Kolumnen

An der Seitenlinie Bayernfans? Gibt es nicht!

Wer dem FC Bayern die Daumen drückt, hat, so vermuten wir, derzeit nicht allzu schlechte Laune. Stehen die Münchner doch auf Platz zwei der Bundesligatabelle, mit 60 Zählern punktgleich hinter dem VfL Wolfburg, und haben beste Chancen, am 23. Mai ihre 22. Deutsche Meisterschaft zu feiern. Das ist bezeichnend.

Nur wer richtig leidet, kann sich auch richtig freuen.

Nur wer richtig leidet, kann sich auch richtig freuen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Zwar können auch, in der Reihenfolge der aktuellen Tabelle, Hertha BSC (59), der VfB Stuttgart (58) und - mit Abstrichen - sogar noch der Hamburger SV und Borussia Dortmund (beide 55) den Titel gewinnen. Aber die Bayern stehen, drei Spieltage vor Schluss, besser da als je zuvor in dieser Saison. So eng ging es in 45 Jahren Bundesliga noch nie zu. Das zeigt zweierlei: Eine andere Mannschaft als der FC Bayern kann nur Deutscher Meister werden, wenn der FC Bayern ein schwaches Jahr erwischt. Und selbst dann nicht unbedingt. Denn eigentlich dachten wir, in München sei in dieser Spielzeit alles schief gelaufen, was schief laufen kann.

Das Schlimmste ist ein Jahr Uefa-Pokal

Und zweitens: Es kann keine echten Bayernfans geben. Weil sie die Leiden des echten Fans nicht kennen. Das ist nicht ihre Schuld, sieht man einmal davon ab, dass sie sich irgendwann entschieden haben, der erfolgreichsten deutschen Mannschaft die Daumen zu drücken. Das schlimmste, was einem Bayern-Sympathisanten passieren kann ist, dass seine Mannschaft zwischendurch ein Jahr im Uefa-Pokal spielt. Katastrophe! Oder nur mit 3:1 in Cottbus gewinnt. Nur 3:1! Wie schrecklich. Ansonsten treffen sie sich Jahr für Jahr auf dem Marienplatz, um irgendwas zu feiern. Das ist doch kein Leben.

Die wahren Dramen spielen sich im Abstiegskampf hat. Selten waren die Mannschaften im Keller der Tabelle so schwach, selten zuvor reichen so wenige Punkte, um den Klassenerhalt zu schaffen. Auch hier ist es spannend, fünf Mannschaften wehren sich mehr oder weniger gegen den Abstieg: der Karlsruher SC, Tabellenletzter mit 23 Punkten, Energie Cottbus, Arminia Bielefeld, Borussia Mönchengladbach (27) und der VfL Bochum (28). Und wer auch nur ein Jahr Zweitligafußball hinter sich hat, weiß, was der ehemalige Bochumer Angreifer Delron Buckley gemeint hat, als er sagte: "Zweite Liga ist Schweineliga." Bayernfreunde können das nicht wissen. Die des VfL Bochum wohl. Das ist er Unterschied zwischen Fans und Zuschauern.

Der echte Fan muss leiden

Und noch ist ja nicht alles vorbei.

Und noch ist ja nicht alles vorbei.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

"Der echte Fan muss leiden", schreibt der Bochumer Autor Frank Goosen. "Und meine Mannschaft, der VfL Bochum, sagt sich immer wieder: Wir geben den Leuten, was sie brauchen." Das ist nicht neu, aber niemand hat es so schön aufgeschrieben wie Goosen in seinem Buch "Weil Samstag ist". Bei der jüngsten Niederlage in Berlin, der vierten in Folge, war das gut zu sehen. So gut, dass erste Zweifel aufkamen, ob wir das wirklich brauchen. Aber es gibt keine Alternative. Und kein Verständnis dafür, wenn Kollegen, die es gut mit einem meinen, vor dem Spiel "viel Spaß" wünschen. Darum geht es nicht. Nicht, wenn 70.000 entfesselte Berliner ihre Mannschaft feiern und die 500 Bochumer in ihrem Block den Tränen nahe sind.

Doch nur wer richtig leidet, kann sich auch richtig freuen, im richtigen Leben wie in der Welt des Fußballs. Davon haben sie in München keine Ahnung. Obwohl wir auch gerne mal wieder gewinnen würden. Wenigstens ein, zwei Spiele.

Stefan Giannakoulis, Sportredakteur bei n-tv.de, schreibt immer zu Wochenbeginn das auf, was ihm im Sport ein wenig komisch vorkommt.

Quelle: ntv.de

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