Auf der Regierungsmatte Arcandor will Rettungshilfe
05.06.2009, 10:20 UhrDer schwer angeschlagene Touristik- und Handelskonzern Arcandor hat bei der Bundesregierung einen Antrag auf einen Kredit aus der Rettungsbeihilfe über 437 Mio. Euro gestellt. Das teilte das MDax-Unternehmen in Essen mit. Der Kredit soll die notwendige Liquidität für die nächsten sechs Monate sichern. "Nach den Regularien der Rettungsbeihilfe kann dieser Kredit von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sehr kurzfristig genehmigt und auch ausgezahlt werden", heißt es in der Mitteilung.
Parallel will Arcandor weiterhin mit dem Metro-Konzern über eine Zukunft für das Warenhausgeschäft verhandeln. "Die finanzielle Stabilisierung des Konzerns ist Voraussetzung dafür, in gemeinsamen Gesprächen mit der Metro AG ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Konzept zu erarbeiten und konstruktiv zu gestalten."
Unabhängig vom aktuellen Kreditantrag bemüht sich Arcandor beim Bund um eine Staatsbürgschaft in Höhe von 650 Mio. Euro. Dieser Antrag bleibe unberührt. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick betonte, Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und SPD-Kanzlerkandidat Frank Walter Steinmeier hätten dem Unternehmen "in persönlichen Gesprächen die Hand gereicht und uns diese Lösung empfohlen".
PwC-Prüfer sehr skeptisch
Die Lage von Arcandor ist wohl kritischer als angenommen. Ein Gutachten, das die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Bundesregierung angefertigt haben, bescheinige dem ehemals unter KarstadtQuelle firmierenden Unternehmen nur noch geringe Überlebensfähigkeit, berichtet das "Handelsblatt".
"Von dem kreditgebenden Konsortium wurde uns für Arcandor eine Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von 20 Prozent mitgeteilt", zitiert die Zeitung aus dem PwC-Papier. Entsprechend hoch wäre im Fall einer Staatsbürgschaft die Gefahr, dass der Steuerzahler bereits in den ersten zwölf Monaten zur Kasse gebeten würde.
Anders als von Arcandor-Finanzvorstand Rüdiger Günther dargestellt, besitze Arcandor offenbar keineswegs mehr ein Eigenkapital von rund 1,2 Mrd. Euro, berichtet die Zeitung weiter. Seit dem letzten Konzernabschluss im September 2008 habe sich der Bestand dem PwC-Gutachten zufolge auf 177 Mio. Euro verringert. Dem Konzern drohe damit neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung, sollte der Konsortialkredit bis zum 12. Juni nicht wunschgemäß verlängert werden.
Dem PwC-Papier zufolge rutschte der Betriebsgewinn (Ebit) von Oktober bis März auf minus 360 Mio. Euro. Unter dem Strich lag der Verlust bei 603 Mio. Euro nach einem Minus von 256 Mio. Euro im Vorjahreszeitraum. Ein Arcandor-Sprecher wollte die Zahlen gegenüber der Zeitung nicht kommentieren. Sie sollen erst am 18. Juni veröffentlicht werden.
KPMG sieht Sanierungsfähigkeit
Laut einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kann Arcandor gerettet werden. "Nach unserer Auffassung ist das uns vorgelegte Konzept schlüssig und nachvollziehbar. Das Unternehmen ist unter den im Konzept genannten Bedingungen sanierungsfähig", zitiert die "Welt" aus dem Papier.
Die Kredit gebenden Banken hatten die Untersuchung dem Bericht zufolge in Auftrag gegebenen. Mit dem Gutachten solle überprüft werden, ob das von der Beratungsgesellschaft Roland Berger ausgearbeitete und von Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick vorgestellte Sanierungskonzept erfolgversprechend ist.
Voraussetzung für eine dauerhafte Sanierung seien laut KPMG beispielsweise "Beiträge Dritter", also vor allem der Verzicht von Lieferanten oder Vermietern auf Teile von Zahlungen. Auch Projekte wie der Verkauf der drei Premium-Warenhäuser KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger innerhalb von drei Jahren seien notwendig.
Quelle: ntv.de, wne/AFP/dpa