"Biathlon ist als versaute Disziplin bekannt" Dopingfall sorgt für heftige Reaktionen
21.02.2014, 15:56 Uhr
Evi Sachenbacher-Stehle erzielte in Sotschi die besten Ergebnisse für die deutschen Biathletinnen.
(Foto: dpa)
Der Dopingverdacht gegen Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle bei den Winterspielen in Sotschi schlägt hohe Wellen. Fans, Funktionäre und Athleten zeigen sich schockiert. Dopingexperte Werner Franke nicht. Er attestiert dem Biathlon bei n-tv ein Dopingproblem.
Die Meldungen über eine positive Dopingprobe bei Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle haben nicht nur in Sotschi für Betroffenheit gesorgt. Zahlreiche Mitglieder des deutschen Teams zeigten sich "schockiert", Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte umgehend eine verschärfte Dopinggesetzgebung an. In den sozialen Netzwerken wurde die Athletin bereits vor einer offiziellen Reaktion durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) heftig attackiert. Ihr Bruder nahm Sachenbacher-Stehle in Schutz und schloss bewusstes Doping kategorisch aus.
Inzwischen steht fest, dass nach der A-Probe auch die B-Probe positiv ist. Das bestätigte Stefan Schwarzbach, Pressesprecher der Deutschen Skiverbandes (DSV). Gefunden worden sei ein Stimulans, das "möglicherweise" durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel in den Körper gelangt sei. Details nannte Schwarzbach nicht. Er bestätigte auch nicht, ob es bei der positiv getesteten Athletin tatsächlich um Sachenbacher-Stehle handelt.
Überrascht über Bestürzung und Erstaunen unter Fans und Funktionären zeigte sich der Dopingexperte Werner Franke bei n-tv. "Ich muss mich fast amüsiert dazu äußern, denn gerade die Disziplin Biathlon ist eine der dopingversautesten. Auch in den letzten Jahren, nicht nur bei Russinnen, sondern auch in Österreich und was weiß ich", sagte der Molekularbiologe aus Heidelberg. Es sei auch "bewiesen", dass deutsche Biathleten in ein bestimmtes Blutinstitut nach Wien und später Budapest gefahren seien, "um dort Blutdoping durchzuführen beziehungsweise kontrollieren zu lassen, wie es vermieden werden kann, das zu entdecken".
"Doping-Mixtum gang und gäbe"
Auch wenn der aktuelle Fall auf Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen sein sollte, ist Franke skeptisch. Genommen würden im Biathlon in aller Regel Mittel, "die die roten Blutkörperchen vermehren". Nicht mehr das klassische Epo, sondern sogenannte Epo-Mimetika: "Die imitieren das Epo, sind viel kürzer im Molekulargewicht, einige sogar ganz kurz, also statt 34.000 etwa 500. Die sind immer noch nicht nachzuweisen."
Grundsätzlich ist laut Franke ein "Mixtum aus verschiedenen Dopingmitteln im Biathlon gang und gäbe", da es zum Beispiel auch wichtig sei, am Schießstand ruhig zielen zu können. "Und das ist auch bekannt gewesen. Da hat es ja schon Auseinandersetzungen gegeben selbst im deutschen Fernsehen."
Der aktuelle Langlauf- und ehemalige Biathlon-Männer-Bundestrainer Frank Ullrich zeigte sich entsetzt über den Dopingfall im deutschen Team. "Das ist traurig für uns alle und ein Schock", sagte er: "Ich kann nur hoffen, dass das noch eine Wende zum Guten nimmt". Auch Kombinations-Olympiasieger Eric Frenzel zeigte sich "geschockt und sehr überrascht über diese Information".
Anti-Doping-Gesetz soll kommen
Justizminister Maas reagierte mit einer Ankündigung einer deutlichen Strafverschärfung für Dopingsünder. "Sowohl der Besitz als auch die Anwendung von Doping-Mitteln sollen unter Strafe gestellt werden. Doping-Sündern und Doping-Ärzten drohen dann Haftstrafen von bis zu fünf Jahren", sagte Maas der "Bild"-Zeitung.
In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium werde er noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, sagte der Minister weiter. "Wir sind es der Mehrheit der ehrlichen Sportler schuldig, endlich zu handeln", sagte Maas. Mit dem Gesetz werde "schon der Besitz geringer Mengen von Doping-Mitteln unter Strafe gestellt". Dies gelte sowohl für die Zeit der Sportwettkämpfe selbst als auch für die Vorbereitungs- und Trainingszeit: "Es droht gedopten Sportlern also künftig nicht mehr nur die Wettkampfsperre, sondern das Gefängnis."
"Wenn es so ist, ist es eine Riesendummheit von ihr", sagte ihr Ex-Trainer Wolfgang Pichler, der mittlerweile Frauentrainer in Russland ist. Er berichtete, dass der Ursprung einer möglichen positiven Dopingprobe bei Sachenbacher-Stehle im Konsum von verunreinigten chinesischen Energieriegeln liegen könnte. "Da muss sich die Spitze des deutschen Sports auch mal hinterfragen, ob sie die Athleten richtig aufgeklärt hat", sagte Pichler.
Heftige Anfeindungen im Netz
Derweil wurde Sachenbacher-Stehle auf ihrer Facebook-Seite heftig angegangen. "Du bist eine Schande für alle deutschen Sportler", hieß es da unter anderem. Die letzte Mitteilung von Sachenbacher-Stehle stammte von Donnerstagabend: "Die Staffelaufstellung von morgen ist raus, und ich bin leider nicht dabei. Hoffentlich ist das Glück auch mal auf unserer Seite, und die Mädels können die ersehnte Medaille holen. Ich werde am Streckenrand beim Anfeuern alles geben."
Die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin hatte mit Platz vier im Massenstart für das beste Ergebnis der enttäuschenden deutschen Biathletinnen in den Einzelrennen in Sotschi gesorgt. Für die Staffel am Freitag war sie schon nicht mehr nominiert worden.
Ihr Bruder Josef glaubt nicht an ein bewusstes Doping-Vergehen seiner Schwester. "Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Sie verachtet so was und würde niemals dopen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Josef Sachenbacher ist überzeugt: "Das wird wieder genau so wie in Turin sein. Damals war ihr Hämoglobin-Wert erhöht. Das passiert ihr immer in der Höhe. Und so wird das auch dieses Mal sein."
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa