
Arsène Wenger blieb 22 Jahre beim FC Arsenal.
(Foto: imago images/Colorsport)
Als Arsène Wenger im Herbst 1996 nach London kommt, ahnt niemand beim FC Arsenal, dass sie nun erst einmal unglaubliche 22 Jahre keinen neuen Trainer mehr suchen müssen. Der Franzose prägt den Klub wie kein Zweiter. Seine Geschichten und Anekdoten sind legendär.
"Wenn Sie ihre Spieler etwa aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse dazu anhalten, am Vorabend des Spiels ein Steak zu essen, und der Gegner hat Lionel Messi in seiner Elf, dann werden Sie auch mit zwei Steaks geringere Siegchancen haben als der Gegner", hat Arsène Wenger einst gesagt - und man könnte deshalb wohl meinen, dass die französische Trainer-Legende des FC Arsenal genau deshalb auch nicht allzu viel Wert auf die Ernährung seiner Spieler gelegt hätte. Doch da täuscht man sich. Denn aus seiner Zeit in London ist auch ein legendärer Schlachtruf seiner Profis übermittelt. Als Wenger damals seinen Starspielern Zucker untersagte, skandierte der komplette Teambus irgendwann nach einem Spiel geschlossen und frustriert Richtung Trainer: "Wir wollen unsere Schokolade zurück."
Doch man muss beim Franzosen berücksichtigen: Für Arsène Wenger war damals im Herbst 1996 der Einstieg bei Arsenal erst einmal ein Kulturschock, wie er später immer noch irritiert, aber mittlerweile eher belustigt erzählte: "Als ich in der Premier League ankam, war ich erstaunt, dass die Spieler am Vorabend der Partien ausgingen. Manche gingen fröhlich tanzen. In Frankreich und Deutschland hätte man gesagt: So können die unmöglich spielen. Sie konnten es doch." Es sollte in all den Jahren in England nicht das einzige Mal bleiben, dass der Franzose die vorherrschenden Sitten und Gebräuche der Spieler mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis nahm.
Wenger und die "Intelligenzbrille"
Doch da der gemeinsame Erfolg damals recht schnell eintrat, musste sich Wenger nicht allzu viele Gedanken über die kulturellen Unterschiede machen. "Der neue Trainer hat uns einen unglaublichen Glauben gegeben", meinte Paul Merson damals kurz nach der Übernahme Wengers bei Arsenal - und musste dann aber selbst nur wenige Monate später seinen Heimatklub verlassen. Tatsächlich war es genau so ein Spieler wie Merson, den Wenger damals mit seinem Statement meinte. Trotz seiner eingestandenen Alkohol- und Kokainsucht lieferte Merson auch bei Wenger seine Leistung ab.
Ein anderer Spieler und Leistungsträger, der später seine Alkoholsucht öffentlich machte, war unter Wenger Tony Adams. Der englische Nationalspieler war anfangs alles andere begeistert von seiner Verpflichtung: "Ich soll von einem Franzosen trainiert werden? Ihr wollt mich veräppeln, oder?". Später einmal sagte er: "Als Arsène zu Arsenal kam, haben wir ihn erstmal Clouseau genannt und anschließend Windows, wegen seiner Intelligenzbrille."
Doch all die kritischen Stimmen und Vorbehalte hatten sich spätestens am 3. Mai 1998 erledigt. Arsenal hatte sich den Meistertitel in der englischen Premier League gesichert. Insgesamt sollte der Franzose bis zum Ende seiner Dienstzeit in London dreimal diese Trophäe holen - unter anderem in der Spielzeit 2003/2004, als seine Mannschaft an sämtlichen 38 Spieltagen ungeschlagen blieb. Zudem gewann er siebenmal den FA-Cup. Und dabei erkannte man bei jedem seiner Teams die Handschrift ihres Coachs, getreu dem Motto von Arsène Wenger: "Bisher war noch jede Mannschaft, die ich habe spielen sehen, das Spiegelbild der Persönlichkeit ihres Trainers." Wenger verriet einmal, was sein persönliches "Geheimrezept" war: "Ich erlaube den Spielern eine bestimmte Anzahl von Wahlmöglichkeiten, was sie mit dem Ball machen können. Dann entscheiden sie selbst, ob sie ihn zu dem oder zu dem passen. Und wenn der Empfänger nichts daraus macht, spielen sie das nächste Mal woanders hin. So wird das Spiel zum Lehrer."
Wenger stichelt auch gegen Ferguson
Legendär waren in seiner Zeit bei Arsenal auch seine Auseinandersetzungen mit anderen Trainern. So meinte Wenger einmal über den ewigen Coach des Konkurrenten Manchester United, Alex Ferguson: "Seine Schwäche ist, dass er denkt, er hätte keine." Beiläufig erwiderte der Schotte Ferguson schließlich in einem stillen Moment die Stichelei seines Kollegen und äußerte sich vor der Presse zu Wenger: "Man sagt, er sei ein intelligenter Mann, stimmt's? Spricht fünf Sprachen. Ich habe einen 15-jährigen Burschen von der Elfenbeinküste, der fünf Sprachen spricht!" Damit war alles gesagt.
Und auch mit José Mourinho, als dieser beim Stadtrivalen FC Chelsea beschäftigt war, ließ sich Wenger auf manch verbales Scharmützel ein - was der Portugiese allerdings trefflich in seiner speziellen Art zu kontern wusste: "Ich denke, dass er einer dieser Gaffer ist. Er mag es, anderen Menschen zuzuschauen. Da gibt es einige Menschen, die, wenn sie zu Hause sind, durch große Teleskope schauen, um zu sehen, was andere Familien so machen. Er redet und redet und redet über Chelsea." Vermutlich hatte Mourinho übrigens nicht ganz unrecht mit seiner Einschätzung, denn Wenger erzählte selbst einmal folgende fast schon unglaubliche Geschichte: "Wir haben Cesc Fàbregas sogar beim Training in Barcelona zugeschaut. Wie ich das gemacht habe? Mit einem Hut und einem Schnäuzer."
Ibrahimovic ist fassungslos
Einen Spieler machte der Franzose aber einst richtig wütend - ohne dass der spätere schwedische Superstar auch nur einmal für Arsenal auflief. Zlatan Ibrahimovic selbst hat einmal erregt von der folgenden Begebenheit berichtet: "Arsène gab mir das berühmte rot-weiße Trikot mit der Nummer neun und meinem Namen darauf. Ich war so begeistert, dass ich damit sogar für ein Foto posierte. Er machte mir nie ein ernstes Angebot, er sagte mir sogar: 'Ich will sehen, wie gut du bist und welche Art Spieler du bist. Mache ein Probetraining.' Ich konnte es nicht glauben. Ich dachte: 'Kommt nicht infrage, ein Zlatan Ibrahimovic macht kein Probetraining.'" Und so scheiterte damals der Transfer des Schweden von Malmö FF zu Arsenal.
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Noch zwei Jahre bevor der Franzose nach fast 22 Jahren im Sommer 2018 seine Zeit in London beendete, sagte Wenger: "Ruhestand? Ja, das geht mir manchmal durch den Kopf - aber nicht länger als fünf Sekunden, weil ich dann Panik bekomme. Als wir bei Manchester United gespielt haben, habe ich mich mit Sir Alex Ferguson getroffen. Ich sagte: 'Come on. Vermisst du es nicht?' Er meinte: 'Nein!' Er hat genug gehabt. Er geht zu jedem Spiel. Aber er hat Pferde. Ich habe keine Pferde."
Die hat Arsène Wenger wohl immer noch nicht. Dafür mittlerweile ein echtes Denkmal. Direkt am Stadion, dem Ort seiner Heldentaten. Die Bronzestatue ist ganze 3,5 Meter hoch und wiegt etwa eine halbe Tonne. Sie zeigt den langjährigen ehemaligen französischen Trainer von Arsenal beim Hochrecken der Premier-League-Trophäe. Sein früherer Verein ließ bei der Enthüllung verlauten: "Arsène beschenkte den Klub und seine Fans mit vielen Trophäen und fantastischen Erinnerungen und sorgte für eine Revolution in der Führung des Vereins." Besser kam es nicht sagen. Nun feiert die französische Trainer-Legende an diesem Dienstag seinen 75. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und Glück auf, lieber Arsène Wenger!
Quelle: ntv.de