Wirtschaft

Bittere Wahlumfragen am Zuckerhut Anleger bangen vor Brasilien-Wahl

Ein Obdachloser zündet sich neben einem Wandgemälde mit Profilen der Präsidentschaftskandidaten Dilma Rousseff, Marina Silva und Aecio Neves eine Zigarette an. Auf dem Schild steht: "Wähle Null".

Ein Obdachloser zündet sich neben einem Wandgemälde mit Profilen der Präsidentschaftskandidaten Dilma Rousseff, Marina Silva und Aecio Neves eine Zigarette an. Auf dem Schild steht: "Wähle Null".

(Foto: REUTERS)

In Brasilien stehen Präsidentschaftswahlen an und der Markt hat beim Kampf Marina Silva gegen Dilma Rousseff eine klare Favoritin. Wer gewinnt, entscheidet darüber, wie es in der größten, aber mit Problemen kämpfenden Volkswirtschaft Südamerikas weitergeht.

Kräftiger Kursrückschlag am brasilianischen Aktienmarkt: Nachdem der Ibovespa zwischen März und Anfang September stark gestiegen war, in der Hoffnung, die Herausforderin und frühere Umweltministerin Marina Silva könne die Amtsinhaberin Dilma Rousseff bei den anstehenden Wahlen ablösen, hat sich in den neuesten Umfragen das Blatt gewendet. Nun baut Rousseff ihren Vorsprung aus. Allein seit Anfang September ist der Ibovespa deshalb um 15 Prozent eingebrochen. Sollte keine der beiden Kandidatinnen am kommenden Sonntag die absolute Mehrheit erreichen, findet am 26. Oktober die Stichwahl statt.

Ibovespa
Ibovespa 145.641,88

Falls es wie von Experten erwartet zu einer Stichwahl kommen sollte, könnte der Aktienmarkt weiter stark von den Wahlumfragen und dem späteren Wahlergebnis beeinflusst werden. "Falls Marina Silva gewinnt, würden wir eine Rally im Real, bei Aktien und bei Anleihen sehen. Ein Sieg Dilma Rousseffs würde dagegen negativ bewertet – mit entsprechenden Konsequenzen für die Kurse", so M&G-Expertin Calich.

Hausgemachte Probleme

Grund für das Misstrauen Rousseff gegenüber ist, neben diversen Korruptionsaffären, die tiefe Rezession in der die brasilianische Wirtschaft steckt. Kritiker werfen ihr vor, die Wirtschaft, die unter ihrem Vorgänger Luiz Inacio Lula de Silva einen Aufschwung erlebte, durch zu viele staatliche Eingriffe zu bremsen.

Um der Flaute gegenzusteuern, erhöht die amtierende Präsidentin die Staatsausgaben immer weiter. Dadurch steigt das Haushaltsdefizit. Gleichzeitig machen die privaten Haushalte und die Unternehmen kräftig neue Schulden. Seit Anfang 2000 haben sich die Schulden des privaten Sektors mehr als verzehnfacht auf zuletzt 3,7 Billionen Real (1,5 Billionen Dollar). Die Schuldensause treibt die Inflation, die zuletzt auf 6,6 Prozent geklettert ist.

In dem Umfeld kann die Notenbank die Zinsen von elf Prozent nicht senken. "Angesichts der zu lockeren Haushaltspolitik ist als Gegengewicht eine sehr restriktive Geldpolitik nötig, um die Inflation einzudämmen. Gleichzeitig müssen die Aufwendungen für Sozialprogramme und Pensionen reduziert werden, da Brasilien bereits unter einer sehr hohen Steuerlast leidet", betonte Claudia Calich, Fondsmanagerin für Anleihen bei M&G Investments. Bei dem derzeitigen Wachstums- und Zinsniveau werde der aktuelle finanzpolitische Kurs zu einer unhaltbaren Verschuldung führen.

Auch die Weltwirtschaft macht Brasilien zu schaffen. Als bedeutender Exporteur von Rohstoffen leidet das Land erheblich unter der Abkühlung der Konjunktur in China. So ist der Preis für Eisenerz zuletzt auf ein Fünf-Jahres-Tief gesunken. Damit trüben sich etwa die Perspektiven für den Bergbauriesen Vale erheblich ein, die Aktie sinkt derzeit auf neue Jahrestiefs. Brasilien bekommt zudem die Verschärfung der Krise im Nachbarland Argentinien zu spüren. Weil der argentinische Peso abstürzt, tun sich die brasilianischen Unternehmen mit Ausfuhren nach Argentinien immer schwerer. Um den schwächelnden Exportsektor zu unterstützen, hat die Regierung daher zuletzt Steuererleichterungen von sechs Milliarden Real (2,5 Milliarden Dollar) für den Sektor angekündigt.

Konzerne im Staatsbesitz unter Druck

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte bereits im März das Rating für Brasilien abgestuft. Es liegt nur noch eine Stufe über dem Niveau von Ramschanleihen. Um die Inflation etwas zu bremsen, greift Rousseff auf Staatskonzerne wie Petroleo Brasileiro (kurz Petrobras) zurück. Der Ölmulti muss seine Produkte zu Preisen verkaufen, die unter dem Weltmarkt liegen. Das belastet die Profitabilität von Petrobras erheblich. Deswegen ist das Papier nach den neuesten Umfragen zur Präsidentenwahl ebenso eingebrochen wie die anderer Staatskonzerne, etwa die Banco do Brasil.

Auch bei der Währung macht sich die Krise Brasiliens bemerkbar. Der brasilianische Real hat in den vergangenen Monaten kräftig nachgegeben und liegt mit 2,49 Real je Dollar am Sechs-Jahres-Tief. Für zusätzlichen Druck auf den Real sorgt die Geldpolitik in den USA. Weil die US-Notenbank Fed zusehends vom Gas geht, steigt der Dollar gegenüber etlichen Währungen aus den Emerging Markets, insbesondere gegenüber den Ländern, die ein hohes Leistungsbilanzdefizit haben. Denn sie sind auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Investoren ziehen aus den Ländern aber Geld ab, weil ihnen die derzeit kräftigen Währungsverluste zu schaffen machen.

Das Duell der starken Frauen dürfte am Sonntag also nicht nur auf der Polit-Bühne angespannt verfolgt werden – denn die Zukunft der Wirtschaft des Landes hängt vom Ausgang ab.

Quelle: ntv.de

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