Fußball-WM 2018

DFB-Torwart mit Ausflugstrieb Manuel Neuer, der Libero

Im Achtelfinalspiel gegen Algerien versuchte sich Neuer einfach mal als Manu, der Libero.

Im Achtelfinalspiel gegen Algerien versuchte sich Neuer einfach mal als Manu, der Libero.

(Foto: REUTERS)

Er grätscht, schießt und köpft. Seine Hände benutzt er nicht, denn wo er es tut, darf er sie nicht benutzen. Die Rede ist von Manuel Neuer, der gegen Algerien mit tollkühnen Rettungstaten außerhalb des Strafraums zum besten deutschen Abwehrspieler avanciert.

Ohne Manuel Neuer stünde Deutschland wohl nicht im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft. Die tollkühn wirkenden Rettungstaten des deutschen Schlussmann Torwart Manuel Neuer au ßerhalb seines Strafraumes waren ein Spektakel und zugleich der Grundstein beim Zitter-Sieg gegen Algerien. Es war wohl einer der spektakulärsten Auftritte eines Keepers in der langen DFB-Historie. 19 Ballkontakte außerhalb des deutschen 16-Meterraums zählten die Statistiker.

Wann immer die Algerier ihre Angriffsläufe starteten, Neuer schmiss sich wagemutig in den Ball. Er grätschte, schoss oder köpfte das runde Leder aus der Gefahrenzone. So rettete er in der 9. Minute nach Ballverlust von Shkodran Mustafi auf der rechten Seite gegen Islam Slimani. In der 28. Minute eilte der Münchner gegen Sofiane Feghouli wieder aus seinem Tor und verhinderte Schlimmeres. Auch in der 71. Minute stockte ganz Fußball-Deutschland der Atem, als Neuer per Kopf vor seinem Strafraum erneut gegen Slimani zur Stelle war. Und erst recht in der 89. Minute, als er den Last-Minute-K.o. gegen Fehouli verhinderte. Dass anschließend nicht Neuer sondern Algeriens Schlussmann M'Bohli zum Man of the Match gewählt wurde, konnte niemand verstehen. Die deutschen Fans wissen jedenfalls genau, wer sie im WM-Turnier gehalten hat.

Entsprechend wurde Neuer auch mit Lob von allen Seiten überschüttet. "Er war überragend gut. Er hat wie ein Libero reagiert und uns vor vielen brenzligen Situationen bewahrt", würdigte Bundestrainer Joachim Löw die außergewöhnliche Vorstellung seines besten Abwehrspielers. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke scherzte, einen besseren Libero habe er selten gesehen, "den Franz Beckenbauer vielleicht". Aber der deutsche Fußball-"Kaiser" war in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Feldspieler und kein Torwart. "Ich helfe, wo ich kann", sagte der bestaunte Neuer selbst und gestand: "Klar, ich habe in der einen oder anderen Situation Kopf und Kragen riskiert." In einigen Situationen, gestand er, sei es "schon ein bisschen eng" gewesen.

Noch keine  Rote Karte bekommen

Neuer bewertet sein Tun als kalkuliertes Risiko. "Wenn ich Angst hätte, würde ich auf der Linie bleiben", beschrieb er das Spiel als Rettungsdienst hinter einer hochstehenden Abwehrkette. Es sei ein schmaler Grat, auf dem er wandeln müsse. "Aber ich kann da nicht das Zögern anfangen. Ich muss meine Entscheidung zu hundert Prozent durchziehen." Der Erfolg gibt ihm recht: "Ich habe bis jetzt noch keine Rote Karte erhalten. Ich achte schon darauf, dass ich nicht vom Platz fliege", auch wenn es "manchmal schon eng ist".

Das Algerien-Spiel bewies, warum Löw und Köpke so sehr gehofft hatten, dass der Bayern-Schlussmann nach der Schulterverletzung im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund bis zur WM wieder fit werden würde. Denn die besonderen Libero-Qualitäten besitzt Deutschlands Nummer 2 Roman Weidenfeller nicht. "Manuel hat schon früher immer gezeigt, dass er ein Riesenkicker ist", bemerkte der langjährige Schalke-Kollege Benedikt Höwedes über den spielenden Schlussmann.

"Der kompletteste Torwart"

Im Kerngeschäft war Neuer gegen Algerien kaum gefordert. Die wenigen Bälle, die aufs Tor kamen, konnte er bis auf das nicht mehr entscheidende 1:2 von Abdelmoumene Djabou abwehren. "Er musste im Tor, auf der Linie, nicht überragend halten. Überragend war, wie er mitgespielt hat, weil die langen Bälle der Algerier auf ihre schnellen Stürmer immer gefährlich waren", kommentierte Löw. "Insgesamt sind diese Präsenz und das Antizipieren einmalig", sagte Köpke über die Libero-Qualitäten von Neuer. "Manu hat das Auge. Dafür ist er weltberühmt geworden", meinte Abwehrchef Per Mertesacker. "Er ist auf jeden Fall der kompletteste Torwart. Im Moment sehe ich keinen besseren", urteilte Köpke, der Europameister von 1996.

Neuer ist ein Erfolgsgarant, beim FC Bayern und im Nationaltrikot. Von 49 Länderspielen mit ihm gewann Deutschland 38, nur drei gingen verloren; bei der WM 2010 gegen Serbien (0:1) und im Halbfinale gegen Spanien (0:1) sowie beim Halbfinal-K.o. gegen Italien (1:2) bei der EM 2012. Am Freitag im Finalort Rio de Janeiro bestreitet der 28-Jährige gegen Frankreich sein 50. Länderspiel. Zum Jubiläum wünscht sich Neuer den Einzug ins WM-Halbfinale: "Wir brauchen aber mehr als hundert Prozent, um die Franzosen schlagen zu können." Und einen Libero Neuer in der Galaform von Porto Alegre.

Quelle: ntv.de, dsi/dpa

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