"Ich werde hier nicht mehr fahren" Olympia-Bahn in der Kritik
20.02.2010, 00:32 Uhr
Der Bob des Schweizers Daniel Schmid verunglückte im Training.
(Foto: AP)
Die olympischen Wettkämpfe im Eiskanal von Whistler entwickeln sich immer mehr zu einem Trauerspiel. Seit dem Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili geht es in und an der gefährlichsten Bahn der Welt drunter und drüber. Zu allem Überfluss darf im Frauen-Rennen auch noch eine Mannschaft mitfahren, die in einer Fernseh-Show gecastet wurde. Dabei haben schon Routiniers Schwierigkeiten.
Der Schweizer Bob-Pilot Daniel Schmid hat nach einer Fortsetzung der Unfallserie im Zweierbob-Training vor der Bahn kapituliert und seinen Verzicht auf einen Olympia-Start erklärt: "Die Gesundheit ist mir wichtiger, als lebensmüde die Bahn runterzudonnern", sagte er. Zuvor war bei einem Sturz sein Anschieber Jürg Egger verletzt und per Hubschrauber ins Krankenhaus nach Vancouver gebracht worden. "Er hat eine Verletzung an der Halswirbelsäule. Es ist aber keine schwere Verletzung. Er ist in Ordnung und kann schon wieder selber gehen", sagte der Schweizer Teamarzt Christian Schlegel.
"Das war ein Fahrfehler von mir", räumte Schmid unterdessen ein, "aber die Bahn verzeiht keine Fehler. Das ist das Problem. Einer musste mal hingehen und sagen: Halt!" Unmittelbar nach dem Sturz hatte sich Schmid schwer betroffen gezeigt: "Mein Bremser liegt halbtot da unten, das kann nicht sein. Es war mein Fahrfehler, ich werde hier nicht mehr fahren."
Hefti wird nicht starten
Der deutsche Pilot Karl Angerer (Königssee) äußerte Verständnis für den schockierten Kollegen. "Die Bahn ist irrsinnig schnell. Man darf wirklich keinen Fahrfehler machen. Respekt für die Piloten, die sagen, mir ist die Sicherheit meiner Leute wichtiger als ein Olympiastart." Auch der Schweizer Europameister Beat Hefti startet am Samstag nicht. Der 32-Jährige hatte bei einem Sturz am Donnerstag Prellungen am ganzen Körper und eine Gehirnerschütterung erlitten.
"Wenn man so eine schwierige Bahn hat, dann muss gewährleistet sein, dass man Vorkehrungen trifft, dass alle Athleten die Bahn auch beherrschen", sagte der deutsche Verbandspräsident Andreas Trautvetter - ungeachtet des Maulkorbs, den der Weltverband FIBT verhängt hat, um öffentliche Kritik am Eiskanal und den Geschehnissen im Tal hinter Whistler zu verhindern. Der zweimalige Olympiasieger und ehemalige Weltklassepilot Christoph Langen sagt unverblümt: "Die FIBT ist schuld."
Casting-Crew im Frauenrennen
Eine große Gefahr könnten auch die am Samstag beginnenden Trainingsläufe im Frauen-Zweierbob werden. Zu viele unerfahrene Athletinnen rasen den gefährlichen Hochgeschwindigkeitskurs runter, darunter Ex-Speerwerferin Elfje Willemsen mit Anschieberin Eva Willemack: Die Belgierinnen bewarben sich bei einer TV-Show, in der es um die Gründung eines Bobteams ging. Sie gewannen - und erfüllten sich nach einigen Starts im Europa- und Weltcup ihren olympischen Traum, der vom TV-Sender auf Schritt und Tritt begleitet wird.
Astrid Loch-Wilkinson und Cecilia McIntosh aus Australien klagten sich kurzfristig über den Internationalen Sportgerichtshof CAS als 21. Team ins Starterfeld ein. Aufgrund einer FIBT-Quotenregel darf jeder Kontinent bei Olympia mit einem Männer- und Frauen-Team vertreten sein.
Hohn für Maulkorberlass
Die FIBT versuchte zwischenzeitlich, Trainer und Athleten mit einem Maulkorb zum Schweigen bringen, setzte für die Frauenbobs und den Männer-Wettbewerb zusätzliche Trainingsläufe an und spielte die Gefahr herunter. Für den Maulkorb-Erlass erntete der Weltverband Hohn und Spott. "Das ist lächerlich, dass man gestandenen Trainern das Mundwerk verbieten lassen will", sagte der deutsche Sportdirektor Thomas Schwab.
Er kritisierte aber auch die Verantwortlichen vor Ort: "Man darf dem Weltverband nicht alle Schuld in die Schuhe schieben, denn es gibt ja noch einen Veranstalter. Wir haben im Vorjahr schon die Kurven 11 bis 14 ins Visier genommen. Da muss das Eisprofil jetzt angepasst werden. Die Bahn ist hier am oberen Limit."
Deutsche Bobs ganz vorn
Das Abschlusstraining dominierten die deutschen Bobs. Die Bestzeit fuhr Ausnahmepilot und Titelverteidiger Andre Lange. Auf Platz zwei folgte Thomas Florschütz (Riesa) mit einem Rückstand von 0,27 Sekunden. Karl Angerer (Königssee/0,44) wurde Dritter.
Der sechste Trainingslauf war der erste, in dem es nicht zu einem Unfall kam. Damit blieb es bei 14 Trainingsstürzen.
Quelle: ntv.de, sid/dpa