Redelings Nachspielzeit

Falko Götz verzauberte Hertha Der wundersame "Medizinmann" von Berlin

Unter Götz spielte Hertha "verrückt".

Unter Götz spielte Hertha "verrückt".

Vor zwanzig Jahren hat der deutsche Fußball über Nacht einen neuen Wundermann. Der ehemalige Profi Falko Götz übernimmt Hertha BSC interimsmäßig - und verzaubert mit seinem Fußball die Bundesliga. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken.

"Falko Götz kommt mir vor wie ein Medizinmann. Er holt etwas aus seinem Beutel raus, versprüht es - und plötzlich läuft es wieder bei Hertha BSC." Franz Beckenbauer war im März 2002 hin und weg vom neuen Berliner Trainer. Mit "Zauber-Videos" und "Hallo-Wach-Plakaten" - so ein ebenso begeistertes großes deutsches Sportmagazin - hatte Falko Götz die alte Dame Hertha quasi über Nacht wieder wachgeküsst. Im Februar erst hatte er von Jürgen Röber interimsmäßig den Posten des Chefcoachs übernommen. Für den Mann aus Rodewisch in Sachsen eine unverhofft tolle Sache: "Ich darf mich in der 1. Liga präsentieren. Das ist eine Riesenchance!"

Das stimmte. Doch es gab einen kleinen, aber nicht unerheblichen Haken bei seinem Engagement: Es war befristet bis zum Ende der Spielzeit. Zur neuen Saison hatte Manager Dieter Hoeneß bereits einen Nachfolger verpflichtet. Der Noch-Schalke-Trainer Huub Stevens sollte kommen. Und daran war auch nichts mehr zu rütteln. Auch wenn sich S04-Manager Rudi Assauer schon vor dem ersten Spiel des Niederländers für Berlin köstlich amüsierte: "Dort soll er immer im Anzug sitzen. Im feinen Zwirn auf der Bank. Ich sage: 'Stevens, du bist bekloppt. Wenn ich dich dann so sehe, lache ich mich kaputt.'"

"Hertha spielt verrückt"

Genau wie Beckenbauer es sagte, startete Götz für die Hertha furios. Nach drei deutlichen Siegen gegen den VfB Stuttgart, bei 1860 München und zu Hause gegen den 1. FC Kaiserslautern gab es erst im vierten Spiel unter dem Ex-Profi den ersten Punkverlust bei einem 1:1 in Köln. Die Bundesliga staunte über den Hauptstadt-Klub, der unter dem neuen Trainer nicht mehr wiederzuerkennen war. Über Nacht war Falko Götz zum neuen Wundermann des deutschen Fußballs geworden. Vielleicht lag es ein wenig an der besonderen Ausgangsposition ("Ich habe nichts zu verlieren"), doch viel mehr beeindruckte der ehemalige DDR-Flüchtling durch seine forsche und offensive Art des Fußballs: "Christoph Daum, unter dem ich in Köln spielte, sagte immer: Wir wollen nicht reagieren, sondern agieren. Das ist auch mein Grundsatz."

"Hertha spielt verrückt", lautete die Schlagzeile der Titelstory des "kicker" - der es ansonsten gerne schon einmal etwas nüchterner mag - am 25. März 2002. Und die Überschwänglichkeit des Fachmagazins hatte zu dieser Zeit seine volle Berechtigung. Nach dem Unentschieden in Köln war die Mannschaft von Götz erst so richtig explodiert. Nach einem 6:0 gegen den HSV, einem 3:0-Auswärtssieg bei verzweifelten Bremern und einem 2:0 zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg kannte die Euphorie in Berlin keine Grenzen mehr. Und das lag zu ganz großen Teilen auch am brasilianischen Duo Alex Alves und Marcelinho.

Besonders der 2012 viel zu früh verstorbene Alves blühte unter Götz förmlich auf: "Für mich war das Kapitel Berlin schon abgeschlossen. Dann kam Götz. Er hat viel mit mir geredet und mir den Spaß zurückgebracht." Und nicht nur den Spaß - sondern auch seine überragenden spielerischen Fähigkeiten. Gleich im dritten Spiel unter seinem neuen Trainer Falko Götz bereitete er beim 5:1 über Kaiserslautern vier Treffer vor. Und so ging es tüchtig weiter - obwohl Alves der neuen Situation immer noch nicht so ganz traute. So fragte er nur fünf Stunden vor dem HSV-Spiel bei Manager Dieter Hoeneß an, ob es möglich sei, über einen Wechsel zurück in seine Heimat zu sprechen. Doch Falko Götz glaubte trotz dieser zweifelhaften Aktion weiter an seinen wankelmütigen Star - und setzte ihn in der Partie gegen die Hamburger neunzig Minuten ein. Alves dankte es ihm.

"Armer Huub Stevens"

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Nur drei Monate durfte Götz damals in diesem irren Frühjahr 2002 auf der Bank der Hertha zeigen, was er konnte. Doch schon kurz nach dem Beginn seines Engagements munkelte man, dass er Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen der Bundesliga geweckt habe. Doch Götz schwor, mit keinem anderen Klub als der Hertha Kontakt zu haben. Damals gab es nicht wenige Experten, die diese Aussage als "Notlüge" bezeichneten. Doch tatsächlich: Obwohl er die Hertha in 13 Partien neun Mal zum Sieg und am Ende sogar noch auf Platz vier der Tabelle geführt hatte, endete das Abenteuer Bundesliga für Götz erst einmal im Sommer 2002.

Innerlich wird Manager Dieter Hoeneß den Abgang des Mannes aus Rodewisch in Sachsen sicherlich bedauert haben, doch an der verfahrenen Situation war nichts mehr zu ändern. Obwohl ganz Berlin Götz liebte, musste er seinen Posten räumen. Die "SportBild" schrieb stellvertretend für alle Hertha-Fans: "Es könnte so schön sein. Armer Huub Stevens …" Und tatsächlich sollte der Niederländer in Berlin nie ganz glücklich werden.

Falko Götz wird diesen unvergesslichen Ritt durchs Frühjahr 2002 nie vergessen. Er zählt ohne Zweifel zu den sportlichen Höhepunkten seiner Trainer-Karriere. Auch wenn er im Juli 2004 als Cheftrainer für knapp drei Jahre zu der Hertha zurückkehrte - so intensiv, dynamisch und erfolgreich ist es danach nie wieder für ihn gelaufen. Am heutigen Samstag feiert Götz genau zwanzig Jahre nach seinen irren Monaten als Interimstrainer bei Hertha BSC seinen 60. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber "Medizinmann" Falko Götz.

Quelle: ntv.de

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