziehen. Ich bin nicht Fußballer Europas geworden, fünfmal Torschützenkönig in Folge, um mich als Flop abkanzeln zu lassen." Nicht wenige Medien meinten damals, dass Hoeneß mit seinem Brüllen am Spielfeldrand auch von seiner "verfehlten Einkaufspolitik" habe ablenken wollen.

Im Herbst 1994 geriet der FC Bayern also zusehends in Schieflage - und deshalb war es kein Wunder, dass er wieder einmal auf seine bewährte "Geheimwaffe" in Notsituationen zurückgriff. Franz Beckenbauer wurde ab Mitte November als Nachfolger des zuletzt etwas unglücklich agierenden Fritz Scherer zum Präsidenten des FC Bayern München gewählt. Doch es dauerte nur etwas mehr als anderthalb Jahre, dann übernahm der "Kaiser" wieder einmal aushilfsweise das Traineramt. Aber wenigstens konnte sich der Klub damals darauf verlassen, dass die Spieler während dieser Zeit ihren Manager nicht in die Schranken verweisen mussten, weil er von draußen zu laut reinbrüllte.

Quelle: ntv.de

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