n-tv WM-Experte Christian Ziege "Es gibt keinen Grund, die Abwehr zu ändern"
07.07.2014, 16:18 Uhr
Im Viertelfinalspiel gegen Frankreich eine Wand: die deutsche Abwehr mit Benedikt Höwedes, Jérôme Boateng, Mats Hummels und Philipp Lahm (nicht im Bild).
(Foto: imago/Fotoarena International)
Nur noch vier Teams sind im Rennen um den begehrtesten Pokal im Weltfußball - und alle werden noch besser spielen, prophezeit WM-Experte Christian Ziege. Der Europameister von 1996 erklärt auch, wo er Veränderungen im deutschen Team erwartet.
n-tv.de: Die Stimmung im deutschen Lager ist sehr gut. Tatsächlich ist es auffällig, dass die Spieler nicht erst nach dem Auftaktsieg den offenbar geschärften Teamspirit oft und gerne hervorheben. Haben Sie auch das Gefühl, dass die deutsche Mannschaft von diesem Teamgeist profitiert?
Christian Ziege: Man hat auf jeden Fall von außen das Gefühl, dass die Mannschaft intakt ist. Man sieht es auch an einzelnen Spielern wie Bastian Schweinsteiger, der sicherlich am Anfang nicht begeistert war, auf der Bank zu sitzen. Er hat es aber angenommen. Das gilt auch für Per Mertesacker, der überraschenderweise das Viertelfinale nicht gespielt hat. Auch er wird enttäuscht gewesen sein, aber alle wissen, wofür sie es tun. Wenn man den Titel holen will, muss man die Mannschaftskollegen unterstützen.
Sehen Sie das deutsche Team jetzt als den WM-Favoriten?
Ich glaube, wir haben sehr große Möglichkeiten das Turnier zu gewinnen. Aber bei den letzten vier Teilnehmern von Favoriten zu sprechen, finde ich äußerst schwierig. Alle Mannschaften werden noch eine Schippe drauflegen. Argentinien hat die Motivation, den Titel im Land des Erzfeindes zu holen. Brasilien will logischerweise den Titel im eigenen Land holen. Die Holländer machen auf mich einen sehr starken Eindruck. Wir Deutschen wollen beweisen, dass man auch als Europäer den Titel in Südamerika holen kann. Es wird spannend.
Wird es morgen personelle Umstellungen in der Startelf geben?
Also, es wäre das erste Mal, dass die selbe Startelf aufläuft. Ich gehe davon aus, dass sich Bundestrainer Löw aufgrund der neuen Situation und des neuen Gegners etwas einfallen lässt. Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen, dass er ganz ohne Stürmer spielen wird. Die andere große Frage: Wird die Abwehr so bleiben wie gegen Frankreich? Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund etwas zu ändern.
Wie schwer wiegt der Ausfall von Neymar? Wird das brasilianische Team dies kompensieren können?
Ich glaube nicht. Dafür ist er zu stark, er war Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft. Er ist ein einzigartiger Spieler, den man nicht einfach ersetzen kann. Natürlich werden die Brasilianer alles dafür tun. Dieser Verlust wird sie schwächen. Aber trotzdem bleiben sie brandgefährlich.
Alle diskutieren über die Verunsicherungstaktik des niederländischen Torwarts Krul beim Elfmeterschießen gegen Costa Rica. Erlaubte Psychospielchen oder unsportliches Verhalten? Wie sehen Sie das als ehemaliger Nationalspieler?
Das hat keinen guten Eindruck gemacht. Es war für mich eher eine Rumspinnerei. Mir hat diese ganze Handlung, den Torhüter auszuwechseln, nicht gefallen. Das halte ich für großen Blödsinn. Und danach von taktischer Maßnahme zu reden, finde ich nicht gut. Ich bin mir sicher, der Torhüter, der im Tor stand, hätte sicherlich auch die Möglichkeiten gehabt, Elfmeter zu halten. Wir können lange darüber diskutieren, aber Fakt ist: Es hat für die Holländer funktioniert. Unabhängig von der Torhüter-Diskussion haben es die Holländer mehr als verdient, weiterzukommen. Sie spielen eine richtig starke Weltmeisterschaft - allen voran Arjen Robben.
Quelle: ntv.de