
Mit Vollspeed reingerauscht.
(Foto: imago/PanoramiC)
Nicht wenige Spiele zwischen Deutschland und Frankreich bei großen Turnieren sind in Erinnerung geblieben. Das böse Foul von Schumacher gegen Battiston, die verrückte Rettungsaktion von Höwedes und die vier Tore des Franzosen Fontaine. Legendäre Szenen, die Vorfreude auf mehr machen.
Die Aktion von Benedikt Höwedes im Halbfinale der EM 2016 im Spiel gegen Frankreich trägt völlig zurecht den Beinamen: "Mutter aller Grätschen". Wie der damalige Schalker dem entrückten Stürmer der Franzosen, Olivier Giroud, im Vollsprint im Stile eines Usain Bolt auf Rekordjagd über das halbe Feld hinterherhechelte, war bereits filmreif. Als Höwedes dann aber auch noch im eigenen Strafraum die irre Chuzpe besaß, sich mit diesem verrückten Speed ohne abzubremsen auf den Boden und in die Schussbahn von Giroud zu schmeißen und den Ball im letzten Moment abzufangen, das hatte dann bereits etwas Surreales.
Den Millionen deutschen Fans vor den Bildschirmen und den Tausenden im Stadion blieb nichts anderes übrig, als es Benedkit Höwedes im nächsten Moment gleichzutun: Nach seiner Aktion sprang er auf und feuerte sich selbst emotional außer Rand und Band an. Zu diesem Zeitpunkt stand es noch 0:0. Alles war möglich - und die "Mutter aller Grätschen" hatte noch die Hoffnung auf den Finaleinzug für den Augenblick hochgehalten. Höwedes hätte zum Helden des Spiels, seine Aktion eine Legende für die Ewigkeit werden können, doch nur wenige Minuten später, kurz vor der Pause, bekam Bastian Schweinsteiger die Kugel im Kopfballduell gegen Evra an die Hand - und Schiedsrichter Nicola Rizzoli aus Italien zeigte auf den Punkt.
Am Ende schoss Antoine Griezmann an diesem Tag zwei Tore und wurde mit insgesamt sechs Treffern Torschützenkönig des Turniers. Die EM 2016 ging dann schließlich aber doch nicht an den Gastgeber Frankreich, sondern an den doppelt weinenden Superstar Cristiano Ronaldo und seine Portugiesen.
"Ich habe zwei Minuten lang keinen Puls gefühlt!"
Das Duell der beiden großen Fußballnationen Deutschland und Frankreich weckte jedoch trotz der imponierenden Grätsche von Höwedes schon häufiger deutlich mehr Emotionen hervor als diese Halbfinal-Partie bei der EM 2016. Doch nicht immer waren diese Gefühle erfreulicher Natur. Besonders nachhaltig ist noch immer das Spiel der beiden Weltmeisternationen bei der WM 1982 in Spanien in Erinnerung. Damals stieß der Franzose Patrick Battiston mit dem deutschen Torhüter Harald "Toni" Schumacher zusammen. Ältere Zuschauer werden angesichts der Bilder des vergangenen Wochenendes in Kopenhagen vom Dänen Christian Eriksen an die dramatischen Augenblicke dieses Abends im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán von Sevilla erinnert worden sein.
Frankreichs Mannschaftsarzt dachte an diesem 08. Juli 1982 tatsächlich sein Spieler Patrick Battiston wäre tot: "Ich habe zwei Minuten lang keinen Puls gefühlt!". Bewusstlos lag der Franzose ausgestreckt und regungslos auf dem Boden. Kurz zuvor war der deutsche Keeper Toni Schumacher aus seinem Tor gestürzt und hatte wenige Meter vor der Strafraumlinie Battiston umgerannt. Ohne abzubremsen und ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Zusammenprall, bei dem man schon beim Zuschauen lieber sofort wieder wegblicken möchte. Schumacher sagte am nächsten Tag: "Das ist das harte Profigeschäft mit allen Risiken. Mich hätte es auch erwischen können." Genau diese scheinbare Kaltblütigkeit war es, die viele Beobachter am Abend zuvor beim Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Frankreich bei der WM 1982 in Spanien erschreckte und fassungslos zurückließ.
Ein anderes Zitat des deutschen Keepers von diesem Abend ist mittlerweile eine Legende: "Dann zahl' ich ihm eben seine Jacketkronen." Später hat Schumacher einmal gemeint, dass er damit habe ausdrücken wollen, wie erleichtert er darüber gewesen wäre, dass nicht mehr passiert sei und ihm deshalb dieser lockere Spruch über die Lippen gekommen sei.
Der Abend endete mit dem ersten Elfmeterschießen bei einer Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt. Karl-Heinz Rummenigge meinte damals: "Als ich da so allein im Mittelkreis stand, kurz vor dem Schuss, dachte ich, mir schwimmt jeden Moment das Herz weg." Doch es ging gut. Und auch sein Teamkollege Paul Breitner sagte nach dem Spiel einen denkwürdigen Satz: "Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief's ganz flüssig." Und tatsächlich: Auch Breitner traf. Deutschland zog nach einem 3:3 nach 120 Minuten und einem 5:4 im Elfmeterschießen ins Finale ein. Im Endspiel unterlag man anschließend jedoch Italien.
Fontaines irre 13 Tore
Ähnlich chancenlos wie im Endspiel der WM 1982 war die deutsche Elf auch bei der WM 1958 in der Partie um den dritten Platz gegen Frankreich. Nach 90 Minuten stand es in Göteborg 6:3 für die Franzosen. Alleine vier Treffer hatte an diesem Tag der Stürmer der Équipe Tricolore, Just Fontaine, beigesteuert. Seine 13 Tore von damals sind eine bis heute gültige Bestmarke bei Fußball-Weltmeisterschaften.
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Die arg dezimierte deutsche Elf - Seeler war angeschlagen, Fritz Walter hatte einen dicken Knöchel und Torhüter Fritz Herkenrath war komplett spieluntüchtig - wehrte sich erstaunlich gut gegen die zuvor so stark aufspielenden Franzosen. Es entwickelte sich nach dem früheren Führungstreffer durch Fontaine eine durchaus muntere Partie. Doch Deutschland war nicht mehr das Deutschland der WM 1954 und gerade die ausländische Presse reagierte darauf mit Hohn und Spott: "Ihr spielt ja Rugby!" Die abfälligen Kommentare sollten an diesem Tag auch das Publikum und den Schiedsrichter Brozzi aus Italien beeinflussen. Und das sollte Folgen haben.
Denn das "böseste Foul der Weltmeisterschaft" beging kein Deutscher, sondern ein Franzose - und der Schiri wollte anschließend nichts gesehen haben. Raymond Kopa war Karl-Heinz Schnellinger mit voller Absicht von hinten in die Beine gesprungen, doch Brozzi meinte, als sich die deutschen Spieler zurecht beschwerten, seine Augen wären der Flugbahn des Balls gefolgt und deshalb hätte er von dieser groben Unsportlichkeit nichts mitbekommen.
Am Ende sollte diese Szene schließlich auch nicht spielentscheidend gewesen sein. Genau wie 58 Jahre später die wunderbare und überaus faire Aktion von Benedikt Höwedes nicht. Und dennoch wird die "Mutter aller Grätschen" auch noch in vielen Jahren den Fußballfans in Erinnerung geblieben sein. Mal schauen, woran wir uns nach der heutigen Partie zwischen Frankreich und Deutschland in Zukunft erinnern werden? Viel Vergnügen!
Quelle: ntv.de