Fußball-WM 2018

Im WM-Viertelfinale gelernt Löw hat Recht, doch das epische Spiel fehlt

Gewagt und gewonnen: Rotator Joachim Löw.

Gewagt und gewonnen: Rotator Joachim Löw.

(Foto: imago/Ulmer/Teamfoto)

Es ist nicht wunderschön, was die DFB-Elf im WM-Viertelfinale gegen Frankreich auf den Rasen zaubert. Aber es führt zum Sieg, weil Löw richtig umstellt. Deutsche Standards bleiben eine Waffe, doch das Beste dürfte erst noch kommen.

1. Wer gewinnt, hat Recht

Im Grunde ist es ganz einfach: Joachim Löw hat seine Mannschaft im Viertelfinale bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft umgestellt, die DFB-Elf hat das Spiel mit 1:0 gewonnen und spielt nun am kommenden Dienstag im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien. Also hat der Bundestrainer alles richtig gemacht. Zumindest vieles. Die Mannschaft hat nicht geglänzt, aber sie hat ihre bisher stärkste, kompakteste Leistung in diesem Turnier gezeigt und starke Franzosen in Rio de Janeiro weitgehend dominiert. Und das als Team, das nach all der Kritik und all der Gereiztheit der vergangenen Tage und Wochen noch enger zusammengewachsen scheint. "Das waren zwei Mannschaften auf Augenhöhe. Aber wir haben bravourös gekämpft", sagte Löw. Nun gehört die DFB-Elf zu den vier besten Mannschaften der Welt, wie schon 2010, 2006 und 2002. Das kann sich doch sehen lassen. Und es könnte gut sein, dass das Beste noch kommt.

2. Standards sind ein Erfolgsrezept

Kroos legt auf, Hummels vollendet - das ist das neue Standard-Rezept des DFB-Teams.

Kroos legt auf, Hummels vollendet - das ist das neue Standard-Rezept des DFB-Teams.

(Foto: imago/Xinhua)

Zehn Tore hat die deutsche Mannschaft in den bisher fünf Spielen erzielt. Vier davon resultierten aus dem, was in der Sprache des Fußballs Standardsituation heißt. Negativ formuliert: Die Treffer waren nicht herausgespielt. Aber sei’s drum, auch das funktioniert. Meist daran beteiligt ist Toni Kroos, der Experte für ruhende Bälle, ob bei einer Ecke oder wie am Freitag bei einem Freistoß. Er schoss den Ball aus dem linken Halbfeld in den französischen Strafraum, Mats Hummels rauschte herbei, Kopfball, Unterkante Latte, Tor. "Klasse", fand das nicht nur der Bundestrainer. Dabei war er es, der jahrelang behauptet hatte, mit seinen Spielern so etwas nicht üben zu wollen, weil es wichtigere Dinge gebe. Aber zum Glück gehört Hansi Flick zum Team. Löws Assistent hatte die Standards ins Programm aufgenommen. Vor Turnierbeginn hatte dann auch der Bundestrainer eingeräumt: "Das ist immer ein wichtiges Thema, das ist eine gute Waffe."

3. Das Maracanã ist kein Mythos, sondern ein Stadion

Estadio Maracanã - das klingt verlockend. Und jeder, der sich nur ein bisschen für Fußball interessiert, kennt diesen Namen. Es ist schließlich das berühmteste Stadion der Welt, das auch nach dem kompletten Umbau für diese WM ein sehr schönes Stadion ist. Es liegt mitten in der Stadt, zwischen Wohnhäusern und Restaurants, mit der U-Bahn ist es prima zu erreichen. Mehr als 200.000 Menschen sollen hier das letzte Spiel der WM 1950 zwischen Brasilien und Uruguay gesehen haben. Die Gastgeber verloren und verpassten den Titel, ein nationales Trauma, das bis heute unter dem Namen Maracanãzo wirkt.

Mittlerweile passen noch etwas mehr als 74.000 hinein, Stehplätze gibt es nicht mehr. Und es ist der Sehnsuchtsort dieser WM, weil hier am 13. Juli das Endspiel stattfindet. Aber ein Mythos, eine Kultstätte? Eher nicht. Vielleicht war gestern auch nur der falsche Tag, mit den falschen Mannschaften, die sich durch die Hitze quälten und die Zuschauer zu einer seltsam zurückhaltenden Stimmung animierten. Oder wie es der Bundestrainer formulierte: "Es ist nicht einfach für uns Europäer, nachmittags um 13 Uhr zu spielen. Da stand die Luft, da konnte man kaum atmen."

4. Das epische Spiel fehlt noch

Bei der Weltmeisterschaft 2010 begeisterte eine junge deutsche Mannschaft im Achtelfinale gegen England und im Viertelfinale gegen Argentinien. Sensationell und berauschend kamen diese Siege daher, 4:1 und 4:0 hieß es am Ende, das war was fürs Herz. Und bleibt in Erinnerung, auch wenn die DFB-Elf dann das Halbfinale gegen Spanien verlor. Bei der WM 2006 war das letzte Gruppenspiel gegen Polen der emotionale Auslöser, als ein junger Mann namens David Odonkor im Dortmunder Westfalenstadion über die rechte Außenbahn sprintete und schließlich den Ball zu Oliver Neuville passte, der das erlösende 1:0 erzielte. Und auch wenn wieder im Halbfinale diesmal die Italiener zu stark waren, ging die ganze Veranstaltung als Sommermärchen in die Geschichte ein. Und nun, in Brasilien? Hat die deutsche Mannschaft gut gespielt, keine Frage. Aber das epische Spiel, von dem alle noch Jahre später sprechen, das fehlt noch. Aber wir hätten da eine Idee.

5. Die Party steigt am Dienstag

Zu Beginn des Turniers schien es noch fraglich, ob und wenn ja, wie sehr sich das Land für diese WM begeistern kann. Zu präsent waren die Massenproteste im vergangenen Jahr beim Confed Cup, zu offensichtlich die Missstände, zu deutlich die Absurdität beim Bau großer Stadien, die hinterher niemand mehr braucht. Nun aber haben die Brasilianer das Halbfinale erreicht. Und wer gestern nach der Partie im Maracanã durch die Altstadt Rios nach Hause ging, der bekam einen Eindruck davon, was die Seleção den Menschen hier bedeutet.

Ab 17 Uhr waren kaum noch Autos auf den Straßen, Müllmänner unterbrachen ihre Arbeit und standen vor dem Fernseher am nächsten Kiosk, zusammen mit Polizisten, Straßenhändlern und Flaschensammlern. Cafés waren entweder geschlossen oder die Kellner starrten mit den Gästen auf den Bildschirm. Alle, wirklich alle wollten sehen, was in Fortaleza passiert, wo Brasilien gegen Kolumbien spielte. Nun hat sich ihr Superstar Neymar verletzt, das ist ein Drama für geschätzte 200.000.000 Brasilianer und jeden, der gerne guten Fußballern bei der Arbeit zuschaut. Und trotzdem hat das Halbfinale am Dienstag gegen Deutschland das Potential zum großen Drama. So oder so. Schöne Aussichten in Belo Horizonte.

6. Die wahren Experten kommen aus Fernost

In den Pressezentren der Stadien bei dieser WM treffen sich die Journalisten, um zu arbeiten, einen Kaffee zu trinken - und über Fußball zu reden. Es sind beileibe nicht nur Kollegen der Nationen dort, die gerade spielen, sondern Reporter aus der ganzen Welt, die dann gerne mal fragen, wie eigentlich dieser Schweinsteiger ausgesprochen wird oder ob Manuel Neuer der neue Beckenbauer ist. Vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt hat uns am Freitag der Kollege aus Japan, der Näheres über die Spitznamen der deutschen Nationalspieler wissen wollte. Er hat übrigens Schweinsteiger völlig richtig betont und sprach auch sonst fließend Deutsch. Und mit Poldi und Schweini ließ er sich nicht abspeisen. Einer hat dann behauptet, Mario Götze firmiere bisweilen unter Pummelfee. Ansonsten aber, es täte uns leid, habe keiner aus Löws Team einen richtigen Spitznamen. Oh doch, sprach der Japaner. Thomas Müller zum Beispiel. Er habe da mal was von Raumdeuter gehört. Hm. Stimmt. Die wahren Experten kommen doch aus Fernost.

Quelle: ntv.de

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