Redelings Nachspielzeit

Redelings über Horst Hrubesch "Keine Angst, die köpf' ich alle weg!"

Horst Hrubeschs große Leidenschaft ist das Angeln. Er hat's halt einfach drauf ...

Horst Hrubeschs große Leidenschaft ist das Angeln. Er hat's halt einfach drauf ...

(Foto: imago/Strussfoto)

Die Nachwuchsspieler verehren ihn, die älteren Fußballfans schwärmen immer noch von dem ehemals so erstklassigen Stürmer. Jetzt feiert Horst Hrubesch seinen 66. Geburtstag - und will von der Rente noch lange nichts wissen!

Die Tage brillierte der gebürtige Hammer an einem launigen Sportler-Abend in Hannover. Mit viel guter Laune erzählte Hrubesch aus seinem Leben. Und schnell wurde den Menschen im Saal klar: Das Feuer brennt bei dem Mann, der den Begriff "Vollblutfußballer" aufs Vortrefflichste mit Leben füllt, noch lichterloh. Und so heißt es wie in Udo Jürgens' Liedklassiker auch bei dem ehemaligen Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft: Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss!

Viele Jahre bevor Horst Hrubesch seine Erfolge (EM-Titel mit der U19 und Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2016) als Nachwuchstrainer feierte, begeisterte er die Bundesligaanhänger mit seinen Qualitäten als klassischer Stoßstürmer. Bayern-Torwart Sepp Maier war von den herausragenden Fähigkeiten des Nationalspielers überaus angetan: "Der Hrubesch wird der erste Spieler in der Bundesliga sein, dem es gelingt, einen Freistoß aus 30 Metern mit dem Kopf zu verwandeln." Etwas eingeschränkter, aber dennoch positiv fiel das Fazit von seinem ehemaligen RWE-Mannschaftskameraden Manfred Burgsmüller aus. Der sagte zwar auch mal über "Hotte", "Der Lange steht nur im Weg", doch ansonsten fand er nur lobende Worte: "Der konnte gar nicht geradeaus laufen, aber Flanken hat der mit dem Kopf aus zwanzig Metern reingehauen".

Vor vierzig Jahren kam Horst Hrubesch in der Saison 1977/78 endgültig groß raus. In 35 Spielen schoss er unglaubliche 42 Tore für Rot-Weiss Essen. Zuvor war er nach Probeeinheiten in Dortmund und Bochum noch als ungeeignet weggeschickt worden. Im Essener Volksmund wurde er damals schnell "Das lange Ungeheuer" genannt. Später wurde er nach seiner Spezialität in "Kopfballungeheuer" umgetauft. Doch Horst Hrubesch konnte mit beiden Bezeichnungen anfangs nicht wirklich viel anfangen: "Ich bin erstens nur 1,86 m groß und zweitens hat das Wort Ungeheuer etwas Negatives an sich. Und ich bin doch nun weiß Gott kein Unmensch!"

Hennes Weisweiler Fan vom Stürmer

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Es lief rund beim Kopfballungeheuer, und deshalb hatte Sturmpartner Willi Lippens ("Wie heißt der eigentlich? Rehbusch oder so?", über Hrubesch nach dem ersten Training) schon vor einem Spiel der Essener bei Bayer Uerdingen richtig gute Laune. Den gegnerischen Kapitän Paul Hahn fragte er lächelnd: "Na, habt ihr denn auch eure 'Has'-hüpf'-Übungen im Sandkasten absolviert, um so hoch wie Hrubesch zu springen?" Offensichtlich nicht. Denn der Lange schob nach zwei Treffern im Hinspiel auch dieses Mal einen Ball mit dem Kopf ins Tor. Allerdings nach einem Flachpass. Woraufhin wieder die "Ente" auf den Plan trat und grinsend sagte: "Der köpft nächstens auch noch, wenn der Ball unterhalb der Grasnarbe ankommt!"

Kölns Hennes Weisweiler achtete Hrubesch Vorzüge sehr - und zeigte seine eigenen Qualitäten als Trainerfuchs, als er den guten Ruf von Hrubesch für einen kleinen Trick gebrauchte. Als sein Stürmer Dieter Müller eine Schwächephase durchlebte, bat der FC-Coach einen Journalisten höflich darum, zu schreiben, dass er in Essen auf der Tribüne gesehen worden sei. Der Journalist schaute Weisweiler irritiert an und kratzte sich verwundert am Kopf. Da erklärte Weisweiler: "Wenn das der Dieter Müller liest, denkt er an den Horst Hrubesch und läuft wieder ein paar Schritte schneller!"

"Ich bin einer für zu Hause!"

Nach dem Abstieg von Rot-Weiss wollte Hrubesch wechseln. Und so saß er eines Tages schon im Zug nach München. 1860 hatte großes Interesse bekundet und dem Torjäger eine 1. Klasse-Fahrkarte nach Essen geschickt. Am Bahnhof ermahnte ihn seine Frau, dass er ja noch nichts unterschreiben solle. Doch soweit kam es erst gar nicht. Kurz hinter Düsseldorf begann Hrubesch nachzudenken. In Köln stand sein Entschluss dann bereits fest und in Bonn wechselte er den Zug – und fuhr wieder zurück nach Essen. Der Presse dort sagte der leidenschaftliche Fischer und Angelbuchautor den wunderschönen Satz: "Ich bin einer für zu Hause!"

Als er dann doch wegging, erlebte er eine wunderbare, von Erfolgen geprägte Zeit beim HSV. Eine Meisterfeier mit den Hanseaten wird Hrubesch nie vergessen. 1982 erwies sich der englische Doppeldeckerbus als altersschwach und wollte nicht anspringen. Als er dann endlich fuhr, warf ihn gleich die erste Anhöhe aus der Bahn. Das Team dachte: Hilft ja alles nichts, also, alle HSV-Profis raus, das Gefährt anschieben. Doch nach wenigen Metern war klar, hier ging nichts mehr. Ein Traktor tuckerte zu Hilfe und zog den Bus durch die Straßen. Trainer Ernst Happel sagte damals gewohnt argumentativ trocken: "Hätten wir während der Saison auch immer solche Schwierigkeiten gehabt, wieder übern Berg zu kommen, wären wir jetzt nie Meister!" Und als dann auch noch die Ampeln plötzlich zu tief hingen und ein besorgter Polizist die Profis warnte, meinte Horst Hrubesch nur: "Keine Angst, die köpf' ich alle weg!" Da störte es am Ende auch nicht mehr, dass einige Jacketts nach einem Eier-Wurf von Punkern geopfert werden mussten. Eins der Eier bekam Hrubesch auch noch direkt vor die Stirn. Seine Mannschaftskollegen grinsten: "Mensch, Horst, jetzt ist aber auch mal gut. Du musst doch nicht alles mit dem Kopf nehmen."

Als Trainer zeigt er es den Jungen

Nach seiner Spielerkarriere wechselte Hrubesch an die Seitenlinie. Anfangs mit medialem Gegenwind. Doch Teamchef Erich Ribbeck fand deutliche Worte, als die Kritik an seinem Assistenten, dem gelernten Dachdecker, laut wurde: "Es ist für mich nicht wichtig, ob einer gelernter Dachdecker oder Anstreicher ist. Wichtig ist, ob er mit Spielern umgehen kann." Und dass er das kann, bewies er spätestens 2009, als er die U-19 zum Europameistertitel führte. Manuel Neuer schwärmte nach den Wochen mit Hrubesch in den höchsten Tönen: "Dieser Trainer war wie ein Freund, er hat uns angeschnauzt und sofort wieder aus dem Dreck gezogen, so habe ich das noch nie erlebt."

Und wenn es im Training einmal nicht so gut klappte, ging Hrubesch eben wie früher selbst in den Strafraum. Nachdem sich die Stürmer beschwert hatten, dass die Außen die Flanken zu ungenau schlagen würden, stellte sich der Ex-Torjäger an die Fünfmeterlinie und netzte 9 von 10 Bällen kurzerhand ein. Hinterher ging er zu seinen Stürmern: "Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Sind doch in Ordnung die Flanken!"

Der Wechsel auf den ehemaligen Posten von Hansi Flick kam für viele überraschend. Doch Hrubesch ist begeistert: "Die Arbeit als Sportdirektor beim DFB ist die ideale Position für mich." Und so wird der Renteneinstieg auch mit 66 Jahren noch etwas nach hinten verschoben. Die Fußballfans, jung und alt, freut es. Und so sagen sie im Gedenken an die unvergessene Abschiedsszene von Horst Hrubesch dereinst in Hamburg nur dieses eine Wort: "Herzlichen Dank!"

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Quelle: ntv.de

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