NBA-Stars brechen fatal ein Wie konnte diese deutsche Niederlage nur passieren?

Augenscheinlich fassungslos nach der Drama-Pleite gegen Frankreich: Dennis Schröder.

Augenscheinlich fassungslos nach der Drama-Pleite gegen Frankreich: Dennis Schröder.

(Foto: dpa)

Der Goldtraum ist geplatzt, die Siegesserie gerissen. Die deutschen Basketballer haben zum ersten Mal seit 2022 eine Partie bei einem internationalen Turnier verloren und müssen sich mit dem "kleinen Finale" gegen Serbien begnügen. Frankreich trifft im Endspiel auf die USA.

"Ich bin jetzt gerade sehr enttäuscht. Wenn man so kurz vor dem Einzug in ein olympisches Finale steht, ist das glaube ich verständlich." Der deutsche NBA-Star Franz Wagner war schwer gezeichnet nach der überraschenden 69:73-Niederlage seiner Mannschaft gegen Frankreich. Auch Kapitän Dennis Schröder und der Rest des Teams waren resigniert vom Parkett in der Paris Bercy Arena geschlichen, die 12.454 Fans in den Stunden zuvor in ein blau-weiß-rotes Tollhaus verwandelt hatten.

"Die Franzosen haben heute ganz anders und viel physischer gespielt als noch in Lille. Damit haben wir unsere Schwierigkeiten gehabt", sagte Wagner nach der Partie, die eigentlich so gut begonnen hatte für den Basketball-Weltmeister. Dass die Hausherren im Vergleich zur aufschreckenden Vorrunden-Demontage vor knapp einer Woche aber nicht nur mit anderem Personal und Spielplan, sondern ganz anderer Intensität und Aggressivität agierten, wurde immer deutlicher, je länger das Spiel andauerte.

Deutschland, das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt völlig den Rhythmus verlor, schaffte zwar nach zwischenzeitlich zweistelligem Rückstand das Comeback und hatte in der letzten Spielminute sogar noch die Chance zum Sieg. Mehrere verpasste Gelegenheiten kosteten das Team von Gordon Herbert aber letztendlich den Einzug ins olympische Finale. "Ich glaube nicht, dass wir unser bestes Spiel gespielt haben. Aber auch das ist Teil des Sports. Wir haben nicht aufgegeben."

Verflixtes zweites Viertel: Der Anfang vom Ende

Als Franz Wagner nach drei Minuten im zweiten Viertel Victor Wembanyama zu einem Ballverlust drängte, hatte Frankreichs Wunderknabe nur zwei Punkte und zwei Rebounds auf dem Konto. Deutschland führte zu jenem Zeitpunkt mit sechs, Wagners plus/minus-Wert war mit plus-acht der höchste aller Akteure auf dem Parkett. Während Wagner anschließend fast sieben Minuten lang auf der Bank saß, kam die DBB-Offensive fast vollständig zum Erliegen - der Anfang vom Ende für den Weltmeister.

Angeführt von einem unermüdlichen Kapitän Nic Batum biss sich die französische Defensive mehr und mehr fest und zwang das bis dahin ballsicherste Team des Turniers zu unüblichen sieben seiner insgesamt 15 Ballverluste und mageren acht Punkten im Spielabschnitt. Es war das schlechteste Viertel in diesem olympischen Turnier für die Deutschen, die nur drei ihrer elf Wurfversuche aus dem Feld trafen, während Frankreich sieben Mal aus der Zone abschloss - sechs Mal davon per Dunk oder Korbleger. Die frenetischen Anhänger brüllten ihre "Équipe Tricolore" zum 33:33 Pausenstand.

Wie schon im Viertelfinale gegen Kanada übernahmen erneut die Rollenspieler Guershon Yabusele und Isaia Cordinier die Hauptverantwortung im Angriff, nachdem Cheftrainer Vincent Collet seine Formation und Rotation nach der peinlichen Vorrunden-Pleite radikal verändert hatte. Cordinier brachte Frankreich mit elf seiner 16 Punkte vor der Pause in Lauerstellung, ehe Yabusele seine Farben mit elf seiner 17 Punkte nach dem Seitenwechsel auf die Siegerstraße warf. Bei Deutschland ging immer weniger, die Viertel zwei und drei gingen mit 38:25 deutlich an die Hausherren. Ein weiterer Lauf zu Beginn des Schlussviertel schien beim Stand von 66:53 bereits alles entschieden zu haben.

Famoser Run wird nicht belohnt

Die Gäste kämpften sich aber noch einmal heran. Ein famoser 13:4-Run führte zum 68:70. Dann verfehlte Frankreich einen weiteren Wurf, der Rebound landete zwölf Sekunden vor Spielende bei Franz Wagner, der ins Stolpern kam und den Ball nicht sichern konnte. Deutschland schickte Wembanyama an die Linie. Der Jungstar traf aber nur einen (71:68) und zwang sein Team, umgehend zu foulen, um den Dreier zu verhindern. Schröder verfehlte jedoch den ersten seiner zwei Versuche (69:71), Cordinier machte den Vier-Punkte-Sieg schließlich mit zwei erfolgreichen Freiwürfen fest. "Das ist hart für uns. Wir hätten es in jedem Fall verdient gehabt, ins Finale einzuziehen", sagte Andreas Obst. "Das ist eine harte Niederlage, aber wir müssen die Köpfe schnell wieder hinkriegen."

Im Vorrundenspiel hatten Wagner und Schröder die Gastgeber noch an die Wand gespielt: Wagner mit zwei Monsterdunks, Schröder mit Jumpshots am Fließband, einem sogar fast von der Mittellinie. Am Ende hatten Deutschlands Stars beim 85:71-Blowout-Sieg jeweils 26 Punkte erzielt - die fünfthöchsten Scoring-Games in der Geschichte des DBB bei den Spielen, nach Detlef Schrempf, der die Plätze eins bis vier für sich beansprucht.

Paris ist aber nicht Lille, und das Halbfinale nicht die Vorrunde. Deutschlands gefährliches Duo brachte es zusammen nur auf 28 Zähler. Schröder erzielte 18 Punkte, traf aber nur sechs seiner 18 Wurfversuche und nur 3 seiner 11 Dreier. Dazu verteilte der bis dato beste Vorlagengeber des Turniers nur vier Assists - fast fünf weniger als sein Durchschnitt pro Spiel. Bei Wagner lief es noch schlechter: Der Jungstar von den Orlando Magic erzielte nur zehn Punkte bei 4-10 aus dem Feld, 2-6 von Außen und keinem einzigen Freiwurfversuch.

Eigentlich ging es doch super los ...

Besonders bitter ist, dass beide zu Beginn der Partie genau da weitermachten, wo sie vor knapp einer Woche in Lille aufgehört hatten: explosiv, effizient und effektiv beim Zersägen der französischen Defensive. Sowohl Wagner als auch Schröder starteten mit jeweils sieben frühen Punkten und verhalfen Deutschland so zur 16:7-Führung nach fünf Spielminuten. Danach ging nicht mehr viel: Wagner erzielte nur noch einen mickrigen Treffer aus dem Feld, Schröder verfehlte elf seiner 15 Wurfversuche nach dem ersten Spielabschnitt.

13 Partien in Folge war Deutschland bei internationalen Turnieren ohne Niederlage geblieben. Die bis dato letzte Pleite hatte es am 16. September 2022, im Halbfinale der EuroBasket gegen den späteren Champion Spanien, gesetzt. Seither hatten die deutschen Basketballer das Spiel um Bronze 2022, alle acht Partien beim FIBA World Cup 2023, sowie die ersten vier dieses olympischen Turniers gewonnen - zum Teil mit überragenden Vorstellungen, die Gordon Herberts Truppe als vielleicht einzigen, ernstzunehmenden Kontrahenten des schier unbezwingbaren und mit Megastars gespickten Team USA im Kampf um Gold etabliert hatten.

"Es ist kein Videospiel. Wir spielen nicht immer perfekt. Wir sind alles Menschen und werden daraus lernen", sagte Franz Wagner nach der Niederlage, und ging bei der Frage nach den Gründen genauer ins Detail. "Sie haben lange Guards, lange Flügelspieler, Wemby, Rudy, Lessort, sie spielen sehr physisch. Sie waren stark, davor muss man den Hut ziehen. Aber wir haben auch nicht unsere Sorte Basketball gespielt heute. Wir hatten nicht unseren besten Tag, und sie sind mittlerweile anders drauf als noch bei unserem letzten Aufeinandertreffen. Sie haben sehr gute Anpassungen vorgenommen, und einfach einen besseren Tag heute erwischt als wir."

Deutschland findet keine Lösungen mehr

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Dass Wagner und Schröder von der über-aggressiven Defensive der Gastgeber neutralisiert wurden, hätten eigentlich ihren Nebenleute in die Karten spielen müssen. Deutschland fiel es nach dem ersten Spielabschnitt aber zunehmend schwerer, in seine Sets zu kommen, die Schützen zu finden und Offensive zu generieren. Das bis dahin zweitbeste Angriffs-Team des Turniers geriet mächtig ins Stocken und erzielte in den finalen 30 Minuten nur noch 44 Punkte bei magerer 34 Prozent Trefferquote aus dem Feld. Dass die Franzosen auch in allen Hustle-Kategorien die Nase vorne hatten, kippte die Partie endgültig zu ihren Gunsten. Die Gastgeber erzielten mehr Punkte in der Zone, nach Ballverlusten, im Fastbreak und von der Freiwurflinie.

"Herzlichen Glückwunsch an Frankreich", sagte ein enttäuschter Bundestrainer abschließend. "Wir waren nicht so gut, haben nicht gut auf den Ball aufgepasst. Aber wir sind zurückgekommen, haben wieder viel Charakter gezeigt. So kurz nach dem Spiel kann ich nur schwer nach vorne blicken, aber wir haben noch ein ganz, ganz wichtiges Spiel zu spielen. Und darum kümmern wir uns spätestens ab Morgen früh." Deutschland trifft am Samstag in einer Neuauflage des WM-Finales auf Serbien, das einen Thriller gegen die USA (91:95) erst in den letzten Minuten denkbar knapp verlor.

Quelle: ntv.de

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