"Punktrichter schenken Russland das Einzelgold" Eiskunstlauf-Entscheidung empört weltweit

Frust, Freude, Unverständnis: Der Sieg für Adelina Sotnikowa ist eine umstrittene Eiskunstlauf-Entscheidung.

Frust, Freude, Unverständnis: Der Sieg für Adelina Sotnikowa ist eine umstrittene Eiskunstlauf-Entscheidung.

(Foto: imago/Xinhua)

Eiskunstlauf-Legende Katarina Witt ist fassungslos nach Einzel-Gold für Adelina Sotnikowa. Nicht nur sie. Weltweit sorgt der Sieg der Russin für Unverständnis und Forderungen nach mehr Transparenz bei der Wertung. Das IOC fühlt sich nicht zuständig.

Zweimal in Folge hat Katarina Witt in den 1980er-Jahren olympisches Einzel-Gold im Eiskunstlauf gewonnen, viermal war sie Weltmeisterin. Die 48-Jährige kennt sich aus in ihrem Sport, sie hat alles schon einmal gesehen, mindestens einmal. Der Olympia-Sieg der 17-jährigen Russin Adelina Sotnikowa bei den Winterspielen im russischen Sotschi hat Witt dennoch bestürzt zurückgelassen, und mit ihrer Empörung stand sie nicht allein da. Witt hatte die südkoreanische Topfavoritin und Titelverteidigerin Kim Yung-Na vorn gesehen. Viele Experten außerhalb Russlands teilten diese Einschätzung. Als erste Konsequenz fordern sie, die Anonymität der Jury aufzuheben.

Viele Fans und Experten hatte die Südkoreanerin Kim Yung-Na wie in Vancouver vorn gesehen.

Viele Fans und Experten hatte die Südkoreanerin Kim Yung-Na wie in Vancouver vorn gesehen.

(Foto: dpa)

"Ich war komplett fassungslos und sauer auf unseren Sport, da muss man sich nicht wundern, wenn sich die Leute abdrehen", schimpfte Witt. Der ehemalige Eiskunstläufer und ZDF-Moderator Rudi Carne legte sich ebenfalls fest und sagte, "das hat für mich ein Geschmäckle".

Die französische Sportzeitung "L'équipe", die schon vor den Spielen über angebliche Absprachen berichtet hatte, titelte: "Skandal - die Punktrichter haben Russland das erste Einzelgold geschenkt, aber Adelina Sotnikowa hat es nicht verdient." Das südkoreanische Blatt "Korea Times" fragte in der Freitagsausgabe polemisch "Skandal oder Eislauf?". Der italienische "Corriere dello Sport" wertete das Urteil als "Unrecht". Auch die drittplatzierte Italienierin Carolina Kostner war nach Ansicht vieler Experten zu schlecht bewertet worden.

"Ganz Russland ist stolz auf dich"

Ganz anders reagierte Wladimir Putin. Der Präsident des Gastgeberlandes der Winterspiele gratulierte Sotnikowa in pathetischen Worten: "Ganz Russland ist stolz auf dich". Sie habe bewiesen, welche Qualität das russische Eiskunstlauf-Team in den vergangen Jahren erreicht habe.

Viele Kritiker mutmaßen, dass dieser Triumph die Enttäuschung nach dem Aus der Eishockey-Spieler übertünchen soll. Ein Einspruch gegen das Urteil ist nicht möglich. "Die Wertung ist unantastbar, sie ist wie eine Tatsachenentscheidung nicht anfechtbar", sagte Peter Krick, Eventmanager der Internationalen Eislauf-Union (ISU). Intern würden zwei Preisrichter die Wertung der Jury analysieren und einen Bericht abliefern.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht derzeit ebenfalls keine Veranlassung, im Fall der umstrittenen Medaillenentscheidung einzugreifen. "Niemand hat sich offiziell beschwert, es liegt kein Protest vor", sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Zuständig sei der Eislauf-Weltverband. Das war er aber beim Skandal 2002 am Anfang auch, ehe das IOC das Heft des Handelns in die Hand nahm.

Neues Benotungssystem in der Kritik

Nach Olympia wird sich die ISU bei ihrem Kongress im Juni dennoch dem Thema Anonymität der Jury erneut annehmen müssen. Wie von Witt gefordert und vom deutschen Verband befürwortet, stellte der US-amerikanische Eiskunstlauf-Verband schon vor vier Wochen den Antrag, wieder die Nationalitäten und Bewertungen der Juroren offenzulegen. "Das wäre eine Katastrophe für unsere Sportart. Wir wollen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen", argumentiert Krick.

Im nach dem Paarlauf-Skandal von Salt Lake City 2002 veränderten Benotungssystem wollte man die Juroren auch vor dem Druck der eigenen Länder schützen. Verbände können derzeit nicht einsehen, wie ein Preisrichter aus ihrem Land gewertet hat. Eine mögliche Veränderung könnte der Verzicht auf Verbandsfunktionäre und deren Verwandte im Preisgericht sein, schließlich sagt sogar Krick: "Funktionäre sind immer befangen."

Trotzdem saß diesmal die Ehefrau des Generaldirektors des russischen Eiskunstlauf-Verbandes, Alla Schechowtsewa, in der Jury. Besonders kritisch beäugt wurde auch, dass der Ukrainer Juri Balkow wieder dabei war. Er war wegen versuchter Absprachen bei den Winterspielen 1998 in Nagano für ein Jahr gesperrt worden.

Schon vor Beginn der Eiskunstlauf-Wettbewerbe hatte "L'équipe" von Absprachen für Sotschi berichtet. Die Sportzeitung berief sich auf einen anonymen russischen Trainer, der über eine Einigung zwischen den USA und Russland für die Entscheidungen im Team-Wettbewerb, Paarlauf und Eistanz berichtet hatte. Gold im Team und bei den Paaren sollte an Russland gehen, der Sieg im Tanz an die USA. Zufall oder Absprache: Genauso so kam es in Sotschi.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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