Der stille Herrscher Messi in der Metamorphose
15.06.2014, 11:33 Uhr
Zwei WM-Teilnahmen blieben bisher ohne Krönung - Lionel Messi.
(Foto: imago sportfotodienst)
Es ist an der Zeit für den dritten WM-Titel Argentiniens. Und auch für Lionel Messi. Um vom Wunderknaben zum Anführer zu werden. Um sein Team zurück an die Weltspitze zu führen. Und die Sehnsucht seiner Landsleute zu stillen. Es könnte ihm gelingen.
Den Blick gesenkt, das seltene Lächeln scheu. Der Torjubel bescheiden, fast demütig. Sein Spiel so perfekt, dass es schon beinahe langweilig wirkt. So kennt man Argentiniens Superstar Lionel Messi. Und so hat er es zu Weltruhm gebracht.
Erstaunlich für einen, dem der Rummel und das Getöse des modernen Fußballs offensichtlich zu viel ist. Der die lästigen Interviews nur nuschelnd und schüchtern hinter sich bringt. Der so gar nichts mit der extrovertierten Selbstdarstellung anderer Fußballgrößen am Hut hat. Und dennoch führt kein Superlativ an ihm vorbei. Warum? Weil Lionel Messi der beste Fußballer der Welt ist.
Natürlich, der Planet ist voll von fantastischen Spielern. Spielern, die sogar mehr begeistern als Messi. Und woran macht man überhaupt den Besten fest? Vielleicht daran, wer das Spiel am meisten verinnerlicht hat. Daran, wer - egal, in welcher Situation - am sichersten das Spielgerät beherrscht? Oder auch die entscheidenden Tore schießt? Wie die Frage auch lautet, die Antwort ist meist Lionel Messi. Punkt.
Hellblau-weiße Tristesse
Und dennoch, mit Argentinien hat er noch nichts gewonnen. Zwei WM-Teilnahmen blieben ohne Krönung. Einmal mehr bestätigte sich, dass Messi kein Anführer ist. Und zum Leidwesen seiner Landsleute auch nicht der Messias. Überhaupt, in Argentinien ist Messi nicht unumstritten. Zu europäisch, zu wenig leidenschaftlich, zu gehemmt sei er, so der Vorwurf. Und eben im hellblau-weiß gestreiften Trikot der Nationalmannschaft zu erfolglos. Dass er mit seinem Verein, dem FC Barcelona, und auch selbst jeden nur erdenklichen Titel eingeheimst hat, erhöht nur den Argwohn am Rio de la Plata.
Aber auch mit den Katalanen lief es zuletzt nicht mehr rund. Messi selbst wirkte in den letzten zwei Spielzeiten des Öfteren uninspiriert. Auch plagten ihn ungewohnt viele Verletzungen. Bei anderen Spielen traf er dafür wieder doppelt und dreifach. Der Verlässliche wollte oder konnte nicht mehr perfekt funktionieren. Doch das muss kein Nachteil sein. Denn selten gelang es den Spielern oder Mannschaften, die im Vorfeld einer WM alles und jeden an die Wand gespielt haben, dies später im Turnier zu wiederholen. Dass zudem das Interesse der Fußball-Öffentlichkeit etwas erlahmte, dürfte auch in seinem Sinne sein. Andere Helden sind nun gefragter.
Machtfaktor Messi
Dennoch, irgendetwas scheint an ihm zu nagen – da die Messi-Automatismen offensichtlich nicht mehr ganz so reibungslos funktionieren. Einfach nur zu spielen, scheint nicht mehr auszureichen. Messi will mehr. Wer genau hingeschaut hat, der konnte in den letzten Monaten eine andere Gestik bei ihm ausmachen. So manches Tor bejubelte er mit verzerrtem Gesicht und geballter Faust. Messi steckt mitten in einer Metamorphose. Er möchte das Spiel dominieren. Als Anführer und nicht als Wunderknabe. Auf dem Platz. Daneben mischt Messi ohnehin schon lange mit. So machte mutmaßlich keiner seiner Trainer der letzten Jahre eine Mannschaftsaufstellung ohne seinen Segen – auch nicht der vielgerühmte Pep Guardiola.
Wen Messi nicht auf dem Feld sehen will, der hat es schwer. Das musste auch sein Nationalmannschaftkollege und Publikumsliebling Carlos Tevez erfahren. Er darf die WM vorm heimischen Fernseher verfolgen. Und auch die Verpflichtung des Brasilianers Neymar zu seinem FC Barcelona hat Messi geärgert. Noch dazu, da sich dieser als einer der teuersten Transfers der Fußballgeschichte herausstellte – inklusive eines Handgeldes von 40 Millionen Euro für den clownesken Kollegen. Eine Majestätsbeleidigung, die kürzlich zu einer Gehaltserhöhung des Argentiniers geführt hat – trotz laufenden Vertrags. 20 Millionen Euro netto pro Saison sollen es jetzt sein. Ansonsten hätte Messi seine Tore wohl anderswo geschossen.
Diese Geschichten mögen erstaunen, zeigen sie doch, dass der Argentinier über ein ungeahntes Machtbewusstsein verfügt. Und Messi will nicht weniger, als sein Land zum dritten Titel zu führen. Es könnte ihm gelingen.
Quelle: ntv.de