Klasse, aber nicht kompromisslos Das Google Pixel 4 könnte noch besser sein
21.10.2019, 19:56 Uhr
Das Google Pixel 4 XL zeigt im Test viel Talent, aber auch ein paar Schwächen.
(Foto: kwe)
Das Pixel 4 ist mit herausragenden KI-Fähigkeiten und einer zukunftsweisenden Radar-Technik das spannendste Smartphone des Jahres. Allerdings hat Google nicht alles gegeben und deutsche Nutzer müssen geduldig sein.
Mit dem Pixel-4-Duo will Google zeigen, zu was Smartphones mit maschinellem Lernen und modernster Hardware schon fähig sind. Was mit den Geräten tatsächlich möglich ist und ob die hochtalentierten Smartphones auch alltagstauglich sind, hat n-tv.de ausprobiert.
Zum Einsatz kam im Test die XL-Variante. Sie hat ein mächtigeres und höher auflösendes Display sowie eine höhere Akku-Kapazität als das einfache Pixel 4. Ansonsten sind die Geräte aber identisch und haben vor allem die gleichen besonderen Fähigkeiten.
Vernünftiges Design
Das Design der neuen Google-Smartphones ist okay. Zwar bietet es kein nahezu randloses Display. Doch das liegt vor allem an den vielen Sensoren, die über dem Panel untergebracht werden mussten. Die seitlichen Ränder wirken dagegen nur dicker als bei anderen aktuellen Top-Smartphones, weil Google keine gebogenen Bildschirme eingebaut hat. Gut so, denn damit werden Inhalte bis zum Displayrand unverzerrt dargestellt.
Sehr angenehm ist der matte, abgerundete Rahmen, durch den die Geräte ausgesprochen gut und sicher in der Hand liegen. Bei der Rückseite waren Googles Designer leider nicht so konsequent. Nur die weißen Varianten und das kleine Modell in Orange haben matte Glas-Rückseiten. Die schwarzen Geräte besitzen glatte Oberflächen und sehen daher schnell etwas schmierig aus.
Der 6,3 Zoll große AMOLED-Bildschirm des Pixel 4 XL hat den starken ersten Eindruck bestätigt. Mit der hohen Auflösung QHD+ bietet er eine gestochen scharfe Darstellung mit 537 Pixel pro Zoll (ppi). Das Display liefert sehr gute Kontraste und kräftige, aber realistische Farben. Außerdem kann es recht hell leuchten. Durch die hohe Bildwiederholfrequenz von 90 Hertz erzeugt das Panel flüssige Bewegungen beim Scrollen oder in Spielen.
Präzise Gesichtserkennung benötigt Update

Google weist bei der Einrichtung der Gesichtserkennung darauf hin, dass sie auch mit geschlossenen Augen funktioniert.
(Foto: kwe)
Sehr zackig und zuverlässig arbeitet die 3D-Gesichtserkennung. Weil man das Gerät nur anheben muss, ist sie auch schneller als bei den iPhones, wo eine zusätzliche Wischgeste zum Entsperren nötig ist. Allerdings gab es Beschwerden, weil Google nicht die Option gewährt, eine Erkennung nur mit geöffneten Augen zu erlauben. Die Funktion soll mit einem Update nachgereicht werden.
Damit die Gesichtserkennung schnell und flüssig funktioniert, nutzt Google auch den neuen Radar-Chip in der Sensoren-Leiste über dem Display. Er erkennt, wenn der Nutzer nach dem Gerät greift und aktiviert die Kamera. Bei anderen Smartphones erledigt dies ein Bewegungssensor. Der sehr präzise Radar-Chip ist zu weit mehr fähig, nur weiß auch Google bisher nicht so recht, was man mit "Motion Sense" anfangen soll.
Radar-Chip sucht Beschäftigung
Aktuell kann man durch Wischgesten über dem Smartphone in Musik-Apps Songs vor- und zurückspringen oder Wecker, Timer und Anrufe stummschalten. Das klappt zuverlässig und ist vor allem beim Kochen nützlich, wenn man nicht mit verklebten Händen übers Display schmieren oder mit dem digitalen Assistenten reden möchte. Doch oft macht man das nicht. Mal sehen, ob Google da noch etwas Besseres einfällt. Updates mit neuen Funktionen für "Motion Sense" sollen auf jeden Fall noch kommen.
Das Innenleben des Pixel 4 ist ziemlich unspektakulär. Ein Qualcomm Snapdragon 855 und 6 Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher reichen zwar völlig aus. Es gibt aber einige andere aktuelle Top-Smartphones, die deutlich stärker bestückt sind und dabei weniger kosten.
Bei Akku und Speicher geknausert
In den günstigeren Varianten ist der interne Flash-Speicher der Pixel-4-Geräte mit 64 GB ziemlich mickrig ausgefallen. 12 GB davon beansprucht bereits Android 10. SD-Karten schlucken die Pixels nicht und Google bietet auch für seine eigenen Smartphones keinen unlimitierten Cloud-Speicher für Fotos in höchster Qualität mehr an. Wer also seine Aufnahmen nicht regelmäßig sichern möchte, sollte ein Pixel 4 mit 128 GB kaufen. Dafür verlangt Google aber im besten Apple-Stil gleich satte 100 Euro mehr und wer die Farbe Orange mag, muss grundsätzlich mit 64 GB klarkommen.
Auch beim Akku hat sich Google für eine nicht allzu üppige Ausstattung entschieden - möglicherweise um die 8,2 Millimeter schlanke Taille der Geräte nicht zu gefährden. Die Batterie des Pixel 4 XL fasst 3700 Milliamperestunden (mAh), die des Pixel 4 2800 mAh. Damit kommt man im Normalfall gut über den Tag, im Test kam das Gerät im Alltag auf Laufzeiten um 30 Stunden. Wenn das Pixel 4 aber gefordert wird, kann es am späten Abend schon mal knapp werden. Das ist zwar nicht allzu schlimm, da die Geräte schnell geladen werden können. Aber Laufzeiten wie beispielsweise beim Huawei P30 Pro oder dem iPhone 11 Pro XL sollten bei einem 900-Euro-Smartphone Standard sein.
Starke Doppel-Kamera

Google hat den Nachtmodus noch etwas verbessert. Das iPhone 11 macht in ähnlichen Situationen aber ebenso gute Bilder.
(Foto: kwe)
Einen neuen Standard möchte Google mit seiner Doppel-Kamera auf der Rückseite setzen. Das ist den Entwicklern auch zum Teil gelungen. So machen die neuen Pixels noch etwas bessere Nachtaufnahmen als die Vorgänger. Mit ihnen kann man sogar bei fast absoluter Dunkelheit den Sternenhimmel fotografieren, so lange man ein Stativ für die langen Belichtungszeiten verwendet. In nachts zu hellen Städten kommt aber eher der optimierte Weißabgleich zur Geltung, der bei Tag und Nacht realistische Farben erzeugt. Das sieht man mit der neuen Live-Vorschau auch schon vor dem Auslösen.
Ein schönes Extra ist die Möglichkeit, bei schwierigen Lichtverhältnissen die Belichtung von dunklen und hellen Bereichen getrennt anzupassen. Das bekommt die vorzügliche Automatik zwar meistens schon selbst gut genug hin, aber besonders bei Gegenlichtaufnahmen kann man mit der Funktion noch einiges herausholen.
Gute Teamarbeit
Interessanter ist die neue Zoom-Funktion, die die zusätzliche Tele-Kamera mit zweifacher optischer Vergrößerung ermöglicht. Man wechselt dabei nicht zwischen den Objektiven hin und her, die beiden optisch stabilisierten Kameras arbeiten grundsätzlich immer im Team. So liefern sie starke achtfache Vergrößerungen mit vielen Details und gleichbleibend guten Farben - auch nachts.
Bei Porträtaufnahmen hilft die zweite Kamera mit zusätzlichen Informationen für ein verbessertes Bokeh. Die künstliche Tiefenunschärfe sieht natürlicher als bei den Vorgängern aus und Objekte im Vordergrund werden sauberer und mit schöneren Übergängen freigestellt.
Kein Superweitwinkel, Videos nur Standard
Für die meisten Nutzer ist die Kombination aus Standard- und Tele-Objektiv laut Google ausreichend. Das stimmt wohl. Aber ein zusätzliches Superweitwinkel würden sie wohl auch nicht ablehnen. Und wenn man es so geschickt wie Huawei anstellt, kann man damit auch hervorragende Makros aufnehmen, was mit dem Pixel 4 nicht möglich ist.
Grundsätzlich machen die neuen Pixels auch gute Videos. Allerdings fehlen hier Google die Leistungsreserven die Apple mit dem A-13-Chip beim iPhone 11 hat. So bietet das Pixel 4 bei Videos keine besonderen KI-Eigenschaften oder Möglichkeiten zum Bearbeiten der Aufnahmen. 4K-Videos sind außerdem nur mit 30 Bildern pro Sekunde möglich.
Pixel 4 bitte zum Diktat!
Ein KI-Meisterstück ist die neue Rekorder-App, die Sprache in Echtzeit in Text umwandeln kann. Weil sie dafür Googles verbauten neuronalen Prozessor verwendet, klappt dies auch offline. Gespeicherte Texte erhalten Markierungen, wo bei der Aufnahme besondere Geräusche zu hören waren, beispielsweise Applaus oder Musik. Man kann den Text außerdem nach Stichworten durchsuchen.
Bisher steht die Funktion nur auf Englisch zur Verfügung, eine deutsche Umsetzung soll aber "bald" folgen. Das ist zu hoffen. Denn im Test wandelte das Pixel 4 XL auch nicht besonders deutlich oder mit Akzent gesprochene Sätze fast fehlerfrei um.
Wenn das deutsche Modell fertig ist, wird auch die neue Generation des Google Assistant hierzulande zum Einsatz kommen. Sie nutzt ebenfalls den neuronalen Prozessor und kann daher offline arbeiten, was unter anderem die Geschwindigkeit erhöht.
Langfristig günstiger
Die bescheidene Akku-Kapazität und die mickrige Speicher-Ausstattung sind klare Minuspunkte, hier haben andere Hersteller mehr zu bieten. Trotzdem ist das Pixel 4 ein ausgezeichnetes Smartphone, das sich durch seine außergewöhnliche KI-Begabung von anderen Highend-Geräten unterscheidet.
Vor allem die Sprachumwandlung ist beeindruckend, obwohl deutsche Nutzer noch auf eine Umsetzung warten müssen. Die neuen Kamera-Funktionen sind ebenfalls beachtlich, Google kann sich mit ihnen aber nicht wirklich von der Konkurrenz absetzen. Vor allem das iPhone 11 und das Huawei P30 Pro können mithalten und sind in Teilbereichen auch besser.
Obwohl sie 100 Euro günstiger als ihre Vorgänger auf den Markt kommen, sind die neuen Pixel-Geräte mit 750 bis 1000 Euro auch keine Schnäppchen. Sind einem die KI-Fähigkeiten egal, bekommt man für so viel Geld stärker ausgestattete Smartphones. Allerdings erhalten Pixel-Geräte garantiert drei Jahre lang schnelle Android-Upgrades, sie haben also mindestens für die kommenden vier Jahre ein aktuelles Betriebssystem.
Quelle: ntv.de