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Rallye Dakar Tödlicher Zynismus

"Wenn dein Leben langweilig ist, riskiere es." Thierry Sabine hat das gesagt, der Erfinder der Rallye Paris-Dakar. Und so für die erste Wettfahrt 1978 geworben. Seitdem sind 57 Menschen bei diesem Rennen gestorben.

Wüstenkrieger: Mit diesem Auto haben der Deutsche Mirco Schultis und sein aus der Schweiz stammender Beifahrer Ulrich Leardi eine Frau überfahren. Hier ein Mann, der bei dem Unfall ebenfalls verletzt wurde.

Wüstenkrieger: Mit diesem Auto haben der Deutsche Mirco Schultis und sein aus der Schweiz stammender Beifahrer Ulrich Leardi eine Frau überfahren. Hier ein Mann, der bei dem Unfall ebenfalls verletzt wurde.

(Foto: AP)

In diesem Jahr führt die Rallye wieder, zum zweiten Mal, durch Südamerika. Zum Auftakt am Sonntag haben der Deutsche Mirco Schultis und sein aus der Schweiz stammender Beifahrer Ulrich Leardi mit ihrem Geländewagen, der unpassenderweise "Desert Warrior" – Wüstenkrieger – heißt, in Argentinien eine Frau überfahren. Sonja Natalia Gallardo starb an schweren Verletzungen am Hirn, am Unterleib und an der Brust. Sie wurde 28 Jahre alt.

Im vergangen Jahr starben beim Sieg des Südafrikaners Giniel de Villiers mit seinem deutschen Beifahrer Dirk von Zitzewitz zwei Menschen bei einem Unfall nördlich der chilenischen Hauptstadt Santiago. Doch das Spektakel geht weiter. Aber muss es das? Nein. Es kann, es darf so nicht weitergehen.

Die Verteidigung ist legitim – aber zu schwach

Auch wenn Giniel de Villiers und viele seiner Kollegen das nicht so sehen. Die Tageszeitung "Die Welt" hatte den Sieger kurz vor der Rallye Dakar in diesem Jahr gefragt, was er zu den vielen Toten sage, die sein, nun ja, Sport schon gefordert habe. Wir zitieren: "Das ist ein Punkt, wo man nur die Chance hat, auf andere Sportarten zu verweisen. Beim Bergsteigen, beim Segeln, beim Boxen, beim Reiten gibt es auch Todesopfer."

"Beim Bergsteigen, beim Segeln, beim Boxen, beim Reiten gibt es auch Todesopfer": Giniel de Villiers.

"Beim Bergsteigen, beim Segeln, beim Boxen, beim Reiten gibt es auch Todesopfer": Giniel de Villiers.

(Foto: REUTERS)

Dass Giniel de Villiers den Motorsport verteidigt, ist sein gutes Recht. Aber die Verteidigung ist schwach, zu schwach, um den Wahnsinn auf Rädern zu legitimieren. Und wenn bei der Rallye Dakar im Schnitt jedes Jahr zwei Menschen ihr Leben lassen müssen, ist der Hinweis darauf, dass woanders auch schlimme Sachen passieren, nicht nur billig, sondern zynisch. Bei keinem anderen Sport werden so viele Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen.

Das Risiko ist durch nichts zu rechtfertigen

Auch der stereotype Hinweis, dass der Motorsport nun einmal gefährlich sei und Risiken berge, greift nicht. Anders als zum Beispiel in der Formel 1 können die Organisatoren der Rallye Dakar die 4500 Kilometer lange Strecke nicht komplett absichern. Wer sich als Zuschauer dorthin begebe, müsse sich der Gefahr bewusst sein, argumentieren die Veranstalter – und versuchen so, die Verantwortung abzuschieben.

Teilnehmer und Fans sprechen von der härtesten Wettfahrt der Welt und preisen die Rallye als eines der letzten Abenteuer auf dieser Erde. Die Fahrer wissen – vielleicht -, worauf sie sich einlassen. Die Zuschauer wissen es offensichtlich nicht. Die Rallye Dakar ist, so schrieb die "Süddeutsche Zeitung", ein Fossil der Sportgeschichte, ein lebensgefährdender Anachronismus. Und der ist durch nichts mehr zu rechtfertigen.

Thierry Sabine starb am 14. Januar 1986 während der Rallye. Der Hubschrauber, in dem er saß, zerschellte an einer Düne in Mali. Der Mann, der die Rallye Dakar erfand,  wurde 36 Jahre alt.

Quelle: ntv.de

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