Stimmungstest nach Chaoscamp Löw zeigt Härte, Müller zieht durch
01.06.2014, 13:08 Uhr
Thomas Müller zieht schon beim Aufwärmen durch.
(Foto: imago/Eibner)
Alles ist super bei der DFB-Elf, viel besser als vor der EM. Sagt der Bundestrainer vor dem vorletzten WM-Testspiel gegen Kamerun. Während er um die Deutungshoheit kämpft, muss er aber auch Entscheidungen treffen.
Worum geht's?
Deutschland: Weidenfeller - Großkreutz, Mertesacker, Boateng, Durm - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Reus - Klose. Trainer: Löw
Kamerun: Itandje - Nounkeu, Nkoulou, Matip, Bedimo - Song, Makoun, Enoh - Moukandjo, Aboubakar, Choupo-Moting. Trainer: Finke
Schiedsrichter: Skomina (Slowenien)
Wer heute in Mönchengladbach beim Testspiel gegen Kamerun (ab 20.30 Uhr in der ARD und im Liveticker bei n-tv.de) nicht überzeugt, der bleibt zu Hause. Schließlich darf für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Brasilien nur auflaufen, wer topfit und auf der Höhe seiner Schaffenskraft ist. Da ist der Bundestrainer knallhart. Kleiner Scherz. Kapitän Philipp Lahm und Torhüter Manuel Neuer sind zwar angeschlagen und aus dem Trainingslager in die Münchner Heimat zurückgekehrt, um sich dort pflegen zu lassen, doch um ihre Teilnahme an der WM müssen sie sich nicht sorgen. Schon beim allerletzten Test am kommenden Freitag in Mainz sollen sie wieder dabei sein. Lahm habe, berichtete Joachim Löw, "fast keine Probleme mehr" mit seinem lädierten linken Fuß. Und Neuer soll nach seiner Kapselverletzung an der Schulter gegen Armenien wieder im Tor stehen. In drei Fällen aber muss er tatsächlich Härte zeigen.
Bis Montag um 23.59 Uhr muss der Bundestrainer dem Weltverband Fifa die 23 Namen aus seinem 26 Spieler umfassenden Kader mailen, die er tatsächlich mit zu WM nimmt. Wer muss also zittern? "Es sind immer harte Entscheidungen, die man treffen muss." Vermutlich wird es einen der fünf Innenverteidiger im Kader treffen. Per Mertesacker vom FC Arsenal, der Dortmunder Mats Hummels und Jeróme Boateng vom FC Bayern sind gesetzt, die Neulinge Shkodran Mustafi von Sampdoria Genua und der Freiburger Matthias Ginter stehen auf der Streichliste. Bangen müssen zwei, die als Außenverteidiger in Frage kommen: Marcel Schmelzer vom BVB hat nach einer Knieprellung in Südtirol nicht richtig trainiert, für ihn könnte sein Vereinskollege Erik Durm ins Aufgebot rutschen. Für heute Abend jedenfalls ist Durm auf der linken Seite der Viererkette eingeplant. Bangen muss auch der Schalker Benedikt Höwedes, der sich mit dem Dortmunder Kevin Großkreutz um den Platz auf der rechten Seite streitet. Und dass Höwedes Gelsenkirchener Kollege Julian Draxler es in den Kader schafft, gilt auch noch nicht als ausgemacht. Gute Chancen hingegen hat der Mönchengladbacher Christoph Kramer, der wohl als Backup für die Position des Sechsers im defensiven Mittelfeld nach Brasilien darf. Für sie gilt, was Joachim Löw sagt: "Die Entscheidungen werden wir nach den finalen Erkenntnissen aus diesem Spiel treffen. Es ist für mich noch einmal die Gelegenheit, wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Und für einzelne Spieler, auf sich aufmerksam zu machen."
Wie stehen die Vorzeichen?
Die Vorbereitung in Südtirol verlief, mit Verlaub, ja eher unglücklich. Die Pinkelaffäre des Kevin Großkreutz, die Raserei des Joachim Löw, die Verletzungen der Führungskräfte Philipp Lahm, Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger und zu schlechter Letzt der unglückselige Autounfall bei einem Sponsorentermin - das Chaoscamp in St. Leonhard sorgte beinahe täglich für Schlagzeilen negativer Art und stand unter keinem guten Stern. Und dennoch ist es nun einmal so, dass wir erst hinterher wissen werden, was dieses denkwürdige Trainingslager im Passeiertal wirklich wert war. Die Welt des Fußballs ist nun einmal bisweilen sehr schlicht. Wenn die DFB-Elf in Brasilien so reüssiert, wie sie es sich vorgenommen hat, und mit dem Weltpokal zurück in die Heimat fliegt, dann war am Ende doch alles gut. Scheidet sie nach den Partien gegen Portugal, Ghana und die USA in der Vorrunde aus, haben alle es schon immer gewusst: Das konnte nichts werden.
Bis es so weit ist, hat der Bundestrainer flugs versucht, die Deutungshoheit an sich zu reißen. Optimismus lautet die Losung der Stunde. Großkreutz spurt jetzt, die Sache mit seinem Führerschein sei intern "nicht mal im Ansatz ein Thema" gewesen, die Verletzten machen "klare Fortschritte" - und: "Auch wenn wegen des Unfalls ein Schatten über der Zeit hängt: Wir haben uns wahnsinnig wohl gefühlt. Wir kamen als Gäste und gehen als Freunde." Es ist sogar noch alles viel besser als früher. Sagt Joachim Löw. Die Mannschaft sei in diesen Tagen mehr und mehr zu einer Einheit geworden. Aus Vereinsinteressen seien nationale geworden. Der Teamspirit sei sehr gut, nicht zu vergleichen mit 2012." Besser als bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine? Seinerzeit hatten alle Beteiligten strikt geleugnet, dass es Ärger gebe zwischen den Spielern des FC Bayern, die in der Meisterschaft, dem DFB-Pokal und nicht zuletzt der Champions League nur Zweiter geworden waren, und den Spielern des Doublegewinners aus Dortmund. Nun wissen wir mehr. Aber wie dem auch sei, eine Gewissheit bleibt: Entscheidend is' auf'm Platz. Und das schon heute Abend.
Wie ist die DFB-Elf drauf?
Blendend. Sagt der Bundestrainer. Fest steht, dass die Partie gegen Kamerun als das durchgeht, was in der Fußballersprache unter "echter Prüfstein" und vor allem als "Stimmungstest" firmiert. Gelingt der DFB-Elf heute ein schönes Spielchen und ein deutlicher Sieg, dürfte sich das positiv auf die Atmosphäre rund um die Nationalmannschaft auswirken. Die Welt des Fußballs ist nun einmal schlicht. Oder wie es Dortmunds Roman Weidenfeller sagte, der heute für den verletzten Neuer im Tor steht und so zu seinem zweiten Länderspiel kommt: "Ich freue mich, gegen Kamerun zu spielen. Und ich hoffe, dass wir das Trainingslager dort positiv zu Ende bringen können." Spannend ist auch, wie Miroslav Klose sich schlägt, der heute als vorderster Angreifer beginnen wird - in seinem 132. Länderspiel. Mit bald 36 Jahren ist er der Senior im Team, nach diversen kleineren Verletzungen kommt er so langsam wieder in Fahrt. Bisher hat er bei drei Weltmeisterschaften 14 Tore geschossen, nur der Brasilianer Ronaldo, der "richtige", wie Lukas Podolski sagen würde, hat einen Treffer mehr auf seinem WM-Konto. In seiner Eigenschaft als Stürmer ist er im Kader des DFB nahezu konkurrenzlos, nur der Hoffenheimer Kevin Volland darf diese Bezeichnung noch für sich beanspruchen. Kloses Gegner ist allein das Spielsystem des Bundestrainers, der bisweilen dazu neigt, einfach einen Mittelfeldspieler vorne ins Zentrum zu stellen. Sicherheitshalber hatte Klose im Trainingslager verkündet: "Grundsätzlich kann ich die falsche Neun auch spielen."
Wie läuft's bei Kamerun?
Geht so. Trainer Volker Finke, einst eine Institution beim SC Freiburg, hat sich und seine Spieler im österreichischen Kufstein auf die Weltmeisterschaft vorbereitet. Dort spielt Kamerun in einer Gruppe mit Gastgeber Brasilien, Mexiko und Kroatien. Wie Finke der "Berliner Zeitung" sagte, haben sie im Land ein Problem, die Leistungsfähigkeit seiner Mannschaft realistisch einzuschätzen. "Im Grunde ist die Erwartungshaltung, dass wir ins Endspiel kommen." Am Donnerstag allerdings verlor das Team gegen Paraguay mit 1:2, zuvor gab es ein 2:0 gegen Mazedonien.
Für Aufsehen sorgte allerdings ein Prämienstreit zwischen den Akteuren und dem Verband. Heimische Medien hatten berichtet, die Nationalspieler hätten für die erfolgreiche WM-Qualifikation 182.000 Euro pro Person verlangt und das nachgebesserte Angebot der Regierung von 68.000 Euro abgelehnt. Angeblich sollen sie damit gedroht haben, das Testspiel gegen die DFB-Elf platzen zu lassen. "Das ist eine Geschichte, die zwischen den Spielern und den Verantwortlichen abläuft. Da halte ich mich komplett raus", sagt Finke. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Samuel Eto'o ist wieder fit, er soll heute spielen können - "zumindest einige Minuten". Der Angreifer des FC Chelsea sagt übrigens: "Wir können es bis ins Halbfinale schaffen." Hoffnungen auf einen Startelfeinsatz heute dürfen sich die Bundesligaprofis Joel Matip vom FC Schalke 04 und Eric-Maxim Choupo-Moting vom FSV Mainz machen.
War sonst noch was?
Thomas Müller, Mittelfeldspieler des FC Bayern, hält sich für enorm ehrgeizig. Zumindest hat er das dem Berliner "Tagesspiegel" gesagt. Mats Hummels lässt er nicht einmal beim Snooker gewinnen, und Sport mit seiner Liebsten kommt nicht in die Tüte. "Tennisspielen mit der eigenen Frau ist keine so gute Idee. Meine Frau spielt ganz ordentlich. Wenn ich ihr den Ball so rüberspiele, dass sie etwas damit anfangen kann, läuft es ganz gut. Aber alle Viertelstunde muss ich halt auch mal durchziehen, sonst werde ich nervös. Deshalb lassen wir das mit dem Tennisspielen seit ein paar Jahren lieber." Und gehen spazieren.
Quelle: ntv.de