Redelings Nachspielzeit

Redelings zum Tag der Trinkhalle Pils und Korn für Schalke 04

Im Volksmund sagt man Bude, auf Schalke heißt es Trinkhalle.

Im Volksmund sagt man Bude, auf Schalke heißt es Trinkhalle.

(Foto: imago sportfotodienst)

Im Ruhrgebiet sind Trinkhallen und Fußball eine Einheit. Niemand weiß das besser als der ehemalige HSV-Kapitän Willi Schulz. Der Nationalspieler kommt aus Wattenscheid-Günnigfeld - und hat im Pott eine ganz spezielle Geschichte erlebt.

Das Ruhrgebiet lässt am Samstag wieder einen ganz speziellen Ort hochleben: die Trinkhalle. Besser bekannt auch unter (Klümpchen-)Bude. Zwischen Wesel und Beckum und Haltern und Witten laden am Tag der Trinkhallen 50 Buden ihre Gäste bei einem kulturellen Programm zum Verweilen und Klönen ein. Und wer im Ruhrgebiet groß geworden ist, der weiß: Bude und Fußball sind eine Einheit. Keine Geschichte erzählt das besser, als die des Ex-Nationalspielers Willi Schulz. Ein Mann, der in Wattenscheid-Günnigfeld geboren und aufgewachsen ist.

Schulz ist erfolgreicher Fußballer und ein sensationeller Geschäftsmann.

Schulz ist erfolgreicher Fußballer und ein sensationeller Geschäftsmann.

Als Sohn eines Gastwirts betrieb Schulz am Anfang seiner Spielerkarriere selbst auch ein Bierlokal, aber nachdem er 1965 zum hanseatischen Vorzeigeklub Hamburger SV gewechselt war, erschien ihm das ehemalige Leben und die alte Heimat offensichtlich nicht mehr fein genug: "Weisse, im Pott gehse inne ordinäre Kneipe. Anne Theke stehnse sich die Füße platt und saufen Pils und Korn. Hier abba sitzte schön auffe Wildledersofa und trinks Tschinn und Tonnick."

In Hamburg kaufte sich Schulz in ein bekanntes und geschätztes Etablissement auf der Reeperbahn ein. Der Werbespruch des "Hotel Lausen" lautete damals: "Die internationale Damenwelt erwartet Sie!" Dorthin lud der HSV-Mannschaftskapitän gerne ein. Unten gab es in angenehmem Ambiente Tanz und Torten und oben die offerierte internationale Damenwelt. Anfangs verstanden einige Teamkameraden die Einladungen von Schulz noch falsch – sie ließen es sich auch oben auf Kosten ihres Kapitäns gutgehen. Doch diesen Zahn zog ihnen der geschäftstüchtige Junge aus dem Ruhrgebiet schnell. Er selbst beehrte seine Lokalität allerdings nur selten: "Ich betrete sie nur zum Abkassieren."

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Bei Willi Schulz sollte es von Anfang an ständig nach vorne, nach oben gehen. Bereits vor seinem Wechsel 1960 zum FC Schalke 04 streifte er dreimal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft über. Fast unglaublich, wenn man bedenkt, dass sein Verein damals in der drittklassigen westfälischen Staffel 2 spielte. Dass er später nach seinem Transfer zum HSV überhaupt noch laufen konnte, muss wahrscheinlich all jene verwundert haben, die damals noch jedes Wort eines Bundesligaprofis auf die berühmte Goldwaage legten. Denn als seine Wechselabsichten bereits in den Sportzeitungen der Region standen, posaunte der kesse Willi Schulz mit aufgeblasenen Backen ein unsterbliches Zitat in die Welt hinaus: "Ehe ich von Schalke weggehe, lasse ich mir beide Beine abhacken."

"Dat war mich egal"

Die Fans nahmen ihrem Willi diesen Treueschwur sehr übel. Man entschloss sich, es Willi Schulz gehörig heimzuzahlen. Und so machten sich die Anhänger zu Dutzenden auf den Weg nach Wattenscheid, zur Kneipe ihres rechten Außenläufers. Dort angekommen, setzen sie sich demonstrativ mit der aufgeschlagenen Zeitungsmeldung über den Transfer zum HSV auf die Stühle in und vor der Gaststätte. Doch anstatt ihr Bier an Ort und Stelle zu ordern, gingen die Fans immer wieder geschlossen hinüber auf die andere Straßenseite zu einer Trinkhalle und versorgten sich dort in rauen Mengen mit den benötigten Getränken.

Mit der flüssigen Nahrung in der Hand machten sie sich nun, wie gewohnt, in den Räumlichkeiten ihres Idols breit und freuten sich diebisch über ihre gelungene Aktion. Sie jubelten, tanzten und sangen einen Schalker Evergreen nach dem nächsten. Von überall her strömten die Leute herbei, erwarben ihre Getränke in der gegenüberliegenden Trinkhalle und feierten ein riesiges Fest.

Es dauerte nicht lange, und die alarmierte Presse rannte sensationslüstern zu Willi Schulz, um ihm die dramatische und finanziell sicherlich nicht unerhebliche Situation in allen Einzelheiten unter die Nase zu reiben. Doch der Schalker Außenläufer und ausgebuffte Geschäftsmann reagierte überraschend gelassen. Willi Schulz zählte nämlich gerade fröhlich pfeifend die üppigen Tageseinnahmen. Über den Kneipenboykott der Schalker Fans konnte er nur müde lächeln: "Dat war mich egal. Die Trinkhalle gehörte doch auch mir."

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Quelle: ntv.de

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