WM-Experte Christian Ziege "Spanien geht mit breiter Brust in die Partie"
13.06.2014, 11:24 Uhr
2010 hielten die Spanier nach dem Finale gegen die Niederlande den Pokal in der Hand.
(Foto: picture alliance / dpa)
Er spielte 72 mal für Deutschland, nahm an zwei Fußball-Weltmeisterschaften teil und wurde 1996 Europameister: Heute trainiert Christian Ziege den Drittligisten SpVgg Unterhaching - und kommentiert das WM-Geschehen für n-tv.de.
n-tv.de: Gastgeber Brasilien gewinnt das erste Spiel der WM gegen Kroatien. Haben sie mit den Kroaten getrauert oder mit den Brasilianern gejubelt?
Christian Ziege: Ich fand das Spiel sehr interessant. Den Brasilianern war der Druck, der auf ihren Schultern im eigenen Land lastet, am Anfang der Partie deutlich anzumerken. Dadurch kamen die Kroaten auch sehr gut ins Spiel. Aber die Brasilianer haben ein unglaubliche Qualität, vor allem bei den Einzelspielern wie Neymar oder auch Oscar, die dann so Spiele ganz schnell für sich entscheiden können.
War es ein Elfmeter für Brasilien oder war es keiner? Inwieweit ist eine Diskussion über die Schiedsrichter jetzt zum WM-Start sinnvoll?

Soll der japanische WM-Schiri weitere Spiele pfeifen?
Es war absolut kein Elfmeter. Und ich finde, die Diskussion über die Schiedsrichter ist die Falsche. Es sind Menschen, die nun mal versuchen, ihren Job so gut wie möglich zu machen - und das unter einem extremen Druck. Da werden nun mal auch Fehler in entscheidenden Situationen gemacht. Für mich sind wir da an einem Punkt, wo die Torlinientechnik in ein neues Licht gestellt werden muss. Ob ein Ball im Tor ist oder nicht, ist dann nicht entscheidend, wenn der Schiedsrichter immer noch ein Mensch ist, der Fehler machen kann: Es muss immer noch der Schiedsrichter entscheiden, ob es ein Strafstoß ist oder eben nicht. Gestern war es eine Entscheidung für die Brasilianer, die dadurch in Führung gehen konnten. Dementsprechend ist die Torlinientechnik einerseits eine tolle Sache, aber es nützt eben einfach nichts, wenn der Schiedsrichter so spielentscheidende Fehlentscheidungen trifft.
Joachim Löw hat gesagt, er spürt schon das Feuer bei den Spielern im Training - Sie kennen das, Wie ist es als Spieler drei Tage vor dem ersten WM-Spiel?
Ich glaube, dass da jetzt richtige Vorfreude herrscht. Die Spannung wird immer größer, das Kribbeln steigt! Nach einer langen Fußball-Saison, nach nochmaliger Vorbereitung mit der Nationalmannschaft zum Turnier, ist natürlich das Ziel ganz nah. Umso näher man zum Spiel kommt, umso mehr freut man sich und hofft natürlich, dass man dabei sein darf.

Bayern München, AC Mailand, Middlesbrough, Liverpool, Tottenham Hotspur und Borussia Mönchengladbach: Christian Ziege war zwischen 1990 und 2005 aktiver Fußball-Profi.
(Foto: imago/VIADATA)
Joachim Löw meint, er liebt es, etwas einzustudieren. Aber er will keine Stammelf. Wie passt das zusammen?
Das passt zusammen. Man hat ja bei dem Turnier die Problematik, dass man 23 Spieler hat. Abläufe, Spielzüge müssen einstudiert werden, es muss darauf geachtet werden, dass alle Spieler wissen, um was es bei dem Turnier geht. Man kann nicht davon ausgehen, dass ein Turnier mit ein und derselben Elf durchgespielt wird. Die Spieler, die eingewechselt werden, müssen ja auch alle wissen, wie die Abläufe im Spiel sind. Es wird auch Formschwankungen, Verletzungen oder vielleicht Sperren geben, bei denen der Trainer reagieren muss. Also müssen alle Spieler die Abläufe kennen und nicht nur die ersten Elf.
Gleich am zweiten Spieltag der WM steht ein echter Knaller auf dem Programm. Heute treffen in einer Neuauflage des Finals von 2010 Titelverteidiger Spanien und die Niederlande aufeinander. Spanien hat viel von seiner Strahlkraft und spielerischen Dominanz verloren. Haben einige Spieler den Zenit überschritten?
Ich glaube nicht, dass die Spanier von ihrem Glanz verloren haben. Es sind vielleicht einige Spieler etwas älter geworden oder waren in der Saison nicht so überragend. Aber ich glaube, dass die Spanier immer ein Wörtchen mitzureden haben - und seit den letzten Jahren sind sie das Maß aller Dinge. Das zeigt auch der Fußball in Europa. Zwei spanische Mannschaften im Champions-League-Finale, auch im Europa-League-Finale stand eine spanische Mannschaft. In Spanien wird zur Zeit der Fußball gespielt, an dem man sich anlehnen muss. Die Spanier werden mit breiter Brust in die Partie gegen die Niederlande gehen.
Quelle: ntv.de