
Manuel Riemann im August 2024 im Landgericht Bochum.
(Foto: IMAGO/Funke Foto Services)
Die Rückkehr des suspendierten, langjährigen Stammkeepers Manuel Riemann ins Mannschaftstraining des VfL Bochum hat Fußball-Deutschland überrascht. Am Ende der letzten Saison hatte ihn der VfL vor der Relegation suspendiert. Nun die irritierende Kehrtwende einen Tag vor dem Prozessbeginn!
"Es war klar, dass die Entscheidung eine große Tragweite hat", sagte der ehemalige Geschäftsführer Sport des VfL Bochum, Patrick Fabian, noch Anfang Juli im Podcast "Kicken und Kohle" - also mit mehr als einem Monat Abstand zu den unrühmlichen Ereignissen rund um die Suspendierung des streitbaren Torhüters Manuel Riemann beim aktuellen Abstiegskandidaten aus dem Ruhrgebiet. Nun, weitere vier Monate später, wird klar, dass die Entscheidung des damaligen Geschäftsführers Fabian eine Dimension von bundesligahistorischem Ausmaß erreicht hat. Denn seit heute steht offiziell fest: Manuel Riemann wird ins Mannschaftstraining des VfL Bochum zurückkehren - und seinen Klub so vor einem Offenbarungseid und einer möglichen Blamage vor Gericht retten, wie Juristen mutmaßten.
Und eine Sache scheint seit heute auch sicher: Die dramatischen Umstände rund um das letzte Auswärtsspiel der Saison 2023/24 für den VfL Bochum in Bremen werden wohl nie öffentlich werden. In seiner Pressemitteilung schrieb der VfL: "Beide Parteien haben sich darauf verständigt, sich nicht weiter zur Sache zu äußern, daher bitten wir von Anfragen jeglicher Art abzusehen." Die Dinge, die zur Suspendierung von Riemann führten und die ab dieser Woche vor dem Arbeitsgericht in Bochum zur Verhandlung standen, bleiben (vorerst) also unter Verschluss. Auch wenn auf den ersten Blick die Angelegenheit nun erst einmal als erledigt angesehen werden kann, deutet vieles darauf hin, dass diese Einigung für beide Seiten vermutlich nur ein Pyrrhussieg sein wird.
Handgreiflichkeiten oder keine Handgreiflichkeiten
Denn gerade der Umstand, dass für alle Außenstehenden die ganze unrühmliche Begebenheit weiterhin ein dichter Nebel der Unklarheiten, Vermutungen und Gerüchte umgibt, wird die Rückkehr des langjährigen Stammkeepers ins Mannschaftstraining nicht erleichtern. Es wird also weiter munter spekuliert und gemutmaßt werden. Patrick Fabian sagte übrigens im Juli über den Hergang der Angelegenheit rund um die Partie in Bremen folgende Sätze: "Fakt ist: Es gibt Grenzen, die darfst du im Teamsport nicht überschreiten. Ich glaube schon, dass wir bei Manu eine höhere Toleranz hatten und diese an der einen oder anderen Stelle schon einmal ausgedehnt haben. Aber du musst aufpassen: Du bist am Ende nicht für eine Person verantwortlich, sondern für eine komplette Gruppe von mittlerweile fast 50 Leuten. Und du musst aufpassen, wenn du einen 'rettest', dass du nicht 49 andere verlierst." Fabian ergänzte noch, dass diese Grenzen irgendwann nicht mehr "akzeptiert" wurden. Soweit, so unklar.
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Doch ein wenig Licht ins Dunkeln brachte Fabian Anfang Juli im Podcast "Kicken und Kohle" dann doch noch, als er unterschwellig andeutete, dass die Suspendierung nicht unmittelbar nach den vermuteten Vorkommnissen (wie die vom VfL heute noch einmal erwähnten "Gerüchte" um mögliche "Handgreiflichkeiten") rund um das Spiel im Weserstadion erfolgte, sondern möglicherweise erst eine Antwort auf eine Aussprache mit Riemann am folgenden Tag war: "Man muss ja auch sagen: Auch Manuel trifft seine Entscheidungen und die hatten dann unmittelbar eine Wirkung auf unsere, also meine Reaktion."
In seiner aktuellen Pressemitteilung zur Rückkehr von Riemann betont der VfL Bochum also noch einmal explizit, "dass es entgegen teilweise kursierender Gerüchte zu keinem Zeitpunkt zu Handgreiflichkeiten gekommen" sei. Genau das wird wohl auch den Tatsachen entsprechen. Denn Juristen hatten sich schon damals gewundert, dass der VfL Bochum Riemann nur suspendierte und nicht kündigte. Für Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte eine Sache, bei der sie sofort aufhorchen. Denn in einer Kündigungserklärung hätte folgerichtig ein triftiger und juristisch nachvollziehbarer Grund für den "Rausschmiss" stehen müssen. Vermutlich gab es diesen aber nicht, weil der Verein Riemann zwar aus nachvollziehbaren menschlichen Gründen und mannschaftsinternen Konflikten suspendierte, ihm aber kein Fehlverhalten im klassisch juristischen Sinne nachweisen konnte.
Reintegration statt Prozess
Und genau das wird wohl auch dazu geführt haben, dass der VfL Bochum gerade noch einmal rechtzeitig vor den am Dienstag startenden Verhandlungen am Amtsgericht Bochum die Reißleine zog. Indirekt hat dies auch der VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig in der offiziellen Pressemitteilung bestätigt: "Es ging auch darum, in der aktuell sportlich schwierigen Phase, weitere Unruhe zu vermeiden, die ein öffentlicher Gerichtsprozess nach sich gezogen hätte."
Der Prozess wurde nun also erst einmal durch die "Reintegration" von Riemann ins Mannschaftstraining vermieden. Doch die Frage muss gestellt werden: zu welchem Preis? Schließlich bezeichnete Fabian seine Entscheidung auch rückblickend als "alternativlos".
Riemann, so meldete die "WAZ", soll mittlerweile "geläutert" sein - doch ob dies einige seiner Mitspieler der letzten Saison genauso sehen und akzeptieren werden und ob durch die Rückkehr des langjährigen Stammkeepers nicht eine andere "Unruhe" in den Klub einziehen wird, kann nur die Zeit zeigen. Die Hoffnungen des Vereins liegen da auch beim neuen Trainer Dieter Hecking, dass er die verschiedenen Lager wieder im Sinne des Klubs vereinen kann.
Gefühlt war Riemann wenigstens längst weg beim VfL Bochum. Nun ist er wieder da. Mit einem schweren Rucksack an ungelösten Problemen. Menschlich und sportlich ist aktuell nicht abzusehen, wie die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate beim Klub von der Castroper Straße sein wird. Doch, um mit den Worten von Fabian zu sprechen: Die Rückkehr von Riemann einen Tag vor dem beginnenden Prozess war für den VfL Bochum wohl tatsächlich "alternativlos". Ob es am Ende allerdings die richtige Entscheidung war, werden alle Fans und Offiziellen des Vereins spätestens im Sommer wissen.
Quelle: ntv.de