Politische Botschaften verboten Regenbogen-Binde bei Olympia im Abseits
20.07.2021, 17:20 Uhr
Der Regenbogen darf während des Spiels nicht zu sehen sein.
(Foto: imago images/ANP)
Die Regenbogen-Binde von Manuel Neuer bei der Fußball-EM sorgt für Aufregung, geht nach einer UEFA-Untersuchung aber durch. Anders ist es wohl bei den Olympischen Spielen. Die deutsche Hockey-Kapitänin verzichtet lieber - es droht eine Bestrafung. Auch sonst wird es mit Statements schnell eng.
Der Regenbogen gehört für Nike Lorenz dazu. Das kleine Stückchen Stoff weist sie nicht nur als Kapitänin der deutschen Hockey-Frauen aus, sondern auch als Botschafterin für Vielfalt. Bei den Olympischen Spielen in Tokio war es der Plan der 24-Jährigen, neben Höchstleistungen auf dem Hockeyplatz erneut auch ein Zeichen über den Sport hinauszusetzen. So wie immer mehr Sportler weltweit gegen Ungerechtigkeiten aufstehen.
Doch trotz aller Anstrengungen wird ihr dies zumindest während der Partien im Zeichen der Ringe nicht möglich sein - die umstrittene Regel 50 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) greift. "Da ich einfach nicht weiß, was passiert, ist es für mich keine Option", sagte die Sportlerin: "Ich werde auf gar keinen Fall riskieren, dass meine Mannschaft darunter leidet."
Schon tags zuvor hatte die Bronzemedaillengewinnerin von Rio im Interview mit der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" darauf aufmerksam gemacht, dass für sie trotz Kontaktaufnahme mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Hockey-Weltverband (FIH) nicht zu ermitteln war, welche möglichen Konsequenzen der sichtbare Einsatz für die LGBTQ-Rechte nach sich ziehen könnte. "Mir wurde jetzt vonseiten des DOSB nur noch einmal gesagt, dass die Regeln halt so sind, wie sie sind, und ich mich daran halten muss", meinte Lorenz. Auch der DOSB bekomme nicht heraus, wie Strafen ausfallen würden.
Kniefall ist erlaubt
Zuletzt hatte sich das IOC Anfang Juli leicht bewegt. Proteste oder politische Meinungsäußerungen sind in Tokio eingeschränkt gestattet. Im Gespräch mit Medien, bei Pressekonferenzen, in der Mixed Zone, bei Teambesprechungen, auf Social-Media-Kanälen oder vor Beginn eines Wettkampfs sind den Aktiven Meinungsäußerungen gestattet. So können die britischen Fußballerinnen als Zeichen gegen Rassismus vor ihrem ersten Spiel am Mittwoch gegen Chile auf die Knie gehen, wie es unter anderem schon die Engländer bei der Fußball-EM getan hatten.
Weitere Proteste der Sportwelt werden bei den Sommerspielen folgen, die Teilnehmer schon in der Vergangenheit für große Zeichen genutzt hatten - wie beim Black-Power-Protest 1968 von Tommie Smith und John Carlos, der weltweites Aufsehen erregte. US-Sprinter Noah Lyles ahmte die Geste zuletzt nach.
Derartige Signale bleiben aber bei den Spielen in Tokio verboten. Bei offiziellen Zeremonien wie Siegerehrungen oder bei der Eröffnungs- und Schlussfeier, auf dem Spielfeld und im Olympischen Dorf soll es weiter keine politischen Botschaften geben. "Das war der Wunsch einer großen Mehrheit der Athleten in unserer globalen Befragung", erklärte das IOC Anfang Juli.
Regenbogen-Binde nur zum Aufwärmen
Lorenz wird nun ihre Regenbogen-Binde während des Aufwärmens tragen und nach den Matches zum Interview. Sie akzeptiert, dass es gewisse Grenzen der Meinungsäußerung bei dem Großevent gibt, bemängelt in ihrem Fall aber ein Kommunikationsproblem seitens des IOC. "Ich kann verstehen, dass sie politische Äußerungen vermeiden wollen aus Angst, dass sich hier zwischen den Nationen was austrägt", sagte die Hockeyspielerin: "Wenn ich einfach anfragen könnte, diese Binde zu tragen, wüssten sie, dass ich mich nicht gegen eine andere Nation richte."
Ohnehin wolle sie nur die Werte nach außen tragen und symbolisieren, die sich das IOC auf die eigene Fahne schreibe. "Wenn man hier rumläuft, sieht man so viel Werbung vom IOC zu Diversität, Solidarität, Fairplay und Inklusion", sagte Lorenz: "Wirklich überall hängen hier Sprüche, Plakate, die Fahrstühle sind vollgeklebt." Doch die ganz großen Zeichen lassen die Veranstalter der Olympischen Spiele nicht zu.
Quelle: ntv.de, ara/sid