Mit Cahow & Co. gegen Homophobie Obamas Liebesgrüße nach Sotschi
06.02.2014, 11:14 Uhr
Wer zuerst zwinkert, hat verloren: Obama und Putin beim G8-Gipfel im Juni 2013 in Nordirland.
(Foto: REUTERS)
Barack Obama brüskiert Wladimir Putin mit seiner Olympia-Delegation. Der US-Präsident schickt drei homosexuelle Sportler nach Sotschi. Die frühere Eishockeyspielerin Caitlin Cahow ist eine von ihnen.
Im Dezember 2013 trifft Barack Obama eine Entscheidung. Kein politisches Schwergewicht, noch nicht mal ein Kabinettsmitglied aus Washington soll mit der US-Delegation zu den Winterspielen nach Sotschi reisen. Von einem Boykott hält Obama jedoch nicht viel. Er, dessen Terminkalender eine Olympia-Reise angeblich verhindert, will ein Zeichen setzen. Also nominiert Obama überwiegend ehemalige Sportler für die Delegation.
Klingt unpolitisch, ist es aber nicht. Das gilt vor allem für Brian Boitano, Caitlin Cahow und Billie Jean King. Die drei haben zwei Dinge gemeinsam: Nicht nur feierten sie in ihrer aktiven sportlichen Laufbahn im Eiskunstlaufen, Tennis und Eishockey herausragende Erfolge. Sie bekannten sich auch offen zu ihrer Homosexualität. Es ist eine diplomatische Ohrfeige in Richtung Präsident Putin, der positive Äußerungen über Homosexualität im vergangenen Jahr unter Strafe stellen ließ.
"Wir wollen zeigen, wie viel es uns wert ist, dass Amerika seine Vielfalt zu schätzen weiß und jeder gleichberechtigt ist", sagt Cahow im Gespräch mit n-tv.de. "Ich hoffe, es wird in der Welt zur Kenntnis genommen, dass Schwule und Lesben eine würdige Stellung einnehmen und ihr Land mit Würde vertreten."
Mit zwei Olympia-Medaillen nach Sotschi
Für die 28-Jährige sind die Olympischen Spiele in Sotschi nicht die ersten. Neu ist jedoch ihre Rolle abseits der Wettkämpfe. Denn bisher flitzte die Frau aus New Haven im Bundesstaat Connecticut mit Kufen über das Eis und jagte dem Puck hinterher. Mit der US-amerikanischen Eishockey-Nationalmannschaft holte sie bei den Winterspielen 2006 in Turin Bronze, vier Jahre später in Vancouver Silber. Im vergangenen Jahr beendete sie ihre Laufbahn und widmete sich ihrem Jura-Studium an der Universität in Boston.

Caitlin Cahow spielte bei den Olympischen Winterspielen 2006 und 2010 für die US-amerikanische Eishockey-Nationalmannschaft.
(Foto: imago sportfotodienst)
Der Anruf aus dem Weißen Haus traf sie völlig überraschend. Cahow bereitete sich gerade auf eine Prüfung vor. "Ich war gleichzeitig demütig und stolz, als ich davon erfahren habe. Nach Sotschi zu fahren und mein Land dort zu vertreten, ist der Höhepunkt meiner Karriere", sagt sie. Dass sie mit der Unterstützung ihres Heimatlandes als offen lesbische Person nach Russland reisen könne, sei "ein riesiges Statement". Ihre Aufgabe ist es, während der Spiele bei offiziellen Veranstaltungen wie der Eröffnungsfeier aufzutreten und mit den US-Athleten in Kontakt zu bleiben.
Ob sie jungen Sportlern zu einem Coming-Out rät? Ihrer Vorbildfunktion ist sich Cahow bewusst. Mit ihrem Bekenntnis will sie auch andere Sportler ermuntern, offen mit ihrer Homosexualität umzugehen. "Wer sich bekennt, macht der Gesellschaft ein riesiges Geschenk." Trotzdem sei es jedem selbst überlassen. Nicht jeder Sportler sei dazu verpflichtet, sich zu seiner Sexualität zu bekennen. "Das verlangt ja auch niemand von einem heterosexuellen Sportler." Eine Hoffnung hat Cahow: dass "solche Etiketten" eines Tages keine Rolle mehr spielen, dass es irgendwann egal ist, "wen du liebst, und es nur noch darauf ankommt, wie du auf dem Platz auftrittst".
"Meinungsfreiheit ist etwas Gutes"
Im Januar kündigte Wladimir Putin an, dass Schwule und Lesben in Sotschi keine Verfolgung zu fürchten hätten. Trotzdem forderte er: "Lassen Sie die Kinder in Ruhe, bitte." Bei Verstößen gegen das Verbot der "Homosexuellen-Propaganda" drohen Geldstrafen oder Ausweisung. Die Bundesregierung gab deshalb eine Reisewarnung heraus. Demnach ist es etwa verboten, in Gegenwart von Minderjährigen gleichgeschlechtliche Liebe als normal zu bezeichnen
Cahow fährt jedoch nicht mit einem mulmigen Gefühl in das Land, in dem Homosexualität bis 1993 unter Strafe stand und bis 1999 als Geisteskrankheit galt. "Dass Menschen die Meinungsfreiheit haben, ist etwas Gutes. Viele Dinge hätten öffentlich nicht so eine große Aufmerksamkeit bekommen, wenn Russland diese Spiele nicht ausrichten würde." Dem IOC macht sie ohnehin keine Vorwürfe. Zwar verletze die russischen Anti-Homosexuellen-Gesetze die Olympische Charta. Allerdings falle die Entscheidung für einen Ausrichtungsort ja meist zu einem Zeitpunkt, zu dem sich gewisse Probleme in einem Land noch nicht vorhersehen ließen. "Außerdem hat das IOC nicht die Macht, sich in die Politik eines Gastlandes einzumischen."
Ob Obamas diplomatische Spitze Wirkung zeigt? Cahow sagt: "Ich weiß nicht, ob es einen Effekt haben wird bei Putin." Sie reizt jedoch der Gedanke, bei den Spielen den russischen Präsidenten zu treffen. Im Kopf hat sie die Begegnung schon durchgespielt. "Ich würde mich bedanken, dass er in Sotschi einen sicheren Ort geschaffen hat und sein Land für die Spiele zur Verfügung stellt." Wenn sie Putin die Hand schütteln könnte, würde sie die Genugtuung verspüren, dass zwei Menschen voreinander stehen und es respektierten, dass sie ihr Land auf unterschiedliche Weise repräsentieren. "Wenn man die Welt verändern will", sagt Cahow, "ist ein Händedruck oft wirkungsvoller als ein Faustschlag."
Nachtrag: Billy Jean King hat ihre Reise nach Sotschi inzwischen abgesagt. Grund ist die Erkrankung ihrer Mutter.
Quelle: ntv.de