Redelings Nachspielzeit

Redelings über irre Transfers Die verschwundenen Urnen von Schalke

Brasilianer trifft Weltmeister: Der Fast-Schalker Marinho gratuliert am 7. Juli 1974 Berti Vogts zum Titelgewinn.

Brasilianer trifft Weltmeister: Der Fast-Schalker Marinho gratuliert am 7. Juli 1974 Berti Vogts zum Titelgewinn.

Das Aubameyang-Abenteuer entwickelt sich zur Never-Ending-Story. In der Transfer-Zeit werden eben viele wuschig. Das war aber schon immer so. Deshalb hier nun die besten Transfer-Geschichten aus 55 Jahren Fußball-Bundesliga.

Um das Transfer-Hin-und-Her rund um den Gabuner und Bis-jetzt-noch-Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang als "irre" zu bezeichnen, muss man nicht einmal bei einer Boulevard-Zeitung arbeiten. Und nachdem das Transfertheater, das sich der Nun-doch-nicht-mehr-Kölner Anthony Modeste und seine Berater wochenlang in feinster Ping-Pong-Rundlauf-Manier mit den Chinesen und den Domstadt-Jecken geliefert haben, endlich beendet ist, scheint sich das Spektakel um Aubameyang noch hinzuziehen. Zeit genug also, um sich gemeinsam an andere amüsante Transfergeschichten aus über fünfzig Jahren Fußball-Bundesliga zu erinnern.

Herrlich schräg begann die Saison 2000/2001: Andreas Möller wechselte von Borussia Dortmund zum Erzrivalen FC Schalke 04. Ein Transfer, der weit über das gewöhnliche Maß hinaus für Furore sorgte. BVB-Manager Michael Meier sagte damals mit einem verschmitzten Lächeln: "Möller hat mit seinem Berater bei uns um mehr Geld gepokert, gleichzeitig gesagt, er stünde bei einem anderen Klub im Wort. Dann hat er offenbart, dass er nach Schalke gehen will. Wir haben ihm nicht gesagt, dass er bekloppt ist. Aber gedacht haben wir es schon."

Böses Foul: Rafael van der Vaart.

Böses Foul: Rafael van der Vaart.

  Und wer erinnert sich nicht an dieses Foto aus dem Sommer 2007? Nur zwei Jahre zuvor gab es noch andere Bilder. Vor Dutzenden Kamerateams, Fotografen und Journalisten war die Ankunft des Niederländers Rafael van der Vaart mit seiner Frau Sylvie in der Hansestadt zelebriert worden. Nun sorgte plötzlich ein schlichtes Wohnzimmerfoto für fast noch mehr Aufmerksamkeit. Hamburgs Kapitän hatte sich kurz vor dem Start der neuen Saison mit dem Trikot des spanischen Erstligisten Valencia CF ablichten lassen. Der Niederländer wollte unbedingt einen Wechsel nach Spanien erzwingen. Dafür war van der Vaart sogar dieses böse Foul an den HSV-Fans Recht.

Voller Pathos erklärte der niederländische Nationalspieler: "Wenn ich in Hamburg bleiben muss, werde ich Schmerzen haben. Ich hoffe, Valencia kämpft um mich." Er war auf jeden Fall zu einer Schlacht gegen den HSV bereit: "Ich werde dafür kämpfen, dass das mein Trikot wird. Ich denke weiter, dass ich bei Valencia spielen werde. Ich werde vor dem 1. September da sein." Um für Valencia international spielberechtigt zu bleiben, meldete sich van der Vaart vor dem Qualifikationsspiel zum Uefa-Cup des HSV bei Honved Budapest krank. Er habe sich einen Hexenschuss beim Heben seines Kindes geholt, ließ er ausrichten. Am Ende zerschlug sich der Wechsel nach Spanien. Van der Vaart blieb noch diese eine Saison in Hamburg und wechselt schließlich nach der Spielzeit zu Real Madrid.

Müllabfuhr holt die Urnen ab

Rund dreißig Jahre zuvor wollte der FC Schalke 04 den Fans einen echten Kracher präsentieren und hatte sich dafür nach der Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land den blonden Verteidiger Marinho aus Brasilien ausgeguckt. Ein echter Lebemann war das und einer fürs Auge. Die königsblauen Fußballdamen waren von dem Sonnyboy schon ganz begeistert. Doch noch war er nicht verpflichtet. Da sein Transfer nicht billig werden würde und die Schalker wie immer sehr knapp bei Kasse waren, sollten die Anhänger über den Wechsel entscheiden.

Leider abgelehnt: Marinho aus Brasilien.

Leider abgelehnt: Marinho aus Brasilien.

Beim Spiel gegen die Bayern wurden so 70.000 Fans aufgefordert, auf einem Stimmzettel ihr Kreuzchen machen. Man stellte Urnen an den Ausgängen auf, und nachdem alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hatten, fuhr man die Behälter auf die klubeigene Geschäftsstelle. Doch Schalke wäre nicht Schalke, wenn man nun in aller Seelenruhe die Zettel gezählt und anschließend das Ergebnis vor der versammelten Presse bekannt gegeben hätte. Nein. Noch bevor überhaupt irgendjemand die Wahlzettel zu Gesicht bekommen hatte, waren diese bereits mitsamt der Urnen von der Müllabfuhr abgeholt worden. Das erfuhr natürlich zunächst niemand. Da der Transfer jedoch ohnehin die Schalker Finanzen überstiegen hätte, verkündeten Charly Neumann und Günter Siebert unisono mit gespielter Unschuldsmiene: "Mit knapper Mehrheit wurde Marinho von den Zuschauern abgelehnt."

Schachern um Rainer Bonhof

Ein wahres Transfer-Spektakel gab's am 9. Juli 1976 in Mönchengladbach. Valencia CF wollte unbedingt den Nationalspieler Rainer Bonhof verpflichten. Es kam es zum Showdown. Bonhof: "Plötzlich geht bei mir das Telefon und zwei Herren teilen mir mit, dass sie mit den Taschen voller Geld in Düsseldorf sitzen und auf mich warten." Und der Gladbacher ließ sie dort warten. Währenddessen meldete sich der FC Bayern in Person von Trainer Dettmar Cramer: "Sagen Sie zu! Wir haben die 2,5 Mio. für Borussia hier und versprechen Ihnen, dass Sie in drei Jahren Millionär sein werden."  Doch auch die Bayern hielt Bonhof hin.

Er ging stattdessen zu seinem Gladbacher Manager helmut Grashoff und fragte ihn: "Können Sie mir nicht noch irgendetwas draufgeben, vielleicht etwas nebenbei?" Grashoff war verzweifelt und das Innenfutter seiner Taschen komplett leer. Aber er hatte eine Idee. Da die Münchner in Adidas-Kleidung aufliefen, rief er bei Puma an. Und siehe da: Die öffneten großzügig ihre Schatulle und statteten Bonhof mit einem üppig honorierten Zusatzvertrag aus. Die Spanier verließen verbittert am Abend den Düsseldorfer Flughafen - mit dem festen Plan, den Gladbacher eines Tages doch noch nach Valencia zu locken. Schon zwei Jahre später sollten sie mehr Erfolg haben.

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Und wie geht es nun beim BVB und bei Aubameyang weiter? Die Taktik, die Leverkusens Manager Reiner Calmund 1991 bei einem Transfer seines Spielers Knut Reinhardt nach Dortmund wählte, scheint auch für den BVB - zumindest vorerst - zu passen: "Ich spiele jetzt Frosch und warte auf die Mücken."

In dieser Woche erscheint das neue Buch unseres Kolumnisten Ben Redelings: "55 Jahre Bundesliga - das Jubiläumsalbum" bei Amazon bestellen. Außerdem ist er gerade mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour

Quelle: ntv.de

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