Redelings Nachspielzeit

Redelings und die bunte Bundesliga "So geht meine Oma zum Pinkeln"

Im Herzen ein Kölner: Pierre Littbarski.

Im Herzen ein Kölner: Pierre Littbarski.

(Foto: imago/Eduard Bopp)

Die Typen sind einmalig. Ob Peter Neururers hupende Profis, Ewald Lienens Kampfschwein oder Thorstens Legats Lieblings-Indianer - die Fußball-Bundesliga erzählt die schönsten Geschichten. Und dann ist da noch die Sache mit Dr. Müller-Wohlfarth.

Die Trainer-Legende Dettmar Cramer hat einmal gesagt: "Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge." Das Zitat spricht für eine Zeit, in der sich die Typen der Fußball-Bundesliga noch freier entfalten konnten als heute. Als noch nicht jeder Spruch auf die Goldwaage gelegt oder sogar nur namenslos überliefert wurde. Die Tage erzählte der Ex-Schiedsrichter Knut Kircher an einem launigen Abend von folgendem feinen Monolog eines Spielers auf dem Platz: "Ey, Schiri. Bitte keine Nachspielzeit. Ich muss nach Hause. Ich bin Spitz wie Nachbars Lumpi!" Leider nannte Kircher weder Ross noch Reiter. Das war früher in der Tat anders.

Lustig, lustig.

Lustig, lustig.

Eine folgenschwere Entwicklung - denn die Bundesliga lebt von ihren Geschichten und Gesichtern. Noch heute erzählt der frühere BVB-Spieler Willi Lippens von Schiedsrichter Walter Eschweiler. Mit dem hatte der halbe Holländer aus dem Ruhrgebiet immer viel Spaß auf dem Platz: "Wir haben uns oft unterhalten während des Spiels. Eckball für uns, bin ich raus zur Fahne, kam er hinterher: Na, Wilhelm, wie geht es zu Hause? Sag ich: Danke, Walter, uns geht es sehr gut. Soll ich jetzt die Ecke schießen oder möchtest du, dass ich noch was erzähle? Oder wenn du gefoult worden bist und hast auf dem Boden gelegen, da kam er dann vorbei - so in seiner Art mit den strammen Beinen und dem glatt gebügelten Oberkörper - und hat zu dir nach unten geschaut: Jung, suchst du was, hast du was verloren?" Auch die ganz persönlichen Scherze ließ Eschweiler nicht aus, wie sich Lippens erinnert: "Mir hat der immer gesagt: Ich glaub, Wilhelm, deine Frau betrügt uns!"

"Der war fast schon debil"

Trainer Peter Neururer hat ebenfalls so seine Lieblingsgeschichten. Mit Tränen in den Augen erzählt er heute noch von dem Morgen, als sein Spieler Arno Glesius zu ihm in die Kabine des 1. FC Saarbrücken kam und sagte: "Trainer, ich muss mal eben für drei Stunden weg: Von acht bis zehn!" Kurz darauf war Neururer so sehr von seinem Team enttäuscht, dass er vor dem Spiel beim FC Bayern anordnete: "Jeder muss sich selbst um seine Schuhe kümmern!" Das taten auch alle. Doch als der Bus München an einem herrlich warmen Frühlingstag erreichte, erwachte Glesius gerade aus dem Schlaf, schaute aus dem Fenster und blickte auf riesige Eisberge. Sofort lief er zu Neururer nach vorne und schrie: "Trainer, ich Idiot habe nur Sommerschuhe eingepackt!"

"Aber ein ü-ber-ra-gen-der Fußballer!" Peter Neururer.

"Aber ein ü-ber-ra-gen-der Fußballer!" Peter Neururer.

(Foto: imago/Sportfoto Rudel)

Neururer schaute hinaus und sah auf die Arbeiter, die gerade die Eisbahn am Olympiastadion für den Sommer abtauten. Saarbrücken verlor übrigens mit 0:6. Nur Neururer schaffte es, sich etwas von seinem Galgenhumor zu erhalten: "Ausgesehen haben wir wie die Brasilianer, gespielt haben wir wie Barfuß Kairo." In einem der besseren Fußballinterviews antwortete Neururer einmal auf die Frage, ob der Intellektuellste in der Mannschaft stets Kapitän sein solle: "Um Gottes willen! Ich habe mal einen Spieler gehabt, einen Kapitän, der war so was von dumm, der war dumm wie ... dumm wie ... (Einwurf des Interviewpartners: "Brot?"). Ach, der hatte einen IQ, der so einzuordnen war wie die Temperaturen, die wir im Moment draußen haben, der war fast schon debil. Aber ein ü-ber-ra-gen-der Fußballer! Dem musste ich nichts erklären, der hat alles immer richtig gemacht. Intuitiv. Seine Fußballintelligenz war sensationell. Aber vom normalen Intellekt: katastrophal. Der hat gehupt, wenn er gegen einen Baum gefahren ist."

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Lustig wird es in der Bundesliga immer, wenn das offene Wort geführt wird. So wie beim Satz des damaligen Wolfsburger Co-Trainers Pierre Littbarski zur Geschwindigkeit von seinem Spieler Thomas Kahlenberg: "So geht meine Oma zum Pinkeln." Oder wie hier bei Mehmet Scholl, der sich an eine Episode aus seinen Zeiten beim FC Bayern so erinnert: "Ronaldo? Da hätte früher der Jens Jeremies gesagt: Dass mir den ja niemand anfasst. Der gehört mir!" Der alte Haudegen Uli Borowka wird nicht umsonst als Meister des Trash Talks bezeichnet. Seine Gegenspieler begrüßte er bereits vor dem Spiel sehr handfest. Andreas Möller soll sich mal beim Gang aus den Katakomben des Weserstadions beschwert haben, dass der Weg hinaus zum Rasen so weit sei. Borowka lächelte Möller damals nur an und erwiderte: "Keine Sorge, Andy, zurück wirst du getragen!"

Auch der heutige Pauli-Trainer und damalige Aktivist in der Friedensbewegung, Ewald Lienen, konnte früher dem kampfbetonten Spiel etwas abgewinnen: "Wenn mich der Konopka zu sehr geärgert hat, ist der Berti über die Mittellinie gekommen und hat mich gerächt. Das war zwar gegen meine pazifistische Grundeinstellung, aber tief drinnen habe ich eine leichte Genugtuung gespürt."

Überraschenderweise hätten wir einen Dauerbrenner der Bundesliga fast nicht kennengelernt. Denn in den 1970er Jahren wollte der spätere, langjährige Bayern-Arzt Dr. Müller-Wohlfarth bereits seine Karriere an der Seitenlinie beenden: "Wegen Gyula Lorant hätte ich beinahe aufgehört. Er hat mir mal erklärt, dass man einen herausgesprungenen Meniskus am besten mit der Eckfahne wieder reinhaut." Einer, der einmal sehr lange im Wartezimmer des Wunderarztes gesessen hat, ist Thorsten Legat. Damals war der gebürtige Bochumer verletzt und musste warten. Und warten, und warten. Irgendwann kam auf einmal der große Winnetou-Darsteller Pierre Brice, gestützt von seiner Frau, herein. Er schrie vor Schmerzen. Seine Frau bat Legat inständig, ihren Mann vorzulassen. Doch Legat kannte kein Erbarmen und antwortete ohne lange zu überlegen: "Nee!" Nachdenklich schob er hinterher: "Außerdem dachte ich, Indianer kennen keinen Schmerz!"

Mit Auszügen aus dem neuen Buch unseres Kolumnisten Ben Redelings: "Bundesliga-Album: Unvergessliche Sprüche, Fotos, Anekdoten" bei Amazon bestellen. Außerdem ist er gerade mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.

Quelle: ntv.de

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