Fußball-WM 2018

Kraft des Trotzes gegen die DFB-Elf Brasilianer wollen den Titel für Neymar

"A dor do Brasil" - der Schmerz Brasiliens: Die Schlagzeilen am Tag danach klangen nach nationaler Katastrophe. Und ein bisschen war es das auch.

"A dor do Brasil" - der Schmerz Brasiliens: Die Schlagzeilen am Tag danach klangen nach nationaler Katastrophe. Und ein bisschen war es das auch.

(Foto: Stefan Giannakoulis)

Brasiliens Superstar Neymar fällt verletzt aus, ein Land versinkt in Traurigkeit. Sportlich gesehen ist das für die DFB-Kicker ein Vorteil. Ein Kindergeburtstag wird das WM-Halbfinale in Belo Horizonte trotzdem nicht.

Er sollte die Seleção im eigenen Land zum Titel führen, doch nun ist Neymar verletzt. Wenn Deutschlands Fußballer am Dienstag im Halbfinale der Weltmeisterschaft in Belo Horizonte gegen Brasilien spielen, treffen sie auf einen Gegner, der ohne seinen besten Spieler auskommen muss. Und um die Frage gleich zu beantworten: Ja, wenn es darum geht, das Endspiel am 13. Juli in Rio de Janeiro zu erreichen, ist das ein Vorteil für die DFB-Elf. Zumal auch Kapitän Thiago Silva fehlt, weil er am Freitag im Viertelfinale gegen Kolumbien seine zweite Gelbe Karte sah.

Aber für den Fußball und für diese WM ist das eine traurige Sache. Wer sich darüber freut, und sei es klammheimlich, dass Neymar sich einen Lendenwirbel gebrochen hat, der versteht nicht, worum es im Sport geht. Das ist keine Frage von politischer Korrektheit, das ist eine Frage des Anstandes. Die Besten sollen spielen, und wenn der Gegner gewinnt, dann war er eben besser. Die deutschen Spieler jedenfalls zeigten diesen Anstand, Mesut Özil teilte via Twitter mit: "Neymar, ich bin unglücklich. Gute Besserung." Und Lukas Podolski ließ verlauten: "Neymar, tut mir leid. Hoffe, es geht Dir bald besser."

"Der Schmerz Brasiliens"

"Joguem por ele" - "Wir spielen für ihn": Superstar Neymar ist verletzt, Brasilien ist traurig. Doch mittlerweile lautet das Motto: Jetzt erst recht!

"Joguem por ele" - "Wir spielen für ihn": Superstar Neymar ist verletzt, Brasilien ist traurig. Doch mittlerweile lautet das Motto: Jetzt erst recht!

(Foto: Stefan Giannakoulis)

Die Frage, wie stark ihre Mannschaft ohne Neymar noch ist, stellen sich auch die Brasilianer. Die Schlagzeilen am Tag danach klangen nach nationaler Katastrophe. Und ein bisschen ist es das auch. An den Kiosken in Rio de Janeiro hing kein Blatt, das nicht damit aufmachte, dass die WM für Brasiliens besten Fußballer vorbei ist, weil der Kolumbianer Juan Zúñiga ihm mit dem Knie voran in den Rücken gesprungen war. "Der Schmerz Brasiliens", titelte "O Globo", eine der größten Zeitungen des Landes mit; darüber ein Bild, auf dem Neymar auf dem Rasen liegt und schreit. "Sie haben Neymar zerstört", schrieb "Meia Hora".

Der Starstürmer hat inzwischen das Trainingslager in Teresópolis verlassen, wie "O Globo" berichtete, und ist mit dem Hubschrauber zu seiner Familie nach Guarujá in die Nähe von São Paulo gebracht worden. Wie es heißt, wird er nicht operiert, trägt aber ein Stützkorsett und muss vier bis sechs Wochen völlig ruhiggestellt werden. Über das Fernsehen wandte sich Neymar am Samstag an seine Landsleute: "Man hat mir den Traum genommen, ein WM-Finale zu spielen, aber der Traum, Weltmeister zu werden, ist noch nicht zu Ende. Es fehlen noch zwei Spiele und ich bin mir sicher, dass meine Kumpels alles dransetzen werden, den Pokal in die Höhe zu halten."

Rechnung nach Art der Milchmädchen

Für die deutsche Mannschaft und ihren Trainer Joachim Löw scheint die Rechnung dennoch denkbar schlicht. Vorher hieß es, die Seleção sei abhängig von Neymar. Wer gegen Brasilien spielt, muss vor allem ihn im Schach halten. Heißt im Umkehrschluss: Da Neymar gar nicht mitspielt, stehen nun die Chancen auf einen Sieg und den Einzug ins Finale wesentlich höher. Doch das könnte eine Rechnung nach Art der Milchmädchen sein. Wer glaubt, das am Dienstag im Estadio Mineiro werde ein Kindergeburtstag, der könnte sich irren. Klar, Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari hat ein Problem. Er muss den Unersetzlichen ersetzen. Während Fred und Hulk, die beiden anderen Angreifer, eher enttäuschten, führte Neymar seine Mannschaft mit vier Toren fast im Alleingang ins Achtelfinale. Dort übernahm er gegen Chile die Verantwortung als letzter Schütze im Elfmeterschießen.

Und nun? Wird Scolari das Team umbauen, noch einen wie Neymar hat er nicht. Als Kandidaten für die Startelf kommen in Frage: Willian, Flügelspieler des FC Chelsea; Bernard, Dribbelkünstler von Schachtjor Donezk; oder Jo, der wuchtige Mittelstürmer von Atletico Mineiro. Für Kapitän Thiago Silva wird wohl der Münchner Dante seine Chance bekommen. Doch was dieses spielerisch eher biedere Team am Dienstag vor mehr als 60.000 enthusiasmierten Zuschauern über sich hinauswachsen lassen könnte, ist vielmehr die Kraft des Trotzes. Jetzt erst recht! Oder wie es die Zeitung "Expresso" formulierte: "Joguem por ele". Wir spielen für ihn.

Quelle: ntv.de

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