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Sie weint, flucht und wettert Wie Pechstein die Welt sieht

Die Qualifikation für die Olympischen Spiele hat sie verpasst – sie war einfach nicht schnell genug. Sie ist für zwei Jahre gesperrt, weil sie unter Doping-Verdacht steht. Doch die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein will es nicht wahrhaben. Und schlägt, verbal, um sich.

Sportlich gescheitert, wegen mutmaßlichen Dopings gesperrt: Claudia Pechstein.

Sportlich gescheitert, wegen mutmaßlichen Dopings gesperrt: Claudia Pechstein.

(Foto: AP)

Claudia Pechstein lässt nichts unversucht, ihre Unschuld zu beweisen. Das ist ihr gutes Recht. Sie wählt den Weg über die Öffentlichkeit, auch das kann sie tun. Irritierend dabei ist ihr larmoyantes Auftreten – und ihre extrem subjektive Wahrnehmung. Claudia Pechstein – und wie sie die Welt sieht. Sie rechnet mit allem und jedem ab, weint, flucht und wettert. Eine Frau fühlt sich verfolgt.

Nun hat sie auf ihrer Heimseite im Internet die Original-Messprotokolle ihrer Blutwerte bei der Weltmeisterschaft Anfang Februar im norwegischen Hamar veröffentlicht. "Jeder Mediziner, Wissenschaftler und Anti-Doping-Experte ist hiermit eingeladen, sich mein Innerstes anzuschauen und zu erläutern, ob anhand dieser Werte tatsächlich der indirekte Doping-Beweis geführt werden kann", schreibt Claudia Pechstein. Nur: Den Nürnberger Pharmakologen Professor Fritz Sörgel zum Beispiel bringt das nicht weiter. "Bis zum heutigen Tag hat nach meiner Kenntnis niemand eine schlüssige Erklärung abgegeben, wie solche Retikulozytenwerte innerhalb weniger Tage physiologisch zu erklären sind. Nur das zählt für mich."

"Arsch der Nation"

Claudia Pechstein ficht das nicht an. Sie wittert eine Verschwörung und fühlt sich zu Unrecht beschuldigt. "So was tut weh: Nichts gemacht zu haben, aber der Arsch der Nation zu sein. Das ist krass." Nun hat sie via "Bild"-Zeitung Thomas Bach, den Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, und Generaldirektor Michael Vesper aufgefordert, sich auf ihre Seite zu stellen. Doch sie glaubt selbst nicht daran. "Da gibt es diese verdammte Hörigkeit gegenüber dem Sportgerichtshof Cas. Dabei müsste von höchster Stelle mein Freispruch gefordert werden. Doch das traut sich niemand. Die opfern lieber eine unschuldige fünfmalige Olympiasiegerin, als sich mit dem Cas anzulegen."

"So was tut weh: Nichts gemacht zu haben, aber der Arsch der Nation zu sein."

"So was tut weh: Nichts gemacht zu haben, aber der Arsch der Nation zu sein."

(Foto: AP)

Der Cas ist der oberste Gerichtshof des Sports. Er hat den Fall Claudia Pechstein sorgfältig geprüft und dann ausführlich begründet, warum er die zweijährige Sperre wegen Dopings bestätigt. Damit ist der Gerichtshof mit der Internationalen Eislauf-Union (Isu) einer Meinung, die zuvor zum gleichen Ergebnis gekommen war.  Kurz: ein rundum seriöses Verfahren. Glaubt man allerdings Claudia Pechstein, ergibt sich ein ganz anderes Bild des Cas. Matti Lieske von der "Berliner Zeitung" hat das so schön zusammengefasst, dass wir das hier gerne zitieren: "Da handelt es sich beim Cas um eine quasi illegitime Zusammenrottung böswilliger Rechtsverdreher, die nichts anderes im Sinn haben, als harmlose unschuldige Sportler ins Elend zu treiben, aus purer Bosheit Existenzen zu ruinieren und sich anschließend hämisch ins Fäustchen zu lachen."

Ihre letzte Chance ist das Schweizer Bundesgericht. Das entscheidet im kommenden Jahr darüber, ob das Urteil des Cas verfahrensmäßig in Ordnung war. Mit neuen Beweisen, woher auch immer die kommen sollen, wird es sich nicht beschäftigen. Grundsätzlich hat das Bundesgericht drei Möglichkeiten: Es kann Claudia Pechstein freisprechen. Es kann das Urteil des Cas bestätigen. Oder, diese Möglichkeit gilt unter Experten als die wahrscheinlichste: Das Gericht verweist das Verfahren zurück an den Cas.

"Vielen, vielen Dank an die Isu"

Dabei könnte Claudia Pechsteins Sicht der Dinge auch damit zusammenhängen, dass sie bis zum vergangenen Wochenende zehn Monate an keinem Wettkampf mehr teilgenommen hat. In Salt Lake City verpasste sie nicht nur mit Platz 14 über 3000 Meter die Qualifikation für die Olympischen Spiele, die am 12. Februar in Vancouver beginnen. Sie nutzte die Gelegenheit auch zu einem Rundumschlag.

Und immer diese Kontrollen.

Und immer diese Kontrollen.

(Foto: AP)

"Vielen, vielen Dank an die Isu", schluchzte sie in die Mikrophone der Fernsehsender und ließ keinen Zweifel daran, dass sie dies ironisch meinte. Der Weltverband habe sie im Regen stehen lassen. "Ich denke mal, dass die Isu mich zermürben will, aber ich kämpfe weiter, und ich werde recht bekommen", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" Claudia Pechstein. Und die fühlt sich, wir erwähnten es, ungerecht behandelt.

Alle sind gegen sie, auch die bösen Dopingfahnder. Die hatten sie in Salt Lake City vor ihrer einzigen Trainingseinheit zur Kontrolle gebeten. "Was ist denn das, normalerweise macht man so etwas nach dem Wettkampf", schimpfte Claudia Pechstein. Nur: Alle anderen Athleten mussten ebenfalls vor dem Abschlusstraining ihr Blut abgeben – und nahmen die Prozedur gelassen hin. Claudia Pechstein – und wie sie die Welt sieht.

Quelle: ntv.de

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