Bei Olympia im Dauerfokus Die gewaltige Aufgabe der Naomi Osaka

Naomi Osaka will sich den großen Traum erfüllen.

Naomi Osaka will sich den großen Traum erfüllen.

(Foto: imago images/AFLOSPORT)

Naomi Osaka ist einer der großen Stars der Olympischen Spiele in Tokio. Das Tennis-Ass ist eine Topanwärterin auf die Goldmedaille. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum sie im Fokus steht: Es ist der erste Auftritt seit dem Rückzug wegen Depressionen von den French Open.

Ihre Bank hatte sich Naomi Osaka für ein bisschen Schatten hinter den Schiedsrichterstuhl gestellt. Völlig unbeobachtet konnte sie die Vorbereitung auf ihre Olympia-Premiere aber nicht angehen. Mehrere Fotografen und Kameraleute nahmen am Donnerstag auf, wie der Topstar auf dem Centre Court trainierte - mit der Aufschrift "Tokyo 2020" im Rücken. Den Platz im Ariake Tennis Park verließ Osaka, als ihn Alexander Zverev für seine Einheit mit dem Weltranglistenersten Novak Djokovic gerade betrat.

Die Spiele in ihrer japanischen Heimat werden ihr erster Auftritt, seitdem sie öffentlich machte, unter Depressionen zu leiden. Osaka soll eines der Gesichter dieses Weltereignisses werden. Mit der Absage von Tennis-Weltstar Serena Williams ist sie wohl einer der größten Namen im Turnier. Ohnehin wäre das Olympia-Debüt einer der weltweit reichsten Sportlerinnen in Tokio ein großes Gesprächsthema gewesen. Nach ihrem aufsehenerregenden Rückzug von den French Open in Paris ist ihr Auftritt noch außergewöhnlicher geworden.

Nach dem lauten Rückzug in Roland Garros wurde es erstmal still um sie. Keine Interviews, kein Tennis. Erst in einem viel beachteten Essay für das "Time Magazine" erklärte sie sich: "Es ist okay, nicht okay zu sein." Vor knapp zwei Monaten hatte die viermalige Grand-Slam-Turniersiegerin mitgeteilt, dass sie seit einigen Jahren mit langen Depressionsphasen zu kämpfen habe. Die Symptome hielt sie vor der Öffentlichkeit versteckt.

"Auch Athleten sind Menschen": Sie hatte große Anteilnahme erfahren und eine Debatte über den Umgang mit psychischer Gesundheit im Spitzensport ausgelöst. Rekord-Olympiasieger Michael Phelps, die ehemalige First Lady Michelle Obama, Tennis-Weltranglistenerster Novak Djokovic: Sie alle hatten ihre Hilfe angeboten. Auf Wimbledon hat Osaka verzichtet, für die Olympischen Spiele will sie bereit sein.

"Ein großartiger Champion"

Die Frage, ob sie antreten wird, dürfte sich mit der Auslosung vom Donnerstag endgültig erledigt haben. Die Nummer zwei der Weltrangliste und Top-Anwärterin auf das begehrte Einzel-Gold beginnt ihren Weg beim am morgigen Samstag beginnenden olympischen Turnier gegen die Chinesin Zheng Saisai. Sie ist die Tochter einer Japanerin und eines Haitianers. Sie wurde einst in Osaka geboren. Als sie drei Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr in die USA. Ihre US-amerikanische Staatsbürgerschaft gab sie für die japanische ab. Nun tritt sie in Tokio für Japan an. Wie wird sie mit ihrer - trotz der leeren Zuschauerränge - mit dem gewaltigen Druck umgehen?

Das Gesicht einer ganzen Nation zu sein, ist sowieso schon schwierig. Die vergangenen turbulenten Monate werden die Dinge nicht vereinfacht haben: erst Rückzug in den Schatten, dann zurück ins grelle Rampenlicht. Er wisse, dass Osaka als japanische Hoffnungsträgerin eine große Verantwortung und große Last auf ihren Schultern trage, sagte Djokovic: "Ich glaube nicht, dass es ihr viele Probleme bereite", meinte der Wimbledonsieger, auch wenn es für Osaka nicht ideal sei, dass kein Publikum zugelassen sei: "Sie ist ein großartiger Champion."

Die Restriktionen für Journalisten dürften Osaka den Umgang mit den Medien erleichtern. Bei den French Open in Paris hatte sich die Australian-Open- und US-Open-Gewinnerin entschlossen, keine Medientermine wahrzunehmen. Als sie nach ihrem Erstrundensieg der Pressekonferenz fernblieb, bekam sie eine Geldstrafe von 15.000 Dollar. Die Organisatoren drohten mit einer Sperre.

Osaka zog ihre Teilnahme zurück. In den sozialen Netzwerken erklärte sie, sie sei grundsätzlich eine introvertierte Person. Öffentlich zu reden, falle ihr schwer. In der Tat wirkte es oft so, dass sie sich in der Rolle am Mikrofon nicht wohlfühlte. Sie kommt schüchtern rüber, spricht oft mit leiser Stimme, gab aber auch Einblicke und machte sich mit ihrem Kampf gegen den Rassismus einen Namen.

Rückkehr auf den Hartplatz

"Es ist unglaublich mutig, dass Naomi Osaka die Wahrheit über ihren Kampf mit Depressionen enthüllt hat", hatte die US-Tennisikone Billie Jean King nach der Erklärung von Paris gesagt: "Im Moment ist es das Wichtigste, dass wir ihr den Raum und die Zeit geben, die sie braucht." In den vergangenen Wochen war Osaka zwar von den großen internationalen Tennisplätzen verschwunden, aber nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung. Erst vergangenen Freitag kam eine Netflix-Dokumentation über sie heraus, mit Stolz präsentierte sie kürzlich ihre eigene Barbiepuppe. In Bademode war Osaka auf dem Cover der "Sports Illustrated", auch die "Vogue" brachte sie auf der Titelseite. Nach außen sieht sie selbstbewusst aus.

Auf dem Tennisplatz gelang ihr in den vergangenen Jahren der Umgang mit Druck bemerkenswert. Vier Grand-Slam-Titel hat Osaka bereits gewonnen. Sie wurde je zweimal Australian-Open- und US-Open-Siegerin. Jeweils auf Hartplatz. Dem Belag, auf dem auch in Tokio gespielt wird. "Ich habe mir erlaubt, den Traum zu träumen, die Goldmedaille zu gewinnen", sagte Osaka schon vor einer Weile.

Quelle: ntv.de, ses/dpa

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