Der 25. Spieltag Hoffenheimer Vokabeltraining
20.03.2009, 10:48 UhrDie Adjektive "enttäuscht" und "überheblich" muss der Hoffenheimer Durchschnittsbürger normalerweise im Duden nachschlagen. Für Enttäuschung gab es im noch jungen Hoffenheimer Bundesliga-Leben lange keinen Grund, denn die TSG spielte traumhaften und erfolgreichen Fußball ohne dabei - Fremdwort Nummer 2 - je überheblich zu werden. In Interviews mit Trainer Ralf Rangnick tauchten daher eher Worte wie „uneingeschränktes Lob, "klasse Leistung" und "verdienter Sieg" auf. Das ist nun anders. Rangnick musste das Hoffenheimer Fußball-Vokabular zuletzt deutlich erweitern.
Nach dem 1:1 gegen Abstiegskandidat Eintracht Frankfurt kamen nun aber eben jene Adjektive „enttäuscht und „überheblich über Rangnicks Lippen und es gibt keine Wörter, die die aktuelle Hoffenheimer Verfassung besser beschreiben. Dem Zauberfußball der Hinrunde ist der Erfolg abhanden gekommen und was übrig bleibt ist oft Überheblichkeit. Nur einen Sieg konnte Hoffenheim 2009 feiern, daneben gab es fünf Unentschieden, eine Niederlage und den Sturz vom Herbstmeister-Thron auf Rang fünf.
Brotlose Pass-Stafetten
Die Tugend der Hoffenheimer wurde dabei zu ihrer Schwäche, denn Rangnicks Truppe versucht, jedes Problem auf dem Feld mit ästhetisch anspruchsvollen Mitteln zu lösen. Tore bitte nur nach sechsstufiger Pass-Stafette mit anschließendem Übersteiger, man ist ja hier nicht in Cottbus ... Wenn der Gegner, wie zuletzt Frankfurt, mit viel Körperkontakt spielt und das Spiel mit Gewalt an sich reißt, hat Hoffenheim oft nichts dagegenzusetzen.
Gut, dass der neue Gegner der TSG anders gestrickt ist, denn bei Hannover 96 kommen Körperkontakt und Gewalt eher selten vor, erst recht nicht in der Abwehr. Dort wollen es sich die Angestellten mit den gegnerischen Stürmern nicht verscherzen und ließen schon bereitwillig 50 Gegentore zu. Traumtore, Eigentore, Abstaubertore - alles dabei. Hoffenheim kann gegen 96 also mal in Ruhe ausprobieren, wie man diese stinknormalen Tore schießt, die man in der Bundesliga zum Überleben braucht.
Tore - ob stinknormal oder außergewöhnlich- sind auch in Dortmund ein großes Problem. Niemand weiß so richtig darüber Bescheid. Die Abwehr sieht eher selten welche, denn sie gehört zu den fünf besten der Liga, der Sturm aber auch nicht, denn BVB-Akteure findet man in der Torjägerliste erst ab Platz 17 abwärts. Das Lieblingsergebnis des BVB lautet logischerweise 1:1. Das gab es schon sieben Mal. Ein achtes Mal zu verhindern ist Jürgen Klopps innigster Wunsch vor dem Spiel gegen Bremen.
Denn 1:1 ist auch die perfekte Charakterbeschreibung der Borussia im Jahre 2009: Nicht schlecht, aber auch nicht gut. Und ein weiteres dieser mittelmäßigen Unentschieden wäre der Todesstoß für das Dortmunder Projekt "Uefa-Cup-Platz", das mit einer guten Hinrunde allerbeste Voraussetzungen hatte. Inzwischen sind es neun Punkte, die dem BVB bis Platz fünf fehlen und im Spiel gegen Bremen geht es in dieser Hinsicht um echte Big Points.
Denn die Bremer verfolgen etwas ungeplant die gleichen Ziele wie der BVB. Meisterschaft und Champions League sind schon lange kein Thema mehr für den Tabellenzehnten, doch nach der Leistungssteigerung der vergangenen Wochen und dem jüngsten 4:0 gegen Stuttgart ist wenigstens ein Uefa-Cup-Rang wieder im Bereich des Möglichen.
Gesetzt den Fall, man wird nicht überheblich. Dafür sind die Bremer Ballkünstler Diego, Özil und Pizarro nämlich ebenfalls durchaus zu haben. Und das Wort „enttäuscht" hat Werder-Trainer Thomas Schaaf in dieser Saison nun wirklich oft genug in den Mund genommen.
Malte Buhse, Sportjournalist und begeisterter Hobbykicker, wirft für n-tv.de jeden Freitag einen Blick auf das kommende Bundesligawochenende.
Quelle: ntv.de