"Ooohh", "Aaahhh", "Roarrrrrr" Keine Olympia-Party? Kommt zum Rodeln!
13.02.2018, 16:27 Uhr
Nach dem Stimmungskrimi: Natalie Geisenberger, Dajana Eitberger und Alex Gough, links.
(Foto: REUTERS)
Keine Zuschauer, keine Stimmung - die Olympischen Spiele in Südkorea werden verteufelt. So ein Unsinn! Im Sliding Center gibt's die ultimative Outdoor-Party. Ganz ohne nervige Animateure und Rodel-Krimi inklusive.
Für olympisch-koreanische Verhältnisse ist das Sliding-Center die atmosphärische Endstufe. Die Winterspiele in Pyeongchang, denen schon nach drei Tagen das Stimmungsgrab ausgehoben wird, haben hier am eisigen und sehr windigen Hügel ihr Outdoor-Eskalations-Epizentrum. Hier wo noch gerodelt, ab Donnerstag dann geskeletont und ab Sonntag gebobt wird. Hier wo die deutsche Athletin Nathalie Geisenberger an diesem abermals bitterkalten Dienstagabend zu ihrem dritten Olympiasieg gleitet.
Wo sich Geisenbergers Teamkollegin Dajana Eitberger mit einem Traumlauf noch von Rang vier auf Rang zwei vorschiebt. Wo die Kanadierin Alex Gough erst geschlagen ist und dann doch noch über Rang drei jubeln darf. Wo Tatjana Hüfner in den letzten Kurven Bronze verliert und die Amerikanern Emily Sweeney nach einem Fahrfehler sekundenlang gegen den Schlitten-Gau kämpft, um dann spektakulär zu stürzen und minutenlang liegen zu bleiben. Ein Krimi. Ein Stimmungskrimi.
Im Zielraum tigern Bundestrainer Norbert Loch und Rodel-Legende "Schorsch" Hackl umher. Sie sind angespannt - die Medaillenentscheidung im vierten olympischen Lauf steht an. Die Lage ist prächtig für die deutschen Damen: Geisenberger führt klar vor Hüfner, Eitberger hat dagegen als Vierte nur einen geringen Rückstand auf Hüfner. Dazwischen liegt nur Gough. Nachdem es minutenlang ruhig war am feinfühligen Partyberg - der heftige Eis-Einschlag von Sweeney nach einem Fahrfehler ausgangs der mittlerweile legendären Kurve neun sorgte für Tränen bei den Kolleginnen und banges Zittern bei Fans, Trainern und Betreuern, das erst verging, als die 24-Jährige aufstehen konnte - entzündete die Fahrt von Eitberger wieder das olympische Euphoriefeuer.
Ein Traumlauf, Spitzenstart, Ausfahrt Kurve neun gut getroffen, Top-Material, Laufbestzeit - die deutschen Fans feiern enthusiastisch. Eitberger auch. Ein Top-Debüt bei den olympischen Spielen. Immer wieder Sprechchöre. Dann mischen sich die Kanadier ein. Lautes Kreischen. Gough liegt in der Bahn. Keine Wackler, kein Fehler, sie verliert aber Zeit. Sehr schnell, sehr viel - für Rodelsportverhältnisse.
"Ooooooohhhhh" auf der einen Seite, "Jaaaaaaaa" auf der anderen. Gough stabilisiert sich. Dritte Zwischenzeit, ein winziger Zugewinn. Da aberwechselt die grün unterlegte Zeit auf Rot - Rückstand. "Nooooo", immer lauter. Ziel, Gough ist Zweite. Eitberger hat eine Medaille. Hackl rennt in die Leaders Box, umarmt die 27-Jährige. Als er loslässt brüllt er "rrrrrrooooooaaaaarrrrrrr." Bayrische Urgewalt. Auch auf den Rängen. Ein paar Sachsen und Thüringer sind auch da. Sie schunkeln mit. "Show-me-your-moves"-Appelle von überdrehten auf Techno gebürstetn Hipster-DJ's, nicht beim Rodel-Rumble. Der krasseste Konterpart zum Stimmungsfriedhof Skispringen und der atmosphärischen Intensivstation Biathlon.
Wild schreiende Jubel-Kombo
Hüfner bereitet sich vor. Die amerikanischen Fans haben sich vom Schock erholt. Sweeney hat nichts gebrochen, heißt es. Also wieder ab in die erste Reihe mit den feinen Stars-and-Stripes-Anzügen und -Jumpsuits. Hüfner ist unterwegs, ähnlich wie Gough. Keine Fehler, aber der Vorsprung schmilzt, "ooooohhh". Bei der vorletzten Zwischenzeit leuchtet's rot auf, "aaaaaahhhh". Für Hüfner geht's nur noch um Rang zwei. Hackl zittert, Loch zittert. Eitberger sowieso. Kanada hofft, Deutschland auch. Die einen kreischen laut, die anderen murmeln leise. Zielkurve, die Zeit stoppt, Hüfner ist Dritte. Kanada eskaliert, Deutschland nicht. Der mögliche Medaillen-Hattrick ist verpasst. Das gesamte Ahorn-Team stürmt die Leaders Box, tanzt, feiert, die Zuschauer mit ihnen. Sie schwingen die Nationalflagge. Im Großen wie im Kleinen. Gough hat bei ihren vierten Spielen endlich eine Medaille. Hüfner gratuliert kurz und fair. Hackl sagt nichts. Loch ist nicht zu sehen.
Nur eine ist noch oben: Nathalie Geisenberger. Ihr Vorsprung ist so komfortabel, wie der des FC Bayern in der Fußball-Bundesliga. Gibt's kein Loch-Déjà-vu, gibt's Gold. Das ist allen klar. Der Start ist top, der Schlitten liegt perfekt auf dem Eis. Der Vorsprung bleibt konstant überragend. Dann Anfahrt auf Kurve neun, Durchfahrt von Kurve neun - beides blitzsauber. Ein kollektives "oooohhh". Anerkennend, bewundernd. Da passiert nichts mehr. Geisenberger verwaltet sicher, reißt die Arme hoch - Olympiasieg. Der Bundestrainer rennt mit flatternden Armen zur Bahn, die deutschen Herren hinterher. Es folgt Eitberger. Eine wild schreiende Jubel-Kombo - von der Tribüne musikalisch untermalt von "oh wie ist das schön". Felix Loch bittet die Siegerin zum ganz schnellen Selfie. Für Instagram. Wichtig. Kanada feiert mit, die USA einfach auch. Eine Riesen-Rodelparty. Ganz ohne Kims mysteriöse Cheerleader-Armee. Einfach nur Endstufe.
Quelle: ntv.de