Fußball-WM 2018

Furiose Jungs statt statischer Kick Englands wundersame Wandlung

imago_sp_061506400036_16630443.jpg8404641048949885670.jpg

(Foto: imago/BPI)

Kick and Rush? Alt und langsam? Nein. England zeigt gegen Italien im Duell der Ex-Weltmeister, wie rasend schnell die "Three Lions" unter Roy Hodgson auf die Jagd gehen: mit klaren Bällen, furiosen Schüssen und einer verjüngten Offensive.

Englands Jungstar Raheem Sterling war nach der unglücklich verlorenen Hitzeschlacht im brasilianischen Dschungel am Boden zerstört. Der Teenie wurde von Krämpfen geplagt und schlich mit hängendem Kopf vom Feld - doch der Trost folgte auf dem Fuße. "Mit diesen jungen Stars und ihrem furchtlosen Auftreten ist die Zukunft des englischen Fußballs rosig", meinte Ex-Nationalspieler und Chefkritiker Gary Lineker nach dem 1:2 (1:1) der "Three Lions" im ersten WM-Gruppenspiel gegen den viermaligen Titelträger Italien in Manaus.

Es war eine Niederlage, die dem Fußball-Mutterland Mut macht. In den Stunden danach aber trauerte der Weltmeister von 1966, der seit 24 Jahren nicht mehr in einem WM-Halbfinale stand, erst einmal den Punkten hinterher. "Wir haben doch viel zu viel gearbeitet, um als Verlierer vom Platz zu gehen", sagte Mittelfeldspieler Jordan Henderson.

"So was ist grausam"

Auch Kapitän Steven Gerrard schien ob der ausgebliebenen Belohnung nach einer starken Vorstellung fassungslos. "So was ist grausam. Wir haben so viel reingeworfen in dieses Spiel und nichts dafür bekommen", meinte der 34-Jährige vom FC Liverpool, der ganz im Schatten der jungen Wilden stand.

Neben Sterling vom FC Liverpool wirbelten auch sein 24-jähriger Vereinskollege Daniel Sturridge sowie Danny Welbeck, 23 Jahre alt, von Manchester United die Abwehr der zunächst überforderten Italiener durcheinander. Nichts war mehr zu sehen vom statischen Insel-Kick von einst. "Früher haben sie viel mit hohen Bällen agiert, jetzt ist das ganz anders", lobte Italiens Coach Cesare Prandelli: "Sie haben einige Spieler mit unglaublichen Sprinterqualitäten."

Allen voran Sterling, der in den Testspielen meist nur Joker war. Etwas überraschend war deshalb, dass der 19-Jährige mit der Starkstromfrisur von Teammanager Roy Hodgson in die Startelf berufen wurde. Der Schachzug wäre beinah schon in der vierten Minute aufgegangen, doch der fulminante Schuss von Sterling landete am Außennetz des italienischen Gehäuses.

Rooney wartet weiter

"England verliert die Schlacht der Generationen und Kulturen", titelte die Times. Hodgson war zufrieden mit dem Nachwuchs. "Die jungen Spieler haben das gebracht, was ich von ihnen erwartet habe. Keiner hat mich im Stich gelassen", sagte der 66-Jährige. Wayne Rooney dagegen, abgeschoben ins linke offensive Mittelfeld, wirkte schon fast wie ein Auslaufmodell. Jedenfalls schien der 28 Jahre alte ManU-Stürmer, der weiter auf sein erstes Tor bei einer WM-Endrunde warten muss, mit dem anfänglichen Tempo seiner Kollegen überfordert. Zumindest gelang Rooney die Vorlage zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch Sturridge (37.), dem der Treffer von Claudio Marchisio (35.) vorausgegangen war.

Der Siegtreffer von Italien-Stürmer Mario Balotelli in der 50. Minute setzt die Engländer allerdings vor dem zweiten Gruppenspiel gegen das ebenfalls noch punktlose Uruguay (1:3 gegen Costa Rica) am Donnerstag in Sao Paulo mächtig unter Druck - zumal die Abwehrreihe um die Innenverteidiger Phil Jagielka und Gary Cahill eine große Schwachstelle zu sein scheint.

"Alles in der eigenen Hand"

"Mario, der Gnadenlose, bestraft die schlampige Abwehr", schrieb dazu die Daily Mail. Die italienische Gazzetta dello Sport titelte höhnisch: "Bye Bye England." Dem Daily Mirror schwante schon Übles: "England scheitert bei großen Turnieren oft grandios - und diese WM begann schon genauso: mit einer vielversprechenden Niederlage." Zuletzt war England 1958 nach der WM-Vorrunde ausgeschieden, doch Hodgson machte seinen Schützlingen Mut. "Wir haben alles in der eigenen Hand. Wenn wir wieder unsere Leistung bringen, werden wir auch Erfolg haben", meinte der Coach, der in der Vorbereitung nichts dem Zufall überließ. Mit einem Trainingslager in Miami hatte Hodgson seine Mannschaft auf die schwülwarmen Bedingungen in Manaus eingestimmt, die Spieler wirkten absolut fit und gingen bis zum Ende hohes Tempo.

In der Schlussphase deutete sich allerdings schon an, dass es nichts werden würde mit dem ersehnten Auftaktsieg. Zunächst trat Rooney eine Ecke hinter das Tor, danach wurde Gerrard von Schiedsrichter Björn Kuipers unabsichtlich aus den Angeln gehoben. Und am Ende lag Sterling mit Krämpfen im Strafraum. "Das alles", sagte Rooney, "darf uns jetzt nicht mehr beschäftigen. Wir müssen nach vorne schauen." Genau wie Gary Lineker - der tut es mit großer Zuversicht.

Quelle: ntv.de, Ulrike Weinrich, sid

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