Redelings Nachspielzeit

Nebel-Drama von Dortmund Das Derby, das selbst die Spieler nicht sahen

Ungesehen, aber auch unvergessen.

Ungesehen, aber auch unvergessen.

(Foto: imago/Horstmüller)

Das Revierderby vom 12. November 1966 ist eine der kuriosesten Partien in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Denn die vier Tore der zweiten Halbzeit haben nur ganz wenige Menschen überhaupt gesehen. Das Nebel-Drama von Dortmund ist dennoch unvergessen.

"Ich stand hinten in engem Kontakt mit Norbert Nigbur. Da haben wir uns schon gewundert, dass es immer weiterging. Man musste sich ja schon gegenseitig über den Spielstand informieren." Die Schalker Legende Klaus Fichtel wird diesen 12. November 1966 nie vergessen. Es war der Tag, als das Ergebnis plötzlich zur Nebensache wurde. Und das, obwohl das 6:2 bis heute einer der bemerkenswertesten Bundesliga-Siege des BVB über den FC Schalke 04 ist.

Doch wie es zu diesem Spielstand am Ende überhaupt genau gekommen ist - das weiß eigentlich niemand so präzise. Selbst Schiedsrichter Gerd Henning soll sich nicht bei allen Toren komplett sicher gewesen sein, auch wenn er sich stets bemühte, der Partie akkurat zu folgen: "Ich bin immer, wenn der Ball in den Nebel geschossen wurde, hinterhergelaufen und war schon da, als der Ball runterkam. Das war anstrengend, aber noch okay."

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Das siebte Bundesliga-Derby der beiden Revierklubs ist definitiv bis heute eines der kuriosesten und unvergesslichsten Spiele, die der BVB und der S04 gegeneinander je bestritten. Und dabei fing eigentlich alles völlig normal und harmlos an. Als Schiri Henning die Partie anpfiff, war die Rote Erde mit 43.000 erwartungsfrohen Zuschauern prall gefüllt. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass dieser Nachmittag noch zu einem gänzlich außergewöhnlichen Spektakel werden sollte. Doch zuerst spielte die Borussia, die wenige Monate zuvor den Europapokal nach Dortmund geholt hatte, gewohnt souverän und dominant auf. Sie war sogar so überlegen, dass es bereits nach 28 Minuten 4:0 für den BVB stand. Dreifacher Torschütze: Lothar "Emma" Emmerich. Und Schalke hatte dabei noch Glück gehabt. Es hätte schon zur Pause viel höher für die Borussia stehen müssen.

"Er ließ seinen Vorhang runter"

Doch dann passierte mitten in der Halbzeitpause das Außergewöhnliche, wie die "Westfälische Rundschau" später schrieb: "4:0 nach 45 Minuten, doch Petrus hatte ein Einsehen mit den Schalkern. Er ließ seinen Vorhang runter. Wie mit überdimensionalen Wattebäuschen bedeckte er die Szenen in der Kampfbahn Rote Erde." Eigentlich ein klarer Fall für den Schiedsrichter Henning aus Duisburg - sollte man denken. Doch der Mann in Schwarz war von dem so plötzlich eingetretenen Wetterumschwung genauso überrascht wie alle im weiten Rund.

Er entschloss sich, die Partie zur zweiten Halbzeit anzupfeifen, weil er "von der Mittellinie aus die Tore sehen" konnte. Heute muss man von einem Tor zum nächsten schauen können, doch damals galt noch diese alte Regel. Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. Denn der Nebel lichtete sich nicht, nein, er wurde von Minute zu Minute immer dichter. Die Spieler versuchten sich mit einem Trick zu helfen und den Ball immer dorthin zu spielen, wo es etwas heller war, doch im Grunde agierten beide Teams in den zweiten 45 Minuten eigentlich nur noch blind.

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Und so wurde diese Begegnung vom 12. November 1966 zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 zu einem Derby, das nicht nur die damals Anwesenden nie vergessen werden. Der BVB-Profi Theo Redder, der an diesem Tag verletzt nur zuschauen konnte, erinnert sich lebhaft: "Ich hatte einen Bekannten aus Wickede dabei, und wir haben uns kaputtgelacht, denn man sah überhaupt gar nichts mehr. Da war nur noch Nebel." Andere Besucher guckten nicht so geduldig auf das nicht mehr zu erkennende Spielfeld, wie die "Westfälische Rundschau" damals berichtete: "Verschiedene Leute gingen Bier trinken, andere bedauerten, dass sie kein Kartenspiel eingepackt hatten, und die Klügsten machten sich auf den Heimweg."

Schalke protestierte lieber nicht

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Nebel hin oder her, die Begegnung endete schließlich mit 6:2 für Borussia Dortmund. Wie die vier Tore in der zweiten Halbzeit allerdings genau fielen, wird wohl immer ein Geheimnis der wenigen, direkt in der Nähe stehenden Beteiligten bleiben. Denn viel weiter als ein paar wenige Meter konnte niemand mehr blicken. Und auch Schiedsrichter Henning soll sich das eine oder andere Mal auf das ehrliche Wort der Torleute verlassen haben.

Schalke überlegte an diesem verrückten Nachmittag nur kurz, ob es Protest gegen die Wertung des Spiels einlegen sollte, denn im Grunde waren sich alle Beteiligten vor Ort einig, dass der einsetzende Nebel sogar eher ein Glücksfall für die Königsblauen gewesen war. Ansonsten hätten die in der ersten Halbzeit so hochüberlegenen und zu der damaligen Zeit einfach viel besseren Borussen die realistische Chance gehabt, das Ergebnis noch viel unangenehmer für den S04 zu gestalten.

Und so wurde das Nebel-Drama von Dortmund zu einer unvergesslichen Legende - und zu einer Partie, bei der ausnahmsweise einmal das Resultat am Ende nur eine Randnotiz war. Denn wie hatte Klaus Fichtel doch so schön gesagt: Über den Spielstand musste man sich ja schon gegenseitig informieren!

Quelle: ntv.de

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