Redelings Nachspielzeit

Mögliches Hass-Duell im Sommer Relegation zwischen RWE und Schalke wäre "ein Albtraum"

Ge(k)lebte Rivalität.

Ge(k)lebte Rivalität.

(Foto: imago images/Gottfried Czepluch)

Gestern standen sich Rot-Weiss Essen und der FC Schalke 04 gegenüber. Es war zwar nur das Finale in einem Legenden-Spiel der beiden Klubs, doch die Rivalität zwischen RWE und dem S04 war dennoch mit Händen zu greifen. Denn eine Relegation der beiden Vereine im Sommer ist durchaus möglich.

"Zwischen den Fanlagern auf den mit 2500 Zuschauern besetzten Tribünen wurde diskutiert und gefeixt - in einem friedlichen Rahmen", meldete der "RevierSport" nach dem gestrigen "NRW-Traditionsmasters" in Mülheim erleichtert. Denn dort kam es beim Kampf der Legendenteams um die Krone im Revier ausgerechnet zum Endspiel zwischen dem FC Schalke 04 und Rot-Weiss Essen. Eine Partie mit einer ganz besonderen Brisanz - egal in welchem Rahmen und in welcher Liga ein solches Spiel zwischen diesen beiden Traditionsklubs auch stattfinden mag.

Die Rivalität zwischen dem S04 und RWE ist legendär und gefürchtet. Und genau deshalb gibt es nicht wenige Fußballfans im Revier, die in diesen Tagen mit einem seltsamen Gefühl zwischen Vorfreude und Sorge an eine mögliche Relegation der beiden Klubs im Sommer denken. Auch der RWE-Vorstand Marcus Uhlig hat sich bereits so seine Gedanken gemacht - und eine eindeutige Meinung zu einer Partie zwischen den Rot-Weißen und Königsblau um Auf- und Abstieg entwickelt: "So ein Spiel zu organisieren, mit allen sicherheitsrelevanten Aspekten - nein. Das wäre für mich eher ein Albtraum."

Aktuell ist eine Relegation zwischen den beiden Klubs zwar wieder etwas in die Ferne gerückt, weil der FC Schalke 04 auf den vierzehnten Tabellenplatz geklettert ist, aber auch gestern beim Traditionsmasters in Mülheim schwang der Reiz eines solchen Duells wieder unbewusst im weiten Rund der Westenergie-Halle mit. Die jüngeren Fußballfans werden vermutlich in der Mehrzahl allerdings gar nicht mehr wissen, woher die Feindschaft zwischen RWE und S04 rührt - denn das auslösende Ereignis ist mittlerweile über 50 Jahre her.

"Schalke war mein schlimmstes Erlebnis"

Noch in den 60er-Jahren war es für die Anhänger der beiden Klubs problemlos möglich eines der vielen Derbys entlang der damaligen B1 zu verfolgen. Doch dann war die Mannschaft des FC Schalke 04 im Jahr 1971 in den ersten großen Bundesliga-Skandal verwickelt. Es war gleichzeitig auch die Saison, als Rot-Weiss als Tabellenletzter die Liga verlassen musste. Die Fans von RWE haben es den Königsblauen nie verziehen, dass sie in dieser Spielzeit aktiv daran beteiligt waren, dass Partien in der Liga verschoben wurden. Als Rot-Weiss Essen schließlich in die Bundesliga zurückkehrte, war das Verhältnis zwischen den beiden Fanlagern vergiftet.

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Schon im August 1975 stand die Partie an der Hafenstraße unter keinen guten Vorzeichen mehr. Als dann auch noch ein RWE-Fan ein Plakat mit der Aufschrift "Wir grüßen den FC Meineid" - eine Anspielung darauf, dass die Schalker Profis lange Zeit eine Beteiligung am Skandal leugneten - grinsend hochhielt, eskalierte die Situation.

Auch der spätere RWE-Spieler Dirk "Putsche" Helmig musste an diesem Tag als Zehnjähriger eine unliebsame wie prägende Erfahrung machen, wie er in dem Buch "Rot-Weiss Essen. Ein Verein in Bildern" eindrucksvoll schildert: "Schalke war mein schlimmstes Erlebnis. Wir hatten so kleine Rot-Weiss-Fahnen, die wir Jugendspieler für fünf Mark aus dem Innenraum verkauft haben. Vom Eingang aus mussten wir zuerst an der Ostkurve vorbei - da standen die Schalker Fans. Eigentlich konnte wegen des Zauns ja gar nichts passieren, aber zwei von denen sind dann einfach über den Zaun geklettert und haben uns die Fahnen geklaut. Wir als Kinder wussten natürlich überhaupt nicht, was wir machen sollten und sind völlig verstört geflüchtet. Na ja, und dann brannten eben 30, 40 RWE-Fahnen im Schalker Block."

"Hätte es meinen rot-weissen Freunden nie antun können"

Über die Jahre setzte sich die Rivalität immer weiter in den Köpfen der beiden Fanlager fest. Als es Ende Mai 1984 wieder einmal zu Ausschreitungen zwischen Anhängern von RWE und dem FC Schalke 04 im Parkstadion kam, musste die Partie sogar anschließend wiederholt werden. Sehr zum Ärgernis der beiden Mannschaften übrigens - die ihre Abschlussfahrten nach Mallorca für das Wiederholungsspiel unterbrechen mussten.

Die Feindschaft ging viele Jahre sogar so weit, dass es völlig unmöglich schien, dass jemals wieder ein Spieler, der zuvor beim anderen Verein aktiv gewesen war, zum jeweils anderen Klub wechseln könne. Willi Lippens, die Legende von Rot-Weiss Essen, hat einmal gesagt, dass er damals zu Borussia Dortmund gegangen sei, weil er es "seinen rot-weißen Freunden niemals hätte antun können nach Schalke zu gehen. Das wäre so gewesen, als ob ich ihnen von hinten ein Messer in den Rücken gerammt hätte. Völlig unmöglich!".

Als schließlich doch ein Profi es einmal wagte, diesen Schritt zu gehen, sollte er es bitter bereuen. Denn als Ralf Regenbogen 1986 vom FC Schalke 04 an die Hafenstraße kam, brauchte es sehr lange, bis der Mann aus Wanne-Eickel endlich bei den Rot-Weißen akzeptiert wurde. Zuvor war es im Sommer 1987 noch zu einem Skandal gekommen, als er bei einem Auswärtsspiel in Meppen den eigenen Fans den Stinkefinger gezeigt hatte - weil diese ihn zuvor ausgepfiffen und seine Auswechslung gefordert hatten. Regenbogen sollte schließlich noch bis zum Jahr 1991 für RWE spielen.

"... dann kann ich nur müde lächeln"

Einer, der auch für beide Klubs aktiv war, kann heute nichts mehr mit den Auseinandersetzungen zwischen Essen und Schalke anfangen. Sascha Wolf sagt: "Ich finde die Rivalität übertrieben. Wenn RWE-Fans zu mir sagen 'scheiß Schalker' oder Schalke-Anhänger zu mir sagen 'scheiß Essener', dann kann ich nur müde lächeln. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen. Es geht hier nicht um Leben und Tod - das ist nur Fußball, die schönste Nebensache der Welt."

Und um seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, hat er sich auf dem linken Oberarm eine ganz besondere Erinnerung verewigen lassen: "Ich habe mir ein Tattoo stechen lassen - mit dem Schalke- und RWE-Wappen. Auf dem Arm ist meine Fußballergeschichte verewigt. Da gehören beiden Vereine dann auch hin."

Im Ruhrgebiet denken in diesen Tagen nicht nur Anhänger von Schalke und Rot-Weiss Essen an ein mögliches Aufeinandertreffen der beiden Klubs in der Relegation im Sommer. Es wären für das ganze Revier besondere Spiele. Gestern hat in jedem Fall schon einmal RWE untermauert, dass mit dem Verein aktuell wieder zu rechnen ist. Auch wenn es nur die Legenden des Klubs waren, die in Mülheim durch einen 3:1-Sieg im Finale das Turnier für sich entschieden haben. Man spürt, der Verein ist heiß auf Bundesliga-Fußball. Notfalls würde man wohl auch einen Aufstieg ohne ein Relegationsduell gegen den Nachbarn dankend akzeptieren. Schließlich würde man dann ja aller Voraussicht nach in der Folgesaison zweimal gegeneinander antreten dürfen.

Quelle: ntv.de

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