Fußball-WM 2018

Der WM-Check, Gruppe D Ein Favorit wird stürzen

Fahren als eines der besten Sturmduos der Welt nach Brasilien: Cavani und Suarez.

Fahren als eines der besten Sturmduos der Welt nach Brasilien: Cavani und Suarez.

(Foto: imago sportfotodienst)

Bald geht es los, die Fußball-WM in Brasilien beginnt am 12. Juni. Wer kann was? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der jeweiligen Mannschaften? Wir nehmen die WM-Teilnehmer unter die Lupe. Heute: die Gruppe D mit Italien, England, Uruguay und Costa Rica.

Italien

Die "Squadra Azzurra" hat quasi bei jedem Turnier das Anrecht, zum engen Favoritenkreis zu zählen. Daher ist es schon überraschend, wenn Nationalcoach Cesare Prandelli sagt, dass es "mindestens sechs Teams gibt, die stärker und besser besetzt sind als wir". Seinen überragenden Kader und die WM-Historie der Italiener im Hinterkopf fügt er allerdings auch an: "Wir gehören zwar nicht zu den stärksten Teams, aber wir können gegen die stärksten Teams gewinnen." Kurzum: Italien nimmt den Titel ins Visier - basta.

Italiens "Enfant Terrible" Mario Balotello mit Coach Cesare Prandelli.

Italiens "Enfant Terrible" Mario Balotello mit Coach Cesare Prandelli.

(Foto: picture alliance / dpa)

Grund zum Optimismus geben nicht nur Leistungsträger wie Torwart Gianluigi Buffon (Juventus Turin), die Abwehrrecken Christian Maggio (SSC Neapel) und Giorgio Chiellini, Mittelfeld-Stratege Andrea Pirlo (beide Juventus Turin) oder Stürmer-Star Mario Balotelli (AC Mailand), sondern auch die Spielweise des Vize-Weltmeisters. Prandelli hat das traditionell defensiv ausgerichtete Italien seit seinem Antritt 2010 vom funktionalen Catenaccio zum modernen Offensiv-Fußball umfunktioniert. Die Azzurri spielen nicht nur erfolgreich, sondern auch noch ansehnlich.

Was die Ruhe im WM-Lager stören könnte, ist die Persönlichkeit von Balotelli. Der Milan-Angreifer hat zweifelsfrei die Veranlagungen, zu einem der besten Spieler des Turniers zu werden, bringt mit seinen Skandalen aber immer wieder Unruhe in die ansonsten homogene Truppe. Ein Tiefschlag war zudem die schwere Verletzung von Riccardo Montolivo. Der Deutsch-Italiener zog sich in der Vorbereitung einen Schienbeinbruch zu. Sein Ausfall ist eine deutliche Schwächung für das Mittelfeld der Italiener.

Spannend wird auch sein, wie Alt-Star Pirlo die klimatischen Bedingungen mit seinen 35 Jahren bewältigt. Bleibt das 'Enfant Terrible' ruhig und ruft der Chef-Stratege seine Fähigkeiten ab, ist Italien ein ganz heißer Anwärter auf den WM-Titel - es wäre der fünfte in der Geschichte.

England

Eigentlich haben die Engländer alle Zutaten, um den WM-Pokal nach 1966 mal wieder auf die Insel zu holen: eine tolle Mannschaft, einen erfahrenen Trainer und einen gesunden Teamgeist. In der WM-Qualifikation stellte die Mannschaft von Coach Roy Hodgson mit 31:4 die beste Tordifferenz aller Europa-Teilnehmer, löste das Ticket für Brasilien souverän und blieb vom Verletzungspech verschont. Und dennoch trauen die Experten der englischen Auswahl den ganz großen Wurf nicht zu - aus guten Gründen.

Zu alt für eine WM? Englands Altstars Gerrard und Lampard.

Zu alt für eine WM? Englands Altstars Gerrard und Lampard.

(Foto: picture alliance / dpa)

Einerseits sucht Hodgson immer noch nach der richtigen Aufstellung. Wer im Sturm neben Wayne Rooney aufläuft, ist noch genauso ungeklärt wie die Frage nach der Besetzung der Doppel-Sechs. Die in die Jahre gekommenen Mittelfeld-Motoren Steven Gerrard (34/FC Liverpool) und Frank Lampard (35/FC Chelsea) haben die Erfahrung, wohl aber nicht mehr die Luft für ein langes Turnier. Es gilt als sicher, dass ein Talent wie Jordan Henderson (FC Liverpool) oder der zwar lange Zeit verletzte, aber hoch talentierte Jack Wilshere (FC Arsenal) eine Chance bekommt.

Neben dem personellen Puzzle muss Hodgson all seine psychologischen Fähigkeiten aufbieten, um die Mannschaft von ihrer Klasse zu überzeugen - denn nach vier WM-Teilnahmen ohne Halbfinal-Einzug glaubt in England niemand an einen Erfolg. Das liegt auch daran, dass die Hälfte der nominierten WM-Kicker noch keine zehn Länderspiele auf dem Buckel hat.

Die kritischen Stimmen aus der Heimat weist Hodgson zurück. "Glaube ich, dass England die WM gewinnen kann? Ja, sonst hätte ich bei der Auswahl etwas falsch gemacht", so der Trainer, der vor dem WM ganz tief in die Trickkiste greift. Um sein Team auf die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit vorzubereiten, lässt er seine Spieler in drei Lagen Kleidung trainieren. Beim Vorbereitungscamp an der Algarve trugen Rooney & Co. eine lange Unterhose, lange Trainingshose, T-Shirt, Pullover, Trainingsjacke, Handschuhe und wer mochte noch eine Mütze - damit England endlich mal wieder einen Titel holt.

Uruguay

Obwohl gar nicht mit dem Gastgeber in einer Gruppe, zittert ganz Brasilien vor der "Celeste". Es ist 64 Jahre her, als Uruguay das WM-Finale 2:1 gegen die "Selecao" gewann - und nicht wenige Experten halten es für möglich, dass die Auswahl von Trainer Oscar Tabarez das Kunststück wiederholt. Ein Grund ist die Mannschaft, die auf jeder Position hochkarätig besetzt ist. Ob in der Verteidigung mit Diego Lugano (West Bromwich Albion), Jose Gimenez und Diego Godin (beide Atletico Madrid), im Mittelfeld Walter Gargano (FC Parma) und Alvaro Gonzales (Lazio Rom) oder im Sturm mit Edinson Cavani (Paris St. Germain) und Luis Suarez (FC Liverpool) - das himmelblaue Trikot wird von einigen Top-Stars getragen.

Ob das derzeit größte Fußball-Idol des Landes aber überhaupt dabei ist, steht noch in den Sternen. Suarez, der mit 33 Toren in der abgelaufenen Premier-League-Saison der treffsicherste Stürmer war, hat sich einer Knie-Operation unterzogen und ist noch nicht in die Vorbereitung eingestiegen. "Er ist ein Kämpfer und ich bin mir sicher, dass er im ersten oder zweiten Spiel der WM bereit sein wird", glaubt Englands Jordan Henderson, der zusammen mit Suarez in Liverpool spielt: "Offensichtlich ist er außergewöhnlich, aber sie haben auch andere gute Spieler und ein sehr gutes Team, also schauen wir uns verschiedene Wege und Optionen an, wie wir damit umgehen und ihnen begegnen können."

Wird Suarez nicht rechtzeitig fit, rückt Diego Forlan in den Fokus. Der 35-jährige Altstar, der in Japan bei Cerezo Osaka unter Vertrag steht, war vor vier Jahren zum besten Spieler bei der WM ausgezeichnet worden und muss der Mannschaft nun vielleicht nicht nur mit seiner Erfahrung, sondern auch mit seinem Torriecher weiter helfen. Als kleinen Motivationsschub hat der Verband eine Rekord-Prämie von rund 540.000 Euro pro Spieler für den Titel ausgerufen. Tabarez, Welt-Nationaltrainer von 2011, ist deshalb guter Dinge, nach 1930 und 1950 den dritten WM-Triumph einzufahren: "Unser Team ist besser als vor vier Jahren in Südafrika" - und da wurde Uruguay schon Vierter.

Costa Rica

Sollte Taktik-Experte Jorge Luis Pinto wirklich einen Masterplan gehabt haben, um die Todesgruppe D zu überstehen, nun ja, er könnte schon längst in den Händen der Gegner sein. Der Trainer Costa Ricas ließ sich kürzlich seinen Laptop stehlen, auf dem alle Trainings- und Spielstrategien abgespeichert waren. Zwar sind die Mitschriften noch nicht in der Öffentlichkeit aufgetaucht, in der Heimat wird aber befürchtet, dass die Diebe das Material schon an die Gruppengegner verkauft haben.

Als wäre das Lospech und der Diebstahl der taktischen Unterlagen nicht schon schlimm genug, musste der Fußball-Zwerg kurz vor dem Turnier den nächsten Nackenschlag einstecken: Stürmer Alvaro Saborio, mit acht Treffern der beste Torschütze in der Qualifikation, brach sich im Training den Mittelfuß, an eine WM-Teilnahme ist nicht zu denken. Mit in Brasilien dabei ist Verteidiger Junior Diaz, der sein Geld beim FSV Mainz 05 verdient und die Marschroute seines Trainers ganz einfach zusammenfasst: "Pinto legt sehr großen Wert auf Disziplin, aber auch auf Teamwork."

Viel mehr hat die Auswahl aus Mittelamerika aber auch schon nicht zu bieten. Kein Spieler steht bei einem großen Verein in Europa unter Vertrag, die großen Stützen im Team heißen Torhüter Keylor Navas (UD Levante), Mittelfeld-Regisseur Bryan Ruiz (PSV Eindhoven) oder Angreifer Joel Campbell (Olympiakos Piräus). Dass Costa Rica bei seiner vierten WM-Teilnahme wie 1990 das Achtelfinale erreicht, glaubt von den unabhängigen Betrachtern wohl niemand. Dazu Pinto: "Wir werden nicht die beste Mannschaft der Gruppe sein, aber wir sind am besten vorbereitet" - wie genau, das wissen hoffentlich noch nicht die Sportsfreunde aus Italien, England und Uruguay.

Quelle: ntv.de, sport.de

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