Bolt, der Größte unter den Größten? Noch 100 Meter bis Ali und Pelé
19.08.2016, 10:03 Uhr
Dieser Weg ist das Ziel.
(Foto: imago/UPI Photo)
Usain Bolt gewinnt die 200 Meter bei den Olympischen Spielen. Den Titel nimmt er mit, als goldene Zwischenstation zu seinem eigentlichen Ziel. Das will er mit der jamaikanischen Sprintstaffel erreichen.
Er ist der Zeremonienmeister dieser Olympischen Spiele. Selbst dann, wenn er (noch) gar nicht zu sehen ist. Allein die bloße Ankündigung, dass Usain Bolt irgendwann das Stadion betreten wird, sorgt bei den Zuschauern im Estádio Olímpico João Havelange für rauschhafte Zustände. Der Jamaikaner ist der Mann der Spiele. Seine Dominanz auf der Laufbahn, sein Habitus vor Start und nach Zieleinlauf, seine ausgiebige Leidenschaft zur Selbstekstase - in Rio gieren die Fans nach der nächsten ganz großen Bolt-Show. Die bleibt über 200 Meter zwar aus, trotz der zweiten Goldmedaille im zweiten Finale, trotz der Gott weiß wievielten Demonstration seiner Einzigartigkeit. Doch der Euphorie um den 29-Jährigen schadet das nicht. Vielleicht auch deshalb nicht, weil Bolt selbst das Ausbleiben der Show zur Show macht.
200 Meter, das ist die Paradedisziplin des Jamaikaners, "sein Baby", wie er sagt. Gold eine Selbstverständlichkeit. Alles andere wäre schließlich eine noch größere Sensation als der Typ selbst. Deshalb ist das Ziel in Brasilien ein anderes: ein neuer Weltrekord. Noch einmal schneller laufen als er selbst, als damals, als 2009 bei der Weltmeisterschaft in Berlin, als er dem langen Sprint eine neue zeitliche Dimension gab. 19,19 Sekunden, damit noch einmal 0,11 Sekunden fixer als beim olympischen Goldlauf in Peking exakt ein Jahr zuvor. Was freilich auch schon Weltrekord war.
Das große Ziel für Rio also: Bolt will schneller sein als Bolt. Die Realität: Gold (na klar), aber eine Zeit, fernab jeglicher künftiger Fabelerzählungen. Nach 19,78 Sekunden stoppt die Uhr, anders als sonst hat er im Finale diesmal voll durchgezogen, keine Zweifel an seinem Vorhaben gelassen. Der Vorsprung auf den Zweitplatzierten Andre de Grasse groß, der Applaus noch größer – und Bolt? Enttäuscht.
Bolt rechtfertigt sich vor der ganzen Welt
Zumindest gibt er das vor. Seine Gestik, seine Mimik. Schreien, abwinken. Das Publikum begeistert. Die Fans auf seiner Seite. War schließlich auch schwer, die Bahn nass, außerdem war es windig. Genug gute Gründe – zur Erklärung der Zeit, zum Feiern des achten Golds, zur gleichermaßen spektakulären und lässigen Selbstinszenierung. "Ich habe den Sport auf eine andere Ebene gehoben. Was soll ich der Welt noch beweisen?", sagte Bolt nach seinem zweiten Rio-Triumph, beinahe so, als müsse er sich für irgendetwas rechtfertigen.
Dabei erwartet das niemand von ihm. Nicht die Fans, nicht seine Konkurrenz. "Er ist ein Meisterschaftstyp. Er muss nichts mehr beweisen", sagt zum Beispiel der Franzose Christophe Lemaitre, der über die 200 Meter sensationell Bronze (20,12) gewann, knapp hinter dem Kanadier de Grasse (20,02). Der Einzige, der noch etwas von Bolt erwartet, ist er selbst.
Der schon jetzt beste Läufer der Sprintgeschichte will auf dem Sport-Olymp weiterklettern, mindestens auf die Stufe der allerbesten aller Zeiten. "Ich versuche einer der Größten zu sein, einer inmitten von Ali und Pelé", sagt er. Mit dem Triple-Triple (100 Meter, 200 Meter und 4x100-Meter-Staffel) sähe er sich am Ziel. Mit dann neun Goldmedaillen würde er mit dem Finnen Paavo Nurmi (1920 bis 1928) und Carl Lewis aus den USA (1984 bis 1996) gleichziehen und von der olympischen Bühne abtreten.
"Jemand hat gesagt, so kann ich unsterblich werden", sagt Bolt. Dieser Anspruch ist ihm wichtiger als weitere Weltrekorde. Alles ist bereit und bereitet für die große Zeremonie. Der Meister bittet zu seiner letzten Show (Samstag, 3.25 Uhr, 4x100-Meter-Staffel). Es soll die größte werden. Weil er der Größte werden will – bis zu Ali und Pelé fehlen ihm nur noch 100 Meter …
Quelle: ntv.de