In 24 Jahren von Rom nach Rio Magische Nächte mit der DFB-Elf
14.07.2014, 14:48 Uhr
Das Maracanã-Stadion am WM-Abend 2014.
(Foto: imago/Fotoarena International)
Was ist eigentlich das Besondere an diesen Endspielen, von denen sich die Menschen noch Jahrzehnte später erzählen? Es könnte darin liegen, dass eine Mannschaft nicht so oft Fußball-Weltmeister wird. Das sind Momente für die Ewigkeit.
Er steht da am Rand des Rasens, blinzelt in die Sonne und schaut versonnen ins weite Rund. Minutenlang, wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal ein ausverkauftes Fußballstadion betritt und überwältigt ist vom dem, was er da sieht und hört. Die sonnenerhellte Gegentribüne, die deutschen Fans in ihren weißen Trikots zur Linken, die Himmelblauen aus Argentinien überall, und dazwischen die aus Brasilien, die hier sind, weil sie gehofft hatten, ihre Seleção würde es auch schaffen. Mehr als 70.000 Menschen, die die Hoffnung herführt, dass heute Großes geschieht. Etwas, an das sie sich noch sehr lange erinnern.
Dann streicht sich Roman Weidenfeller mit der rechten Hand durchs Haar, lächelt, dreht sich um und geht zurück in die Kabine, um sich umzuziehen. Rio de Janeiro, Sonntag, den 13. Juli 2014, 14.45 Uhr. In 75 Minuten beginnt im Estadio do Maracanã das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Um 18.36 Uhr wird das Flutlicht scheinen und der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli die Partie abpfeifen. Deutschland ist Weltmeister, Weidenfeller auch, obwohl er nicht mitgespielt hat bei diesem großen Finale. Er ist nur der Ersatzmann, natürlich steht Manuel Neuer im Tor, wie immer bei diesem Turnier in Brasilien.
Intensiv wie ein Boxkampf
Weidenfeller ist 33 Jahre alt, er spielt mit Borussia Dortmund alle zwei Wochen vor mehr als 80.000 Zuschauern, er ist mit dem BVB Deutscher Meister geworden und stand im Londoner Wembleystadion in einem Finale der Champions League. Wenn einer wie er sich so beeindrucken lässt, alles in sich aufsaugt, dann muss doch etwas dran sein an diesen magischen Nächten, wie sie nur alle Jubeljahre vorkommen.
Das verbindet ihn mit den 70.000 Menschen im Stadion und mit denen, die sich das Spiel im Fernsehen angeschaut haben. Jeder von ihnen kann seine ganz persönliche Geschichte erzählen, gestern sind wieder Millionen hinzugekommen. Es war eine Partie, die mehr einem Boxkampf glich und so spannend war, dass immer mal wieder während dieser intensiven zwei Stunden im Maracanã nur Gemurmel zu hören war, bevor die Zuschauer ihre Anspannung herausließen, die Argentinier lauter und ausdauernder als die Deutschen.
500 Mark sind zu viel
Zumindest bis zu jener 113. Minute, in der Mario Götze einer der elegantesten K.-o.-Schläge der Fußballgeschichte gelang, der die Argentinier schockte, die deutschen Fans in einen Freudentaumel versetzte und ihnen einen Moment für die Ewigkeit schenkte. Das hört sich pathetisch an, ist es auch. Aber viele von ihnen, ob Gewinner oder Verlierer, können ihr Leben anhand von Weltmeisterschaften strukturieren. Sie wissen genau, wo sie waren und was sie gefühlt haben, als ihre Mannschaft Weltmeister wurde.
Ich zum Beispiel. Rom, 8. Juli 1990. Vier Freunde stehen vor dem Olympiastadion und wollen das Finale gegen Argentinien sehen. Doch 500 Deutsche Mark auf dem Schwarzmarkt sind zu viel - für vier Karten. Das sprengt das Budget, beschließen wir. Als Andreas Brehme den Elfmeter verwandelt, stehen wir an einer Imbissbude mit einem Schwarz-Weiß-Fernseher. Es war trotzdem eine magische Nacht, 24 Jahre ist das nun her. Gestern hat sich für mich der Kreis geschlossen, auch wenn sich als Reporter die Perspektive verändert hat. Lange nach dem Abpfiff habe ich es in den Innenraum geschafft. Ich habe mich an den Rand des Rasens gestellt und mir alles noch einmal genau angesehen. Wie ein kleiner Junge.
Quelle: ntv.de