Gefürchtetes JHV-Spektakel Als der Sonnenkönig mit der schönen Gräfin Schalke eroberte
16.11.2024, 07:04 Uhr
Günter Eichberg mit Christiane Paas auf dem auf RTL übertragenen Rosenball in Gütersloh am 24. September 1989.
(Foto: imago stock&people)
Auf Schalke findet wieder die jährliche Mitgliederversammlung statt. Früher waren das wilde Veranstaltungen, die alle Königsblauen geliebt wie gefürchtet haben. Denn nichts war unmöglich! Sogar die spontane Inthronisierung eines Krampfadern-Klinikbesitzers.
"Liebe Schalker, wählen wir uns einen Vorstand und keine Pfeifen!" Früher haben sie in Gelsenkirchen nichts mehr gefürchtet als die königsblauen Jahreshauptversammlungen. Schon im Vorfeld der Wahlen wurden potenziellen Kandidaten die Schaufenster ihrer Geschäfte eingeschmissen oder amtierenden Präsidenten mit einem Sarg, den man ihnen nach Hause schickte, klar gemacht, was man von ihnen hielt. Stets galt das Motto: "Wir benehmen uns hier wie ein Kegelclub nach Mitternacht!" Mit dem Zusatz: "Die benehmen sich besser!"
Und das war auch vor knapp 36 Jahren nicht anders, als man auf Schalke in fünf Monaten gleich drei Mal kurz hintereinander zusammentraf, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Das Dilemma hatte Ende September 1988 begonnen, als eine der schillerndsten Gestalten auf Schalke, die es je gab, Günter Siebert, nach einem Misstrauensvotum der Mitglieder zurücktrat und Neuwahlen ausgerufen werden mussten. Weil man an diesem Tag Tumulte befürchtete, hatte es während der Versammlung erstmals auf Schalke nur alkoholfreies Bier gegeben. Vermutlich auch deshalb verlief der Abend anschließend ungewöhnlich ruhig und sachlich.
Zum Schluss war damals ein gewisser Michael Zylka der neue Präsident der Königsblauen. Ein "Mister Unbekannt", der sich, laut seiner eigenen Aussage, einfach nur mal gedacht hatte, hinzugehen und sich den Mitgliedern vorzustellen. Überraschenderweise überzeugte Zylka seine Vereinsgenossen - musste allerdings bereits nach drei Tagen wieder zurücktreten, weil herausgekommen war, dass er zuvor für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet haben soll. Ein einziges Desaster für den Klub, über den ein früherer Präsident einst einmal so weitsichtig sagte: "Solange man über uns schreibt, leben wir noch!"
Gegenkandidaten? Rentner und Büttenredner
Doch nun musste erst einmal auf die Schnelle ein neuer Präsident her - und der wurde tatsächlich am 16. Januar 1989 in allerhöchster Not, denn der FC Schalke 04 stand damals kurz vor der Pleite ("Als der Präsident Günter Eichberg zu uns kam, war Schalke mausetot. Der Verein hatte kein Geld mehr für Waschpulver", Charly Neumann, die gute Seele der Königsblauen), von den Mitgliedern des Klubs in einer denkwürdigen Versammlung gewählt. Am Ende hatte sich Eichberg mit großer Mehrheit gegen Kandidaten wie den Rentner Hans Bitzkowski und den eloquenten Büttenredner Dieter Koslowsky durchgesetzt. Doch wer dieser Günter Eichberg genau war, wussten nur die allerwenigstens auf Schalke. Der Verwaltungsratsvorsitzende Volker Stuckmann umschrieb die Erwartungshaltung an den gebürtigen Gütersloher jedenfalls so: "Damals dachten wir, da kommt der Weihnachtsmann."
Und diese Umschreibung war nicht ganz falsch, denn Eichberg, den man in der Rückschau nur den "Sonnenkönig" nennt, versprach den Schalkern als allererstes die finanzielle Rettung. Nicht umsonst nannte "Der Spiegel" ihn den "Generaldirektor Haffenloher aus der Fernsehserie 'Kir Royal'", der mit seinem legendären Spruch - "Ich scheiß' dich zu mit meinem Geld" - in die TV-Geschichte eingegangen ist. Sein Vermögen hatte sich der ehemalige Geschäftsführer der AOK Gütersloh geschickt und fleißig mit einem Imperium aus privaten Krampfadern-Kliniken aufgebaut, die er zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Immobilienmaklerin Christa Paas, die damals den Beinamen die "schöne Gräfin" von der Boulevardpresse verpasst bekam, führte.
Eichberg entdeckte Trainer-Legende
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Und so verwundert es nicht, dass der ehemalige Präsident Günter Siebert die Tumulte auf den zwei zurückliegenden Jahreshauptversammlungen süffisant mit den Worten kommentierte: "Erst hatten wir James Bond, jetzt kommt Professor Brinkmann." Der neue Vorsitzende war damals übrigens ganz vernarrt in einen jungen, aufstrebenden, aber noch relativ unbekannten Übungsleiter namens Peter Neururer.
Der Nachwuchscoach trainierte in diesen Tagen im Frühjahr 1989 Alemannia Aachen, als der Sonnenkönig ihn zu sich nach Hause einlud. Über die Gehaltsverhandlungen an diesem Tage meinte Peter Neururer einmal: "Ehe ich überhaupt eine Summe sagen konnte, hatte Eichberg schon das Doppelte geboten." Wie sich erst viele Jahre später herausstellen sollte, hatte der Präsident Neururer sogar eine Deutsche Mark pro Zuschauer versprochen. Ein fürstliches Zusatzgehalt für den jungen Trainer. Die Zusammenarbeit lief gut. Doch dann kam es urplötzlich zum Bruch. Warum Peter Neururer Schalke schließlich am 13. November 1990 wieder verlassen musste, darüber stritten die beiden bis zu Eichbergs Tod vor sechs Jahren.
Peter Neururer wird heute sicherlich ganz intensiv nach Gelsenkirchen gucken. Denn auch wenn die Zeiten seit damals viel ruhiger geworden sind, muss man bei einer Mitgliederversammlung auf Schalke immer mit allem rechnen. Das wissen auch die Offiziellen - und hoffen natürlich dennoch darauf, dass es an diesem Samstag keinen neuen "James Bond" oder "Professor Brinkmann" in der Arena geben wird.
Quelle: ntv.de